05.04.2018

Die Demografiewerkstatt Kommunen (DWK)

Kommunale Ansätze und erste Ergebnisse

Die Demografiewerkstatt Kommunen (DWK)

Kommunale Ansätze und erste Ergebnisse

Die DWK stellt sich den Herausforderungen der Demografie | Foto: Veit Mette / © kompetenzz.
Die DWK stellt sich den Herausforderungen der Demografie | Foto: Veit Mette / © kompetenzz.

In dem ersten Beitrag dieser Serie zur Demografiewerkstatt Kommunen (DWK) wurden das Projekt und seine Rahmendaten vorgestellt (Ausgabe 2018.1). In diesem zweiten Artikel soll dargestellt werden, welchen Ansatz Kommunen wählen und welche Erfahrungen sie machen, wenn sie das Thema Demografischer Wandel systematisch angehen.

Ohne Vernetzung und ohne gemeinsame Gremien geht es nicht

Ausgangspunkt für die praktische Umsetzung einer Demografiestrategie ist für die teilnehmenden Kommunen der sogenannte Werkstattplan, der auf Basis einer Bestandsaufnahme und verschiedenen Zukunftswerkstätten erarbeitet wurde. Es zeigte sich, dass bereits der Prozess der Bestandsaufnahme und der Organisation von Zukunftswerkstätten Veränderungen angestoßen hat und Entwicklungsbedarfe aufgezeigt hat. So haben einige der teilnehmenden Städte und Kommunen die Notwendigkeit eines gemeinsamen Arbeitsgremiums für das Thema Demografie erkannt. Im Regionalverband Saarbrücken hat sich daher eine fachbereichsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet und auch in Riesa arbeiten Verwaltungsmitarbeiter/innen aus unterschiedlichen Bereichen und Funktionen daran, eine Demografiestrategie zu entwickeln und umzusetzen. Natürlich gibt es hier unter den Städten und Kommunen auch große Unterschiede: Manche haben schon vor einigen Jahren begonnen, sich dem Thema Demografie zu stellen und können auf ein Fundament von Maßnahmen oder auch auf Arbeitsgruppen aufsetzen. Es zeigt sich aber in jedem Fall, dass das Thema Demografie so facettenreich ist, dass es nicht von zum Beispiel einer Fachabteilung für Senior/innen allein abgedeckt werden kann. Der Einbezug junger Menschen, Engagement und Partizipation der Bürgerinnen und Bürger, Maßnahmen des Bauamts, aber auch Themen im Bereich Sport oder Kultur können bei der Demografiestrategie von Interesse sein – in Umfang und Intensität abhängig von den Schwerpunkten, die sich die Kommunen beim Start in die Demografiestrategie setzen. Gleichzeitig sind solche Querschnittsthemen auch aus genau diesem Grund sehr herausfordernd: Es gilt, innerhalb der jeweiligen Kommunalverwaltung abteilungs- und ämterübergreifend zusammenzuarbeiten, aber insbesondere in den Landkreisen müssen auch die einzelnen Städte und Gemeinden gemeinsam neue Wege gehen. Für die Abteilungen und Ämter ist es eine wichtige Aufgabe, die Bearbeitung der jeweiligen Demografiethemen aufeinander abzustimmen.

Beispiele für Demografiestrategien

Wenn Demografiearbeit im Landkreis Dithmarschen zum Beispiel bedeutet, Menschen mit Fluchthintergrund weiterzubilden, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, dann müssen auch Kita-Plätze, Wohnraum, Mobilität und Integration in das Gemeinwesen thematisiert und von den jeweiligen Stellen mitbedacht werden. In vielen Fällen funktioniert das schon gut, aber nicht bei allen Themen und nicht systematisch. Aber auch die Kooperation von Städten und Gemeinden in den Landkreisen ist wichtig. Besonders im ländlichen Raum, in dem in manchen Teilen Deutschlands die Bevölkerungszahl dramatisch zurückgeht, ist es wichtig, dass man Angebote miteinander verzahnt oder neue Ansätze findet.


Die kleine Stadt Adorf im sächsischen Vogtland ist vom demografischen Wandel stark betroffen, da die Einwohner/innenzahl in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist, und auch die wirtschaftliche Entwicklung nicht auf Zuzug hoffen lässt. Durch die DWK hat die Stadt den Anstoß bekommen, diese Situation nicht passiv hinzunehmen, sondern sich der Herausforderung mit neuer Kraft zu stellen. Man macht sich im Rahmen der DWK zum einen Gedanken, wie man junge Menschen an die Stadt binden kann und organisiert einen Jugendbeteiligungsprozess, der zur Gründung eines dynamischen Vereins geführt hat. Dieser Verein (kleinstadtPerspektiven e.V) hat es sich zum Ziel gesetzt, die Lebensbedingungen in der Stadt zu verbessern, wobei der Schwerpunkt auf kulturellen und sozialen Aktivitäten liegt, die vor allem auch junge Menschen einbinden und die Stadt »lebendig« machen. Wenn man Demografie in erster Linie mit älteren Menschen assoziiert, erscheint das Phänomen, das sich auch anderen DWK-Standorten zeigt, zunächst paradox: Es finden Jugendbeteiligungsprozesse statt, weil junge Menschen die Lebensbedingungen ihrer Stadt mitgestalten sollen und müssen, um diese als für sie lebenswert wahrzunehmen. Das zweite Thema in Adorf ist die medizinische Versorgung, die im Rahmen der DWK angegangen werden soll. Die niedergelassenen Hausärzte werden in einigen Jahren in Rente gehen und eine Nachfolge ist nicht in Sicht. Man öffnet sich daher dem Thema Telemedizin und versucht, Projekte mit Kliniken und Universitäten anzubahnen.

