Die Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung zum europäischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht
Die wichtigsten Entscheidungen
Die Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung zum europäischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht
Die wichtigsten Entscheidungen
Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die wichtigsten Entscheidungen geben, die der EuGH und das Gericht (im Folgenden zur leichteren Unterscheidung teils auch weiter als Gericht erster Instanz bezeichnet) im Jahr 2023 im Bereich des europäischen Verfassungs- und Verwaltungsrechts erlassen haben.
Erfasst werden dabei die Institutionen der EU und der europäische Grundrechtsschutz (II.–III.), das EU-Prozessrecht (IV.) und das Verhältnis zum Recht der Mitgliedstaaten (V.), weiter die Grundfreiheiten des Binnenmarktes (VI.), Grundsatzfragen des Beihilfenrechts (VII.) sowie die Außenbeziehungen der EU (VIII.).
Die Auswahl berücksichtigt Urteile, die grundsätzliche Fragen aufwerfen oder beantworten; eine Vollständigkeit des Überblicks oder die Erörterung von Detailfragen, die insbesondere das EU-Sekundärrecht in großer Fülle bietet, wird dabei von vornherein nicht angestrebt (die Abschnitte VI–IX werden in Heft 18 [S. 617 ff.] abgedruckt).
I. Einleitung: Die Entwicklung der EU-Gerichtsbarkeit im Jahr 2023
In der Rechtsprechungsstatistik des Berichtsjahres sind nur wenige neue Entwicklungen zu beobachten; die Tendenzen entsprechen denjenigen der Vorjahre1S. im Detail zum Ganzen den Jahresbericht 2023 (Jahresüberblick), S. 22 ff.. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der neu anhängig gemachten Rechtssachen beim Gerichtshof im Wesentlichen stabil geblieben (821 gegenüber 806 im Vorjahr). Die Zahl der erledigten Rechtssachen ist im Vergleich zum Vorjahr (808) wieder leicht zurückgegangen (783). Damit ist die Gesamtzahl der anhängigen Rechtssachen wieder etwas erhöht (1149), verglichen mit dem Jahr 2022 (1111). Die Erledigungszeiten haben sich im Vergleich zum Vorjahr leicht reduziert (16,1 Monate gegenüber 16,4 Monaten). Bei Eilvorabentscheidungsverfahren betrug die Erledigungszeit durchschnittlich 4,3 Monate. Bei den anhängig gemachten Rechtssachen liegt der Schwerpunkt weiterhin bei den Vorabentscheidungsverfahren (518), gefolgt von Rechtsmittelverfahren (231) und Klageverfahren (60, davon 49 Vertragsverletzungsverfahren).
Beim Gericht hat sich die Zahl der anhängigen Rechtssachen gegenüber dem Vorjahr (1474) deutlich erhöht (1841). Es wurden erneut mehr Rechtssachen anhängig gemacht (1271) als im Vorjahr (904). Die Zahl der erledigten Rechtssachen (904) ist gegenüber dem Jahr 2022 (858) gestiegen. Die Erledigungsdauer betrug im Durchschnitt 18,2 Monate. Bei den Klageverfahren nehmen in inhaltlicher Hinsicht, nachdem im vergangenen Jahr Sanktionsmaßnahmen im Zuge des Ukrainekrieges besonders deutlich zugenommen hatten, in diesem Jahr erneut die Streitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums (309 neue Rechtssachen), Streitigkeiten im Bereich des öffentlichen Dienstes (75) und Beihilfen- und Wettbewerbsverfahren (25) die statistischen Spitzenplätze ein.
Das im vergangenen Jahr durch einen Antrag des EuGH nach Art. 281 Abs. 2 AEUV auf Veränderung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Gerichtshof und Gericht, insbesondere im Bereich der Vorabentscheidungsverfahren angestoßene Änderungsverfahren2S. dazu Germelmann/Gundel, BayVBl. 2023, 469/469 f. der EuGH-Satzung und der Verfahrensordnungen von Gerichtshof und Gericht, ist noch nicht abgeschlossen. Es ist jedoch offenbar eine dahingehende politische Einigung zwischen Parlament, Rat, Kommission und Gerichtshof erzielt worden3S. Jahresbericht 2023 (Jahresüberblick), S. 5.. Umgesetzt worden sind Änderungen in der Verfahrensordnung des Gerichts4ABl. EU 2023 L 44/8, dazu Simon, Europe 5/2023, 1; s. auch die Neufassung der Hinweise an die Parteien, ABl. EU 2023 L 73/58. Ferner auch Pressemitteilung Nr. 58/23 v. 31.03.2023.. Insbesondere wurde die Möglichkeit von Pilotverfahren mit vorrangiger Behandlung geschaffen (Art. 71b). Des Weiteren betreffen die Änderungen auch Vereinfachungen wie Videokonferenzen (Art. 107a) oder gemeinsame mündliche Verhandlungen (Art. 106a).
