15.09.2015

EU: Durchbruch für den Breitbandausbau?

Beihilferechtliche Bedeutung der neuen NGA-Rahmenregelung

EU: Durchbruch für den Breitbandausbau?

Beihilferechtliche Bedeutung der neuen NGA-Rahmenregelung

Der Breitbandausbau für Hochgeschwindigkeitsinternet geht nicht überall so schnell wie erwünscht. | © Gina Sanders - Fotolia
Der Breitbandausbau für Hochgeschwindigkeitsinternet geht nicht überall so schnell wie erwünscht. | © Gina Sanders - Fotolia

Der flächendeckende Breitbandausbau hat auf den Agenden der deutschen Bundesregierung und der Europäischen Kommission erklärtermaßen Priorität. Der Ausbau in den ländlichen Regionen ist allerdings aus Sicht privater Unternehmen vielfach nicht lukrativ. Das staatliche Engagement ist bei „Marktversagen” die einzige Option für die Verwirklichung eines Projekts, wirft allerdings Fragen des EU-Beihilferechts auf.

Mit den Breitbandleitlinien aus dem Jahr 2013 (ABl. 2013 C 25/1) hat die Europäische Kommission den beihilferechtlichen Rahmen weitestgehend abgesteckt. Für die deutschlandweite Versorgung mit Hochgeschwindigkeitsinternet ist zudem eine wesentliche Finanzierunghürde genommen, seitdem die Kommission am 15. 06. 2015 (SA.38348) die Rahmenregelung des Bundes für den Breitbandausbau der nächsten Generation (Next Generation Access; „NGA-Rahmenreglung”) genehmigt hat. Sie kann als Grundlage für eine Förderung von Hochgeschwindigkeitsinternet in Höhe von 3 Mrd. Euro dienen. Die NGA-Rahmenregelung war daher lange erwartet worden, wird allerdings nur ein Bestandteil des weiten Spektrums beihilferechtskonformer Förderung sein. Für die Kommunen und die Unternehmen werden sich zudem bei der Anwendung der Rahmenregelung neue Herausforderungen stellen.

Die NGA-Rahmenregelung: ein Überblick

Die NGA-Rahmenregelung trägt der aktuellen Genehmigungspraxis der Kommission Rechnung, die sie in den Breitbandleitlinien von 2013 festgehalten hat. Die Bedeutung der neuen NGA-Rahmenregelung als genehmigte Beihilferegelung liegt darin, dass alle Beihilfen, die ihre Voraussetzungen erfüllen, vom Durchführungsverbot (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) ausgenommen sind. Mit anderen Worten: Obwohl es sich um Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt, bedürfen sie keiner Notifizierung, sondern sind von der generellen Genehmigung der Rahmenregelung erfasst.


In den Anwendungsbereich der NGA-Rahmenregelung fallen Beihilfen für den Ausbau von NGA-Netzen in Gebieten, in denen aktuell keine NGA-Versorgung besteht und in den nächsten drei Jahren keine NGA-Netze entstehen werden (weiße Flecken), § 2 Abs. 2. Um die Ausbaupläne festzustellen und nicht erforderliche staatliche Eingriffe auszuschließen, muss ein Markterkundungsverfahren durchgeführt werden, § 4. Entsprechend dem Ziel der Regelung, die flächendeckende Versorgung mit hochleistungsfähigen Breitbandanschlüssen sicherzustellen, sollen nur Vorhaben gefördert werden, die für mindestens 75 % der Haushalte zuverlässig Bandbreiten möglichst von 50 Mbit/s und mehr, für 95 % mindestens jedoch 30 Mbit/s im Download” gewährleisten, § 2 Abs. 3. Vorausgesetzt wird zudem, dass das Vorhaben zu einer erheblichen Verbesserung für den Down- und Upload führt, konkret: mindestens zu einer Verdoppelung der Downloadrate und zu einer (im Vergleich zur Ausgangsbandbreite) analogen Steigerung der Uploadrate, § 2 Abs. 4. Um Wettbewerbsverzerrungen zu minimieren, muss der Begünstigte in einem offenen und transparenten Verfahren ausgewählt werden. Dieses Verfahren muss dem Geist und den Grundsätzen der EU-Vergaberichtlinien auch dann genügen, wenn das Vergaberecht nicht unmittelbar einschlägig ist, § 5 Abs. 4.