Die Frage nach der Zukunft berührt die Frage nach der Identität

Doch betrifft die Frage nach der Zukunft auch die Identität der Stadt: Wenn ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht zu erwarten ist, kann man dennoch ein attraktiver Wohn- und Rückzugsort für Menschen sein, die in der Region arbeiten oder von einem Standort unabhängig sind. Dann sind die Lebensbedingungen, die auch durch kulturelle Angebote, attraktiven Wohnraum und gesellschaftlichen Zusammenhalt geprägt werden, wichtige Faktoren, die in Adorf auch aktiv angegangen werden. So möchte sich Adorf als »Wohnstadt« mit hoher Lebensqualität positionieren.

Identitätsfindung ist ein weiteres Thema, das neben den Netzwerken und den Gremien von Bedeutung ist, wenn Themen des demografischen Wandels angegangen werden sollen. In den Landkreisen, in denen die Bevölkerung ausdünnt, kommt die Fußballmannschaft nur noch zustande, wenn die Vereine kooperieren und auch Feuerwehren müssen gegebenenfalls zusammengelegt werden. Das sind spürbare Einschnitte, die auch die Identität berühren. Wie kann man mit denen in der gleichen Mannschaft spielen, die traditionell die Gegner waren und ein Zusammenlegen der Feuerwehren stellt auch die Frage nach Dorffesten, die nun nicht mehr nur von der eigenen Feuerwehr unterstützt werden. Im Falle von Riesa ist diese Frage noch größer: Die zu DDR-Zeiten blühende Stahl-Stadt, die seit den 1980er Jahren von 52 000 auf ca. 31 000 Einwohnerinnen und Einwohner geschrumpft ist, muss Rückbaumaßnahmen durchführen, die schmerzhaft sind: Wenn die Grundschule im Viertel geschlossen wird, bedeutet das auch einen Verlust von Identität. Dennoch ist die Maßnahme aber unumgänglich, um Ressourcen bedarfsgerecht zu verlagern.

In der DWK-Stadt Grabow wird das Thema der Identität systematisch bearbeitet: Die alten Fachwerkhäuser wurden restauriert, das Stadtzentrum mit Ladengeschäften und Verwaltungseinheiten belebt, alte Bräuche und neue Feste gefeiert und nicht zuletzt Maßnahmen zum Einbezug der Bürgerinnen und Bürger angestoßen. Die Erfolge bleiben nicht aus: Die Bevölkerung wächst und ist mit ihrer Stadt hochzufrieden.

Wie hilft die DWK bei diesen Herausforderungen?

Ein wichtiger Baustein der DWK sind externe Beratung und Moderation, die die Entwicklung interner Steuerungsprozesse und eines strategischen Vorgehens unterstützen. Durch die Begleitung und die Anstöße der Beraterinnen und Berater stellt sich bereits nach kurzer Zeit Erfolg ein. Dabei ist es wichtig, dass die Beraterinnen und Berater die entsprechende Qualifikation und Erfahrung aufweisen und gleichzeitig mit den Verhältnissen vor Ort vertraut sind, d.h. in der Region leben bzw. arbeiten. Die Beraterinnen und Berater können (und sollen) das Projekt jedoch nicht allein durchführen: Um erfolgreich zu sein ist die aktive und gelegentlich (zeit)intensive Mitarbeit der kommunalen Verwaltungen erforderlich. Dafür werden dem Thema eigens zugeordnete Personalressourcen benötigt – in der DWK sind das oft Demografiebeauftragte, die hier steuern und koordinieren.

Um sich Inspiration zu holen, sind aber nicht nur die Beraterinnen und Berater wichtige Ansprechpartner, sondern auch die Vertreterinnen und Vertreter der anderen Kommunen. In diesem Zusammenhang werden im Rahmen der DWK Austauschtreffen organisiert, um sich kennenzulernen und von den Lösungsansätzen der Städte und Kommunen zu profitieren. Darüber hinaus werden auch Webinare angeboten, während derer die Vertreterinnen und Vertreter der DWK-Kommunen, aber auch Externe sich vom Schreibtisch aus über demografierelevante Themen wie Jugendbeteiligung, Bürgerschaftliches Engagement, Digitalisierung etc. informieren können.

Im nächsten Beitrag werden die einzelnen Instrumente, die in der Entwicklung oder Umsetzung der Demografiestrategie der Kommunen eingesetzt wurden, vorgestellt.

http://www.demografiewerkstatt-kommunen.de/

 

Prof. Dr. Martina Wegner

Hochschule für angewandte Wissenschaften München, strategische Projektbetreuung der „Demografiewerkstatt Kommunen“
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