10.07.2024

Der Weg zur neuen Reparaturklausel

§ 215a BauGB für § 13b BauGB a. F.

Der Weg zur neuen Reparaturklausel

§ 215a BauGB für § 13b BauGB a. F.

Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
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Mit dem Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze1LT-Drs. 17/18836 S. 39. (in Kraft getreten am 01.01.2024) ging auch eine „Reparatur“ der Regelungen von § 13b BauGB (a. F.) einher. Die Vorschrift wurde am 18. Juli 2023 vom Bundesverwaltungsgericht für unionsrechtswidrig erklärt2Vgl. die Kurzbiographien der früheren VGH-Präsidenten seit 1968 in: Staatliche Archive Bayerns, Ausgewählte Dokumente zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, 2004, S. 27 ff. (auch online abrufbar).. Der Gesetzgeber hat kurzfristig reagiert und mit § 215a BauGB n. F. eine von betroffenen Gemeinden dringend erwartete Heilungsvorschrift geschaffen. § 13b BauGB wurde aufgehoben. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung und informiert über die neue Vorschrift. Zudem zeigt er Lösungsansätze für erste praxisrelevante Fragen auf.

Einführung

In den letzten Jahren hatte § 13b BauGB (a. F.) für Gemeinden in Flächenländern große Bedeutung3Vgl. Stelkens/Schenk in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 3/ 2023, § 38 VwGO Rn. 6; Schmid in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/ FGO, Stand 1/2024, § 10 FGO Rn. 6 m. w. N. Verfassungsrechtlich zulässig wäre es auch, die Verwaltungsleitung der Gerichte einem beamteten „Kanzler“ zu übertragen, vgl. Meyer in v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl.2021, Art. 98 Rn. 139., war aber nicht unumstritten. Er ermöglichte Verfahrenserleichterungen bei der Ausweisung von Bauland (< 1 ha) auf Außenbereichsflächen für die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Mit der BauGBNovelle 2017 wurde die Norm eingeführt und damit das beschleunigte Verfahren ausgeweitet. § 13b BauGB wurde durch das Baulandmobilisierungsgesetz auf Vorschlag der Baulandkommission um drei Jahre verlängert4Kronisch in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 5 Rn. 7.. Die Norm ermöglichte die Einleitung von Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen bis zum 31. Dezember 2022. Die Satzungsbeschlüsse mussten bis zum 31. Dezember 2024 gefasst werden i. V. m. § 13a Abs. 2 BauGB i. V. m. § 13 Abs. 2 und 3 BauGB). § 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB führte beispielsweise dazu, dass zwar ein Eingriff in Außenbereichsflächen vorliegt, der aber nicht ausgeglichen werden muss. Die Umweltprüfung musste nach § 13 Abs. 3 BauGB ebenfalls nicht durchgeführt werden. Seit Einführung der Vorschrift waren diese Möglichkeiten mit Blick auf Art. 3 der SUP-Richtlinie5BGH, B.v. 19.06.1962 – GSZ 1/61 – NJW 1963, 1570; B.v. 20.11.1967 – GSZ 1/67 – NJW 1968, 501; B.v. 03.08.2016 – X ARZ 292/16 – juris Rn. 7; vgl. auch BVerfG, B.v. 23.05.2012 – 2 BvR 610/12 u. a. – DVBl. 2012, 963 Rn. 21 ff. Diskussionen ausgesetzt6BFH, B.v. 14.03.2019 – V B 34/17 – NJW 2019, 1326 Rn. 21.. Denn grundsätzlich schreibt Art. 3 Abs. 1 der SUP-Richtlinie eine verpflichtende Umweltprüfung für „Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben“, vor. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie macht zwar eine Ausnahme für unter Art. 3 Absatz 2 der Richtlinie fallende Pläne und Programme, die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen, sowie geringfügige Änderungen von unter Absatz 2 fallende Pläne und Programme. Diese bedürfen nur dann einer Umweltprüfung, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Nach Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie bestimmen die Mitgliedstaaten aber entweder „durch Einzelfallprüfung oder durch Festlegung von Arten von Plänen und Programmen oder durch eine Kombination dieser beiden Ansätze, ob die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne oder Programme voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben“. Im