Eine Neuerung in rein technischer Hinsicht, die allerdings nur den EuGH betrifft, ist die Einführung von fiktiven Namen in anonym geführten Verfahren. Schon seit dem 1. Juli 2018 waren die Namen der natürlichen Personen, die Parteien der Ausgangsverfahren von Vorabentscheidungsersuchen sind, aus Gründen des Datenschutzes nur noch mit Anfangsbuchstaben genannt worden5Zu dieser Umstellung s. Germelmann/Gundel, BayVBl. 2019, 583/583 f.. Diese werden ab 1. Januar 2023 durch elektronisch erzeugte fiktive Namen ersetzt, was der besseren Identifikation der Verfahren dienen soll6Pressemitteilung Nr. 1/23 v. 09.01.2023; dazu Rigaux, Europe 3/2023, 14.. Damit wird zwar der Tatsache Rechnung getragen, dass die seit 2018 praktizierten bloßen Buchstabenbezeichnungen tatsächlich keinerlei Wiedererkennungswert haben; die Verwendung von erfundenen Namen erscheint dennoch als eher bizarre Ersatzlösung, die nun aber praktiziert wird7Die neue Losung wurde zunachst wohl auch uneinheitlich angewandt, so tragt die Rs. C-1/23 (X, Y, A und Y, B) statt eines Zufalls-Eigennamens den Sachtitel der syrischen Stadt Afrin, in der die Angehörigen der Kläger leben; eine Anwendung der angekündigten Praxis findet sich dagegen z. B. bei der Rs. C-35/23 (Greislzel), zu der die Zusatzinformation gegeben wird, dass die Rs. „mit einem fiktiven Namen bezeichnet [ist], der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.“; gleichzeitig werden systematisch wenig überzeugend bei Nichtigkeitsklagen weiter die Namen der Kläger auch insoweit mitgeteilt, als es sich um natürliche Personen handelt.
In Bezug auf den von Art. 6 Abs. 2 EUV vorgesehenen Beitritt der EU zur EMRK gab es im Berichtsjahr keine grundlegenden Neuigkeiten. Die 46+1-Gruppe8S. Germelmann/Gundel, BayVBl. 2023, 469/470. hat im März 2023 dem Steuerungskomitee für Menschenrechte des Europarats einen finalisierten Abkommensentwurf für den Beitritt der EU zur EMRK zusammen mit weiteren Dokumenten im Entwurfsstadium vorgelegt9S. CDDH Ad Hoc Negotiation Group („46+1“) on the Accession of the European Union to the European Convention on Human Rights: Report to the CDDH, Dok. 46+1(2023)35FINAL v. 30.03.2023, Rn. 9: „The draft revised instruments on the accession of the EU to the [ECHR] consist of a draft agreement on the accession of the European Union to the [ECHR], a draft declaration by the EU, a draft rule to be added to the Rules of the Committee of Ministers for the supervision of the execution of judgments and of the terms of friendly settlements in cases to which the EU is a party, a draft model of a memorandum of understanding and a draft explanatory report to the Accession Agreement. They all form a package and are equally necessary for the accession of the EU to the Convention.“ Eine Vergleichsversion zu den Texten von 2013 findet sich als „Final consolidated version of the draft accession instruments“, Dok. 46+1(2023)36 v. 17.03.2023.. Er enthält insbesondere Neuregelungen zu den vom EuGH in seinem Gutachten 2/2013 beanstandeten Punkten wie dem Mitbeschwerdegegner-Mechanismus, bei dem nun zwingend nur eine gemeinschaftliche Verurteilung von EU und betroffenem Mitgliedstaat erfolgen kann, dem Ausschluss des Art. 33 EMRK zwischen EU-Mitgliedstaaten, der Begrenzung der Befugnisse der mitgliedstaatlichen Gerichte im Vorabbefassungsverfahren des 16. Zusatzprotokolls, dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens sowie der institutionellen Einbindung der EU. Für den weiterhin offenen Kritikpunkt des EuGH bezogen auf die seiner Gerichtsbarkeit nicht unterliegenden Kontrolle bestimmter Handlungen im Rahmen der GASP soll eine unionsinterne Lösung gesucht werden10S. CDDH Ad Hoc Negotiation Group („46+1“) on the Accession of the European Union to the European Convention on Human Rights: Report to the CDDH, Dok. 46+1(2023)35FINAL v. 30.03.2023, Rn. 8.. Ein konkreter Zeitrahmen besteht offenbar noch nicht; eine Information des Ministerkomitees ist vorgesehen, auch wenn eine Lösung für die GASP-Frage bislang noch nicht vorliegt11Meeting Report, 18th Meeting of the CDDH Ad Hoc Negotiation Group („46+1“) on the Accession of the European Union to the European Convention on Human Rights, Dok. 46+1(2023)R18 v. 17.03.2023, Rn. 13..
