15.11.2012

Benachbarte Fachgesetze im Bauverfahren

Konzentrationswirkung und Abstimmung der Genehmigungsbehörden

Benachbarte Fachgesetze im Bauverfahren

Konzentrationswirkung und Abstimmung der Genehmigungsbehörden

Wegen der Konzentrationswirkung der Baugenehmigung ist eine Prüfung der benachbarten Fachgesetze erforderlich | © styleuneed - Fotolia
Wegen der Konzentrationswirkung der Baugenehmigung ist eine Prüfung der benachbarten Fachgesetze erforderlich | © styleuneed - Fotolia

Bei diversen Bauvorhaben sind nicht nur die Regelungen des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts betroffen, sondern vielfach auch Vorschriften und Vorgaben aus anderen Rechtsgebieten. So birgt ein Bauvorhaben im Einzelfall auch naturschutz- und immissionsschutzrechtliche Probleme oder es sind Besonderheiten des Denkmalschutzrechts zu beachten. Diese Regelungen außerhalb des klassischen Baurechts sind im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu prüfen und finden – meist in Form von Auflagen oder Nebenbestimmungen – Eingang in die erteilte Baugenehmigung. Hierbei gilt grundsätzlich die Konzentrationswirkung, nach der die Baugenehmigung auch die Genehmigungen der anderen Gesetze mitumfasst. Die Zusammenarbeit und Kooperation der einzelnen Fachbehörden ist daher unabdingbar.

Aktuelles Negativbeispiel

Ein aktuelles Negativbeispiel zeigte sich im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens im Frankfurter Westend für eine Immobilie mit Luxuswohnungen und einer sehr großen Tiefgarage, die fast das gesamte Grundstück umfasst. Auf dem Baugrundstück mit altem Baubestand standen u.a. zwei hohe Spitzahorn-Bäume. Diese sollten im Rahmen der Baumaßnahmen gefällt werden. Die untere Naturschutzbehörde verweigerte jedoch die erforderliche Fällgenehmigung. Daraufhin beantragte der Bauherr die Baugenehmigung bei der Bauaufsichtsbehörde, ohne dass die betroffenen Bäume in dem Bauantrag eingezeichnet oder benannt wurden. Der Bauherr erhielt die begehrte Baugenehmigung ohne naturschutzrechtliche Auflagen. Die Bäume mussten folglich nicht erhalten werden. Darüber hinaus war der alte Baumbestand auf den Nachbargrundstücken gefährdet, da die Baugenehmigung als Ausnahme vom Bebauungsplan den Bau der Tiefgarage bis an die Grundstücksgrenzen zuließ. Der Fall zeigt deutlich, dass die jeweiligen Fachbehörden auch die Belange, Interessen und rechtliche Beurteilung der von ihren Genehmigungen mitumfassten Genehmigungen aus anderen Rechtsgebieten sorgsam prüfen und berücksichtigen müssen, um allen (rechtlichen) Belangen gerecht zu werden.

Konzentrationswirkung im Allgemeinen

Die Konzentrationswirkung von Genehmigungen funktioniert in Bezug auf das öffentliche Baurecht in zwei Richtungen: Zum einen können Genehmigungen aus anderen Rechtsgebieten eine Baugenehmigung mitumfassen, zum anderen kann eine Baugenehmigung auch Genehmigungen aus anderen Rechtsgebieten wie beispielsweise dem Denkmalschutz oder Umweltrecht beinhalten. Hierdurch kommt den Genehmigungen teils eine erhebliche Reichweite und Bedeutung mit Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete bzw. Genehmigungserfordernissen aus denselben zu.


Ersetzung der Baugenehmigung durch Fachgenehmigung

Teilweise ist gesetzlich bestimmt, dass die Baugenehmigung von einer anderen Genehmigung mitumfasst ist. Die andere Genehmigung ersetzt die Baugenehmigung, wodurch eine Entscheidungskonzentration bei der jeweiligen Fachbehörde erfolgt. So schließt die immissionschutzrechtliche Genehmigung nach den §§ 4 BImSchG, § 13 BImSchG die Baugenehmigung mit ein. Gleiches gilt für wasserrechtliche Genehmigungen für die Benutzung eines Gewässers nach § 3 WHG; die entsprechende Erlaubnis im Sinne des §7 WHG und die Bewilligung nach § 8 WHG beinhalten zugleich die baurechtliche Genehmigung. Eine Baugenehmigung wird in diesen Fällen daher nicht von der Bauaufsichtsbehörde, sondern von einer anderen Fachbehörde erteilt. Die rechtliche Wirkung, Bindung und die Rechtsfolgen sind jedoch identisch. Dies gilt auch für den Rechtschutz des Bauherrn oder auch von Dritten, wie z.B. dem Nachbarn.