Die NGA-Rahmenregelung nennt zwei Formen der Förderung: Sachbeihilfen einerseits und eine Deckung der sog. Wirtschaftlichkeitslücke andererseits. Während Sachbeihilfen (Verlegung von Leerrohren, Tiefbauleistungen) bereits unter der Vorgängerregelung, der Bundesrahmenregelung Leerrohre, genehmigt waren, bedeutet der staatliche Ausgleich von nicht durch Erlöse gedeckten Kosten eine wesentliche Ausweitung der Förderung. In beiden Fällen gelten grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen. Unterschiede bestehen aber insbesondere bei den Angaben, welche die Bieter im Auswahlverfahren machen müssen.

Defizite der NGA-Rahmenregelung

Die Rahmenregelung weist einige Defizite auf. Diese lassen sich nur teilweise mit den zwischen der Kommission und der Bundesregierung bestehenden Differenzen zu bestimmten Punkten erklären, die zu einem langwierigen Abstimmungsprozess über fast eineinhalb Jahre und zu Überarbeitungen der Regelung geführt haben. Der Aufbau und die Formulierung der Rahmenregelung hätten verständlicher sein können. Dies betrifft bereits die Unschärfe bei den geforderten Bandbreiten (möglichst von 50 Mbit/s, § 2 Abs. 3), einer zentralen Fördervoraussetzung. Der (auch an anderen Stellen) missverständliche Wortlaut der Rahmenregelung wirft viele Fragen auf: Gibt es ein Kriterium, wann für ein Vorhaben Bandbreiten von 30 Mbit/s ausreichen und wann 50 Mbit/s (zwingend) erforderlich sind? Wie wird ein Vorhaben bewertet, mit dem nur Bandbreiten von 40 oder 45 Mbit/s erzielt werden, wenn das Ziel einer 95 %igen Abdeckung mit 30 Mbit/s erreicht ist? Kommen Sachbeihilfen nur dann in Betracht, wenn private Unternehmen den Breitbandausbau auch mit staatlicher Förderung (Deckung der Wirtschaftlichkeitslücke) nicht durchführen wollen? Sollen nur private, nicht aber kommunale Betreiber Beihilfen erhalten können? Billigt der Staat den Betreibern von Breitbandnetzen, bei denen er die Wirtschaftlichkeitslücke schließt, keinen (angemessenen) Gewinn zu? Auch der vage Hinweis in § 7 Abs. 7 der Rahmenregelung, dass die Infrastruktur zukunftssicher sein muss, ist für den Anwender nicht hilfreich.

Die Schwächen bei der Formulierung der NGA-Rahmenregelung werden den Breitbandausbau zwar nicht aufhalten. Eine klarere Regelung hätte den Anwendern in den Kommunen und den Unternehmen allerdings zusätzliches Kopfzerbrechen erspart.

Zulässigkeit von Vectoring?

In einem Punkt ist die NGA-Rahmenregelung deutlich. Vectoring ist durch die aktuelle Genehmigung nicht erfasst. Die Förderung des Ausbaus von Breitband auf Basis einer Vectoring-Technik war offenbar zwischen der Bundesregierung und der Kommission umstritten und eine Ursache für die lange Dauer des Genehmigungsverfahrens. Die Kommission wollte der Nutzung von Vectoring („vorerst”) nicht zustimmen und hielt damit an der Genehmigungspraxis der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO, ABl. 2014 L 187/1) fest, wonach nur eine physische Entbündelung ausreichenden Zugang von Wettbewerbern zu den Netzen schafft. Die wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegenüber der Vectoring-Technik konnte Deutschland offenbar nicht ausräumen. Um künftig die NGA-Rahmenregelung für Vectoring zu öffnen, muss die Bundesregierung die Kommission in einem separaten Verfahren überzeugen, dass virtuelle Entbündelung hinreichend Wettbewerb schafft. Die technische Entwicklung wird daher die wettbewerbsrechtliche Bewertung bestimmen.