II. Institutionen und Rechtssetzungsverfahren
- Institutionelle Fragen der Krisenbewältigung/Rechtsstaatlichkeitskrise
Der Rückgang der krisenbezogenen Rechtsprechung des Gerichtshofs hat sich im Berichtsjahr weiter fortgesetzt: Die Rechtsstreitigkeiten zur Euro-Schuldenkrise sind praktisch abgeschlossen12Für die Zurückweisung der Rechtsmittel von Investoren gegen Urteile des Gerichts, die eine Haftung der Union fur die griechischen Schuldenkurzungen verneinen, s. EuGH, E.v. 28.09.2023 – Rs. C-262/22 P (QI u. a./ Kommission); EuGH, E.v. 06.07.2023 – Rs. C-7/22 P (RQ/Rat und Kommission)., zur COVID-Krise finden sich zwar zahlreiche Urteile, die die Probleme aber ohne Überraschungen im unionsrechtlichen Rahmen abarbeiten. Die Rechtsstaatlichkeitskrise hat allerdings wiederum eine prägende Rolle gespielt. Dabei hat sich im Konflikt um die Unabhängigkeit der Justiz in Polen die Zweigleisigkeit von Klärungen in Vorabentscheidungsverfahren und Vertragsverletzungsverfahren fortgesetzt: So bildet den Ausgangspunkt des Urteils der Großen Kammer des Gerichtshofs in den verb. Rs. YP u. a. und M.M.13EuGH (GK), E.v. 13.07.2023 – verb. Rs. C-615/20 und C-671/20 (YP u.a); dazu Rigaux, Europe 10/2023, 16 f. eine Vorlage eines Einzelrichters des Warschauer Regionalgerichts, der nach der Vereinbarkeit der Disziplinarkammer mit den Vorgaben des Unionsrechts gefragt hatte und daraufhin suspendiert worden war; der Fall zeigt zugleich den Widerstandsgeist in der polnischen Richterschaft, weil die dem ersten betroffenen Richter zugewiesenen Rechtssachen nach der Suspendierung auf andere Richter verteilt worden waren und einer dieser Richter die Vorlagefrage gestellt hat, ob diese Umverteilung mit Unionsrecht vereinbar ist, womit er sehenden Auges die eigene Suspendierung riskierte. Der EuGH antwortet, dass aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts der unionsrechtswidrig abgelöste Richter weiter als zuständig angesehen werden muss und die Richter, auf die seine Streitsachen verteilt wurden, sich daher für unzuständig erklären müssen.
Der Gerichtshof bestätigt zu dem, dass an diesem Ergebnis weder die polnische Disziplinargesetzgebung noch die Rechtsprechung des polnischen Verfassungsgerichtshofs, der die unionsrechtlichen Vorgaben als verfassungswidrig eingestuft hatte, etwas ändern können. Die polnische Richterschaft wird damit für die Durchsetzung des Unionsrechts auch in harten Konfliktfällen in Anspruch genommen; das entspricht aber der Konzeption des Vorrangs des Unionsrechts.