Kern kam es damit auf folgende Frage an: Kann bei kleinen Bebauungsplänen nach § 13b BauGB abstrakt-generell angenommen werden, dass sie gemessen an den Kriterien des Anhangs II der SUP-Richtlinie keine erheblichen Umwelteinwirkungen haben werden? Das hatte der Gesetzgeber für das Verfahren nach § 13a BauGB insbesondere damit begründet, dass die Innenbereichsentwicklung weniger umweltrelevant ist als die Inanspruchnahme von Außenbereichsflächen. Da es bei § 13b jedoch gerade um die Erweiterung in den Außenbereich ging, war diese Begründung aber nicht übertragbar7Conrad-Graf in BeckOK GVG, Stand 15.05.2023, § 115 Rn. 7.. Die Gesetzesbegründung zu § 13b BauGB war daher sehr schwach8Zum Begriff BFH, B.v. 24.03.2019 – V B 34/17 – NJW 2019, 1326 Rn. 21 ff.; B.v. 08.09.2020 – I B 53/19 – juris Rn. 26 ff.. Dennoch entschieden mehrere Obergerichte, dass § 13b BauGB unionsrechtskonform sei9Vgl. den alljährlich in den Bayerischen Verwaltungsblättern abgedruckten Geschäftsverteilungsplan, zuletzt www.juris.de/r3/document/jzs-BayVBl-2024-3-001-II/part/A.. Mit Urteil vom 18. Juli 2023 urteilte das BVerwG jedoch, dass § 13b BauGB mit Art. 3 Abs. 1 und der SUP-RL 2001/42/EG unvereinbar ist10Vgl. Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 68 Rn. 10.. Geklagt hatte eine anerkannte Umweltschutzvereinigung im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan für ein neues Wohngebiet am Ortsrand einer Gemeinde. Der Bebauungsplan wurde ohne Umweltprüfung und Umweltbericht im Verfahren nach § 13b BauGB aufgestellt. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Vorschrift zu pauschal davon ausgehe, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall ausgeschlossen wären. Dafür würde eine Grundflächenbegrenzung, die Beschränkung auf Wohnnutzung sowie der Anschluss der überplanten, im Außenbereich gelegenen Fläche an im Zusammenhang bebaute Ortsteile nicht ausreichen. Auch solche Pläne könnten erhebliche Umweltauswirkungen haben11Krit. dazu der vormalige VGH-Präsident Kratzer, BayVBl. 1964, 79/81; Kratzer, BayVBl. 1970, 168.. Das Ziel der SUP-Richtlinie (ein hohes Umweltschutzniveau) schränke das Ermessen ein, wenn Artfestlegungen getroffen werden. Erhebliche Umweltauswirkungen müssten von vornherein ausgeschlossen werden. Dies könne nicht mit einer typisierenden beziehungsweise pauschalisierenden Betrachtungsweise erreicht werden12Vgl. zuletzt Plen.Prot. 16/131 v. 16.07.2013, S. 12465 u. 12480 (Kersten); Plen.Prot. 18/43 v. 25.03.2020, S. 5368 ff. (Breit).. § 13b BauGB sei daher mit Unionsrecht nicht vereinbar. Auch der Verweis von § 13b Satz 1 BauGB auf § 13a BauGB gehe ins Leere. Das gelte insgesamt und betreffe nicht nur § 13a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Das beschleunigte Verfahren zeichne sich gerade durch den (nach § 13a Abs. 3 BauGB bekannt zu machenden) Verzicht auf eine Umweltprüfung aus. Die übrigen in § 13a Abs. 2 BauGB vorgesehenen verfahrensund materiellrechtlichen Modifikationen knüpften daran als begleitende Regelungen an und seien Teil eines Vereinfachungs- und Beschleunigungskonzepts für Bebauungspläne der Innenentwicklung13Beispiele in: Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, Festschrift z. 50-jährigen Bestehen des BayVerfGH, 1997, S. 7 f.. Damit trat unvermittelt eine Situation ein, die bei Gemeinden, Planern und Aufsichtsbehörden zu einer gewissen Ratlosigkeit führte: Was war zu tun mit frisch erlassenen Bebauungsplänen auf Basis des nun europarechtswidrigen § 13b BauGB? Galt die Europarechtswidrigkeit auch für Bebauungspläne, die über ein Jahr alt waren? Wie ist mit laufenden Verfahren umzugehen? Was ist mit Baugenehmigungen, die für solche Gebiete erteilt wurden oder noch erteilt werden sollten? Ist Schadensersatz zu leisten? Bauherren und Bürgermeister sahen ihr Vertrauen auf die Gültigkeit und Verlässlichkeit von Rechtsnormen infrage gestellt. Der Beratungsbedarf der Gemeinden war enorm. Der Ruf nach dem Gesetzgeber wurde laut.