Da der (lange) Arm der Kommission nur so weit reicht, wie ihre beihilferechtliche Genehmigung erforderlich ist, steht dem Einsatz von Vectoring grundsätzlich nichts entgegen, wenn der Ausbau ohne staatliche Beihilfen auskommt. Auf einem anderen Blatt stehen freilich die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Vectoring durch die Bundesnetzagentur.

Folgen für die Praxis des Breitbandausbaus

Im Breitbandbereich steht ein (nunmehr um die NGA-Rahmenregelung ergänztes) breites Instrumentarium zur Verfügung, um Ausbauvorhaben EU-beihilferechtskonform zu gestalten. Je nach Größe und Finanzkraft der Kommunen einerseits und Angebot und Nachfrage in dem jeweiligen Gebiet andererseits kann sich eine der folgenden Fördermöglichkeiten anbieten:

Eine beihilferechtliche „Regulierung” des Breitbandausbaus entfällt dann, wenn sich der Staat ohne Beihilfen engagiert. Denkbar ist etwa, dass die öffentliche Hand nach den Grundsätzen eines privaten Investors (d. h. ohne eine beihilferechtlich relevante Begünstigung zu gewähren) tätig wird. Auch wenn nur eine geringfügige Förderung (sog. De-minimis-Beihilfen) von max. 200.000 Euro in drei Jahren gewährt wird, gelten nicht die hohen Rechtmäßigkeitsanforderungen.

In denjenigen Fällen, in denen der Ausbau privaten Endverbrauchern (also nicht nur Unternehmen) dient und keine Endkundendienste angeboten werden, kann die Förderung zudem als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) ausgestaltet werden. Sofern bei der Betrauung mit der DAWI alle Voraussetzungen des Urteils des EuGH in der Sache Altmark Trans (C-280/00) beachtet werden, liegt bereits (tatbestandlich) keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vor. Wegen der hohen formalen Anforderungen der Altmark-Rechtsprechung bedarf eine Betrauung einer präzisen Ausgestaltung. Die sog. Altmark-Kriterien werden zwar teilweise für unerfüllbar gehalten. Einer der wenigen Fälle, in denen die Kommission (N331/2008) alle vier Altmark-Kriterien für erfüllt erachtete und diese Entscheidung vom Gericht der Europäischen Union (T-79/10) auch bestätigt wurde, betraf jedoch gerade den Breitbandausbau.

Sofern die Förderung des Breitbandausbaus eine Beihilfe enthält, gilt sie als genehmigt, wenn sie in den Anwendungsbereich einer Beihilferegelung fällt und deren Voraussetzungen erfüllt. Neben der NGA-Rahmenregelung bestehen etwa auch Beihilferegelungen einzelner Bundesländer. Eine weitere „abstrakte” Genehmigung enthält Art. 52 AGVO. Danach können die Mitgliedstaaten für Breitbandvorhaben in sog. weißen (NGA-)Flecken Beihilfen gewähren. Hinter der NGA-Rahmenregelung bleibt die AGVO insbesondere insofern zurück, als nur Investitionskosten für den NGA-Ausbau erstattet werden können, nicht aber die Kosten des Betriebs. Zudem liegt die Grenze bei 70 Mio. Euro Gesamtkosten pro Vorhaben.

Sollten die Besonderheiten des Einzelfalls keine Subsumtion unter eine genehmigte Beihilferegelung oder die AGVO erlauben, kommt eine Notifizierung des Vorhabens bei der Kommission in Betracht. In diesem Fall wird die Kommission anhand der Kriterien der Breitbandleitlinien von 2013 die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem EU-Binnenmarkt prüfen. Da die Kommission allerdings die Mitgliedstaaten ermutigt, soweit möglich nationale Beihilferegelungen (für eine Vielzahl von Einzelbeihilfen) anzumelden, sollte die Genehmigung von sog. Ad-hoc-Beihilfen eher die Ausnahme darstellen.

Die hier genannten einzelnen Instrumente haben sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Es sollte daher bereits möglichst frühzeitig geklärt werden, welches Instrument für die lokalen Gegebenheiten geeignet ist und welche Schritte einzuhalten sind.

 

Anja Köhler

Rechtsanwältin, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
 

Dr. Christian Wagner

Rechtsanwalt, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
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