In dem seit 2021 anhängigen Vertragsverletzungsverfahren
in der Rs. Kommission/Polen14Rs. C-204/21 (Kommission/Polen)., in dem die Kommission im Jahr 2021 die Verhängung eines Zwangsgelds von einer Million Euro für jeden Tag der Missachtung der zunächst gegen Polen erlassenen einstweiligen Anordnung erreicht hatte15EuGH, E.v. 27.10.2021 – Rs. C-204/21 R (Kommission/Polen); dazu m. w. N. Germelmann/Gundel, BayVBl. 2022, 505/506 f., hat der Gerichtshof im April 2023 auf Antrag Polens über eine Aufhebung beziehungsweise Anpassung des Zwangsgelds entschieden16EuGH, E.v. 21.04.2023 – Rs. C-204/21 P-RAP (Polen/Kommission); dazu Rigaux, Europe 6/2023, 21 f.; FAZ Nr. 94 v. 22.04.2023, S. 6: „EuGH halbiert Zwangsgeld – Weitere Justizreformen in Polen notwendig“.. Polen hatte dafür geltend gemacht, dass es sämtlichen Forderungen der Kommission nachgekommen sei; der EuGH stellte dazu fest, dass dies nur in Teilen der Fall war, er hat das weiterhin anfallende Zwangsgeld in Anerkennung der Auflösung der umstrittenen Richterdisziplinarkammer durch den polnischen Gesetzgeber aber auf die Hälfte reduziert. Wenig später ist dann auch die Hauptsacheentscheidung der Großen Kammer des Gerichtshofs17EuGH (GK), E.v. 05.06.2023 – Rs. C-204/21 (Kommission/Polen) – NJW 2023, 2837; dazu Britz, NJW 2023, 2819 ff.; de Sadeleer, JCP 2023, 1373 ff.; Rigaux, Europe 8/2023, 19 ff.; aus der Tagespresse FAZ Nr. 129 v. 06.06.2023, S. 5: „Auch Polens Justizreform von 2019 war europarechtswidrig“. ergangen, mit der der EuGH einen Verstoß der Justizreform von 2019 gegen die unionsrechtlichen Vorgaben für die Unabhängigkeit der nationalen Gerichte festgestellt hat. Der politische Konflikt hat sich in der Folge nach dem Ausgang der polnischen Parlamentswahlen im Herbst 2023 zwar entspannt, die juristische Auseinandersetzung insbesondere mit dem polnischen Verfassungsgericht, deren Mitglieder sämtlich durch die abgewählte Regierung ernannt wurden, geht aber weiter18Dazu z. B. Veser, Die letzte Bastion der PiS, FAZ Nr. 279 v. 30.11.2023, S. 5.: Am Tag der Abwahl der bisherigen Regierung durch das neu gewählte polnische Parlament hat das Verfassungsgericht noch auf Antrag der Vorgängerregierung entschieden, dass die Bestimmung des Art. 260 AEUV, nach der Verstöße der Mitgliedstaaten gegen Unionsrecht zur Verhängung von Zwangsgeldern und Geldbußen führen können, mit der polnischen Verfassung nicht vereinbar sei19VerfGH Polen, E.v. 11.12.2023 – K 8/21; dazu aus der Tagespresse FAZ Nr. 239 v. 12.12.2023, S. 5: „Machtwechsel in Polen hat begonnen – Verfassungsgericht: Artikel des EU-Vertrags nicht verfassungskonform“. Die neue polnische Regierung hat demgegenüber bei der Veröffentlichung eines weiteren Urteils des VerfGH im Amtsblatt mit dem Hinweis reagiert, dass der VerfGH mit nicht nach den gesetzlichen Regeln berufenen Richtern besetzt sei und damit nicht den Anforderungen der EMRK entspreche, s. dazu FAZ Nr. 296 v. 20.12.2023, Nr. 296, S. 6: „Nicht rechtmäßig berufen – Vermerk in Urteil von Polens Verfassungsgericht“. Der Oberste Gerichtshof Polens hat aus dieser rechtswidrigen Besetzung des Verfassungsgerichts seinerseits den Schluss gezogen, dass er in dieser Situation selbst zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit polnischer Gesetze berechtigt ist, s. OGH, E.v. 16.03.2023 – II USKP 120/22; dazu Brożyna, GPR 2023, 194 ff..