Umgang mit den Folgen des Urteils bis zur Reform

Auf die Unsicherheiten der Praxis reagierten einige Landesministerien und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) zunächst mit Handlungsempfehlungen, die den Gemeinden und Bauaufsichtsbehörden helfen sollten, bis eine Lösung für das Problem gefunden war14Dazu BVerwG, U.v. 25.04.1991 – 7 C 11.90 – BVerwGE 88, 159/161; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 21e Rn. 36 ff. m. w. N.. Klar war rasch, dass wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts von schwebender Unwirksamkeit der betroffenen Bebauungspläne auszugehen war. Von ihnen durfte kein Gebrauch gemacht werden15Zu dabei möglichen präsidiumsinternen Rechtsstreitigkeiten BVerwG, B.v. 29.10.1980 – 7 C 5.79.. Das betraf aber nur Bebauungspläne, die mit unter einem Jahr so jung waren, dass sie noch nicht in den Genuss der Planerhaltungsnorm von § 215 Abs. 1 BauGB kamen16Lückemann in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 21e GVG Rn. 32.. Weitere Baugenehmigungen konnten auf dieser Basis nicht erteilt werden. Es war europarechtlich betrachtet weiter von einer Außenbereichslage auszugehen, in der Wohnen als sonstiges Vorhaben in der Regel nicht zulässig ist. Überwiegende Auffassung war auch, dass bereits erteilte Baugenehmigungen aus Vertrauensschutzgründen nicht zurückgenommen beziehungsweise widerrufen werden mussten. Eine Ermessensreduzierung auf null lässt sich der SUP-Richtlinie nämlich nicht entnehmen, ein vorrangiger Vertrauensschutz war im Hinblick auf das unvermittelte Urteil und die Möglichkeit einer „Rettung“ durch ergänzende Bauleitplanung naheliegend17BGH, U.v. 01.03.2022 – RiZ 2/16 – juris Rn. 76, 78; Lückemann in Zöller, a. a. O., § 21e Rn. 26a; Mayer in Kissel/Mayer, a. a. O., § 21e Rn. 74.. Laufende Bauleitplanverfahren konnten nicht weitergeführt werden. Sie mussten dafür in das Regelverfahren umgestellt werden. Alternativ musste das ergänzende Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB gewählt werden. Es waren somit alle Verfahrensschritte nachzuholen, die § 13b BauGB erlassen hatte. Das erforderte vor allem die Durchführung einer Umweltprüfung samt Erstellung eines Umweltberichts sowie die Prüfung eines Eingriffsausgleichs gemäß § 1a Abs. 3 BauGB, soweit darauf verzichtet wurde. Der Flächennutzungsplan kann im Parallelverfahren geändert werden. Allerdings kostet dieses Vorgehen Zeit. Die bayerische Staatsregierung brachte deshalb am 21. September 2023 einen Gesetzesantrag im Bundesrat ein18Mayer in Kissel/Mayer, a. a. O., § 21e Rn. 74.. Beabsichtigt war eine „Heilung“ von § 13b BauGB. Inhaltlich sollte die Anwendung von § 13a Absatz 2 Nummer 1 i. V. m. § 13 Absatz 3 und § 13a Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 BauGB ausgeschlossen werden. Die Durchführung der Umweltprüfung und die Erstellung des Umweltberichts sollten wie im Regelverfahren erforderlich bleiben. Im Übrigen sah der Entwurf vor, dass § 13b BauGB bestehen bleibt und bis 2026 (Satzungsbeschluss bis 31.12.2028) verlängert werden konnte. Damit sollten die Gemeinden Planungssicherheit auch für die Zukunft erhalten. Dieser Antrag fand im Bundesrat im Oktober 2023 allerdings keine Mehrheit19Clausing in Schoch/Schneider, a. a. O., § 4 VwGO Rn. 16, 71..