Fachgenehmigung von Baugenehmigung mitumfasst

Im Bereich des öffentlichen Baurechts sind meist umweltrechtliche Belange sowie die Interessen des Denkmalschutzes relevant. Im Rahmen der Konzentrationswirkung werden daher in der Baugenehmigung die Genehmigungen, Auflagen und/ oder Nebenbestimmungen dieser Rechtsgebiete mit aufgenommen und entfalten so auch ihre Wirksamkeit. So gilt dies für die naturschutzrechtliche Eingriffsregelungen nach §§ 17, 18 BNatschG und die immissionschutzrechtlichen Regelungen nach § 13 BImSchG und der 4. BImSchV, bei den die jeweilige Fachgenehmigung bereits in der Baugenehmigung der Bauaufsichtsbehörde enthalten ist. Insbesondere findet diese Konzentrationswirkung für Genehmigungen der (landesrechtlichen) Denkmalschutzgesetze Anwendung. So umfasst beispielweise in Hessen eine Baugenehmigung nach § 7 Abs. 3 S. 2 DScHG auch die Genehmigung der Denkmalschutzbehörde nach § 16 DSchG für die Zerstörung, Beseitigung, Umgestaltung, Instandsetzung und das Anbringen einer Werbeanlage an einem geschützten Kulturdenkmal. Allerdings wird hierfür vor Genehmigungserteilung die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde benötigt. Hierdurch soll gerade sichergestellt werden, dass schutzwürdige Belange des Denkmalschutzes nicht durch eine Baugenehmigung ausgehebelt werden.

Nebeneinander von Bau- und Fachgenehmigung

Neben der Konzentrationswirkung und Entscheidungskonzentration stehen aber auch einige Genehmigungen unabhängig nebeneinander. Dieses Separationsmodell gilt insbesondere bei bestimmten landesrechtlichen Genehmigungserfordernissen. So bestehen gaststättenrechtliche Genehmigungen grundsätzlich unabhängig neben der Baugenehmigung. Auch bauliche Anlagen in Landschafts- und Naturschutzgebieten bedürfen neben der Baugenehmigung noch der separaten Genehmigungen des Naturschutzrechts. Weitere Beispiele des Nebeneinanders von Baugenehmigung und Fachgenehmigung finden sich im Forstgesetz, dem Tierschutzrecht oder auch bei der Zweckentfremdung von Wohnraum. Besonderheiten gelten auch für Sanierungsgebiete im Sinne des BauGB. Neben der Baugenehmigung ist auch eine sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 144 BauGB erforderlich. Hierbei ist auch zu beachten, dass ein Bauantrag und eine Bauvoranfrage nicht als gleichzeitiger Antrag auch Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung zu verstehen sind. Es handelt sich auch verfahrenstechnisch um separate Genehmigungen. Gleiches gilt auch für Genehmigungen für Vorhaben im städtebaulichen Sanierungsbereich nach §§ 165 ff. BauGB. Weitere Fälle des Separationsmodells im Bereich des Baurechts sind Baulasten im Sinne der jeweiligen Bauordnung, der Beschluss über die Grenzregelungen nach § 82 BauGB, der Umlegungsbeschluss nach § 47 BauGB sowie kommunale Entscheidungen und Regelungen im Bereich der Stellplatzsatzungen und eventueller Ausnahmen.

Fazit

Da im Rahmen der Konzentrationswirkung und Entscheidungskonzentration von Genehmigungsbehörden über ihr eigentlich fachfremde Rechtsgebiete mitentschieden wird, ist eine sorgfältige Bewertung und rechtliche Beurteilung aller infrage kommenden Aspekte notwendig. Im Zweifel sollte stets der Kontakt mit der jeweiligen Fachbehörde gesucht werden. Ansonsten kann es schnell zu unbefriedigenden und rechtlich fragwürdigen Entscheidungen kommen. Im Ausgangsfall sah sich die Bauaufsichtsbehörde außer Stande, die bereits erteilte Genehmigung zu widerrufen oder sonst zu beseitigen. Im Einvernehmen mit dem Bauherrn wurde schließlich vereinbart, dass dieser eine alte Rotbuche auf dem Nachbargrundstück gutachterlich betreuen und den Erhalt des Baumes sichern muss sowie auf seinem Grundstück sieben neue Bäume anpflanzt. Die Bauaufsicht und das Umweltamt wollen künftig enger zusammenarbeiten und haben einen automatischen Datenabgleich vereinbart. Weiter gibt es – zumindest in Hessen – die Bestrebungen, den Baumschutz als zwingenden Bestandteil in die Bauvorlagen aufzunehmen.

Im Rahmen von Genehmigungsverfahren ist daher stets eine enge Abstimmung, ein Informationsaustausch und die Kooperation der im Einzelfall beteiligten Fachbehörden erforderlich, um letztlich eine rechtssichere und alle (rechtlichen) Aspekte des geplanten Vorhabens abdeckende und vor allem diesen auch gerecht werdende Entscheidung treffen zu können.

 

Dr. Bastian Hirsch

Fachbereichsleiter der Bauaufsicht einschließlich der Unteren Denkmalschutzbehörde sowie der Unteren Immissionsschutzbehörde des Hochtaunuskreises
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