[…]
III. Die EU-Grundrechte
- Der Anwendungsbereich der EU-Grundrechte
Das auf Vorlage eines rumänischen Gerichts ergangene Urteil des Gerichtshofs in der Rs. T.A.C.20EuGH, E.v. 04.05.2023 – Rs. C-40/21 (T.A.C.); dazu Simon, Europe 7/ 2023, 14 f. prüft die Vorgaben der Unionsgrundrechte für die rumänische Antikorruptionsgesetzgebung in einer zunächst überraschenden Ausgangskonstellation: Im Ausgangsfall hatte der Kläger aufgrund von Korruptionsvorwürfen nach einer amtlichen Untersuchung sein Amt und zudem für drei Jahre das passive Wahlrecht verloren; der für die Anwendung der GRC gemäß Art. 51 GRC notwendige Zusammenhang mit dem Unionsrecht ist dabei aber zunächst nicht zu erkennen. Die angewandte Antikorruptionsregelung wurde jedoch zur Umsetzung der im Vorfeld des rumänischen Beitritts erlassenen Kommissionsentscheidung 2006/928/EG21Kommissionsentscheidung 2006/928/EG v. 13.12.2006 zur Einrichtung des Verfahrens für die Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben in den Bereichen Justizreform und Korruptionsbekämpfung, ABl. EU 2006 L 354/56. geschaffen, womit der Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnet ist22Die Kommission hat diese Entscheidung jüngst mit dem Beschluss (EU) 2023/1786 v. 15.09.2023 zur Aufhebung der Entscheidung 2006/928 (…), ABl. EU 2023 L 299/94, aufgehoben und hierfür auf die Erreichung ihrer Ziele sowie auf die zwischenzeitliche Einführung des Rechtsstaatlichkeitsmonitorings für alle Mitgliedstaaten durch die Kommissionsmitteilung „Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in der Union“, COM(2019) 343 final v. 17.07.2019, verwiesen.. In der Sache lässt der Gerichtshof die Regelung unbeanstandet und verweist auf die Notwendigkeit einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Sanktionen im jeweiligen Einzelfall.
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Entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 17/2024, S. 577.
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- 1S. im Detail zum Ganzen den Jahresbericht 2023 (Jahresüberblick), S. 22 ff.
- 2S. dazu Germelmann/Gundel, BayVBl. 2023, 469/469 f.
- 3S. Jahresbericht 2023 (Jahresüberblick), S. 5.
- 4ABl. EU 2023 L 44/8, dazu Simon, Europe 5/2023, 1; s. auch die Neufassung der Hinweise an die Parteien, ABl. EU 2023 L 73/58. Ferner auch Pressemitteilung Nr. 58/23 v. 31.03.2023.
- 5Zu dieser Umstellung s. Germelmann/Gundel, BayVBl. 2019, 583/583 f.
- 6Pressemitteilung Nr. 1/23 v. 09.01.2023; dazu Rigaux, Europe 3/2023, 14.
- 7Die neue Losung wurde zunachst wohl auch uneinheitlich angewandt, so tragt die Rs. C-1/23 (X, Y, A und Y, B) statt eines Zufalls-Eigennamens den Sachtitel der syrischen Stadt Afrin, in der die Angehörigen der Kläger leben; eine Anwendung der angekündigten Praxis findet sich dagegen z. B. bei der Rs. C-35/23 (Greislzel), zu der die Zusatzinformation gegeben wird, dass die Rs. „mit einem fiktiven Namen bezeichnet [ist], der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.“
- 8S. Germelmann/Gundel, BayVBl. 2023, 469/470.
- 9S. CDDH Ad Hoc Negotiation Group („46+1“) on the Accession of the European Union to the European Convention on Human Rights: Report to the CDDH, Dok. 46+1(2023)35FINAL v. 30.03.2023, Rn. 9: „The draft revised instruments on the accession of the EU to the [ECHR] consist of a draft agreement on the accession of the European Union to the [ECHR], a draft declaration by the EU, a draft rule to be added to the Rules of the Committee of Ministers for the supervision of the execution of judgments and of the terms of friendly settlements in cases to which the EU is a party, a draft model of a memorandum of understanding and a draft explanatory report to the Accession Agreement. They all form a package and are equally necessary for the accession of the EU to the Convention.“ Eine Vergleichsversion zu den Texten von 2013 findet sich als „Final consolidated version of the draft accession instruments“, Dok. 46+1(2023)36 v. 17.03.2023.
- 10S. CDDH Ad Hoc Negotiation Group („46+1“) on the Accession of the European Union to the European Convention on Human Rights: Report to the CDDH, Dok. 46+1(2023)35FINAL v. 30.03.2023, Rn. 8.
- 11Meeting Report, 18th Meeting of the CDDH Ad Hoc Negotiation Group („46+1“) on the Accession of the European Union to the European Convention on Human Rights, Dok. 46+1(2023)R18 v. 17.03.2023, Rn. 13.
- 12Für die Zurückweisung der Rechtsmittel von Investoren gegen Urteile des Gerichts, die eine Haftung der Union fur die griechischen Schuldenkurzungen verneinen, s. EuGH, E.v. 28.09.2023 – Rs. C-262/22 P (QI u. a./ Kommission); EuGH, E.v. 06.07.2023 – Rs. C-7/22 P (RQ/Rat und Kommission).
- 13EuGH (GK), E.v. 13.07.2023 – verb. Rs. C-615/20 und C-671/20 (YP u.a); dazu Rigaux, Europe 10/2023, 16 f.
- 14Rs. C-204/21 (Kommission/Polen).
- 15EuGH, E.v. 27.10.2021 – Rs. C-204/21 R (Kommission/Polen); dazu m. w. N. Germelmann/Gundel, BayVBl. 2022, 505/506 f.
- 16EuGH, E.v. 21.04.2023 – Rs. C-204/21 P-RAP (Polen/Kommission); dazu Rigaux, Europe 6/2023, 21 f.; FAZ Nr. 94 v. 22.04.2023, S. 6: „EuGH halbiert Zwangsgeld – Weitere Justizreformen in Polen notwendig“.
- 17EuGH (GK), E.v. 05.06.2023 – Rs. C-204/21 (Kommission/Polen) – NJW 2023, 2837; dazu Britz, NJW 2023, 2819 ff.; de Sadeleer, JCP 2023, 1373 ff.; Rigaux, Europe 8/2023, 19 ff.; aus der Tagespresse FAZ Nr. 129 v. 06.06.2023, S. 5: „Auch Polens Justizreform von 2019 war europarechtswidrig“.
- 18Dazu z. B. Veser, Die letzte Bastion der PiS, FAZ Nr. 279 v. 30.11.2023, S. 5.
- 19VerfGH Polen, E.v. 11.12.2023 – K 8/21; dazu aus der Tagespresse FAZ Nr. 239 v. 12.12.2023, S. 5: „Machtwechsel in Polen hat begonnen – Verfassungsgericht: Artikel des EU-Vertrags nicht verfassungskonform“. Die neue polnische Regierung hat demgegenüber bei der Veröffentlichung eines weiteren Urteils des VerfGH im Amtsblatt mit dem Hinweis reagiert, dass der VerfGH mit nicht nach den gesetzlichen Regeln berufenen Richtern besetzt sei und damit nicht den Anforderungen der EMRK entspreche, s. dazu FAZ Nr. 296 v. 20.12.2023, Nr. 296, S. 6: „Nicht rechtmäßig berufen – Vermerk in Urteil von Polens Verfassungsgericht“. Der Oberste Gerichtshof Polens hat aus dieser rechtswidrigen Besetzung des Verfassungsgerichts seinerseits den Schluss gezogen, dass er in dieser Situation selbst zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit polnischer Gesetze berechtigt ist, s. OGH, E.v. 16.03.2023 – II USKP 120/22; dazu Brożyna, GPR 2023, 194 ff.
- 20EuGH, E.v. 04.05.2023 – Rs. C-40/21 (T.A.C.); dazu Simon, Europe 7/ 2023, 14 f.
- 21Kommissionsentscheidung 2006/928/EG v. 13.12.2006 zur Einrichtung des Verfahrens für die Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben in den Bereichen Justizreform und Korruptionsbekämpfung, ABl. EU 2006 L 354/56.
- 22Die Kommission hat diese Entscheidung jüngst mit dem Beschluss (EU) 2023/1786 v. 15.09.2023 zur Aufhebung der Entscheidung 2006/928 (…), ABl. EU 2023 L 299/94, aufgehoben und hierfür auf die Erreichung ihrer Ziele sowie auf die zwischenzeitliche Einführung des Rechtsstaatlichkeitsmonitorings für alle Mitgliedstaaten durch die Kommissionsmitteilung „Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in der Union“, COM(2019) 343 final v. 17.07.2019, verwiesen.