Den vollständigen Beitrag lesen Sie in BayVBl. 06/2024, S. 367.

 

Simon Schamberger

Regierungsdirektor, Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, München
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  • 1
    LT-Drs. 17/18836 S. 39.
  • 2
    Vgl. die Kurzbiographien der früheren VGH-Präsidenten seit 1968 in: Staatliche Archive Bayerns, Ausgewählte Dokumente zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, 2004, S. 27 ff. (auch online abrufbar).
  • 3
    Vgl. Stelkens/Schenk in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 3/ 2023, § 38 VwGO Rn. 6; Schmid in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/ FGO, Stand 1/2024, § 10 FGO Rn. 6 m. w. N. Verfassungsrechtlich zulässig wäre es auch, die Verwaltungsleitung der Gerichte einem beamteten „Kanzler“ zu übertragen, vgl. Meyer in v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl.2021, Art. 98 Rn. 139.
  • 4
    Kronisch in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 5 Rn. 7.
  • 5
    BGH, B.v. 19.06.1962 – GSZ 1/61 – NJW 1963, 1570; B.v. 20.11.1967 – GSZ 1/67 – NJW 1968, 501; B.v. 03.08.2016 – X ARZ 292/16 – juris Rn. 7; vgl. auch BVerfG, B.v. 23.05.2012 – 2 BvR 610/12 u. a. – DVBl. 2012, 963 Rn. 21 ff.
  • 6
    BFH, B.v. 14.03.2019 – V B 34/17 – NJW 2019, 1326 Rn. 21.
  • 7
    Conrad-Graf in BeckOK GVG, Stand 15.05.2023, § 115 Rn. 7.
  • 8
    Zum Begriff BFH, B.v. 24.03.2019 – V B 34/17 – NJW 2019, 1326 Rn. 21 ff.; B.v. 08.09.2020 – I B 53/19 – juris Rn. 26 ff.
  • 9
    Vgl. den alljährlich in den Bayerischen Verwaltungsblättern abgedruckten Geschäftsverteilungsplan, zuletzt www.juris.de/r3/document/jzs-BayVBl-2024-3-001-II/part/A.
  • 10
    Vgl. Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 68 Rn. 10.
  • 11
    Krit. dazu der vormalige VGH-Präsident Kratzer, BayVBl. 1964, 79/81; Kratzer, BayVBl. 1970, 168.
  • 12
    Vgl. zuletzt Plen.Prot. 16/131 v. 16.07.2013, S. 12465 u. 12480 (Kersten); Plen.Prot. 18/43 v. 25.03.2020, S. 5368 ff. (Breit).
  • 13
    Beispiele in: Verfassung als Verantwortung und Verpflichtung, Festschrift z. 50-jährigen Bestehen des BayVerfGH, 1997, S. 7 f.
  • 14
    Dazu BVerwG, U.v. 25.04.1991 – 7 C 11.90 – BVerwGE 88, 159/161; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 21e Rn. 36 ff. m. w. N.
  • 15
    Zu dabei möglichen präsidiumsinternen Rechtsstreitigkeiten BVerwG, B.v. 29.10.1980 – 7 C 5.79.
  • 16
    Lückemann in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 21e GVG Rn. 32.
  • 17
    BGH, U.v. 01.03.2022 – RiZ 2/16 – juris Rn. 76, 78; Lückemann in Zöller, a. a. O., § 21e Rn. 26a; Mayer in Kissel/Mayer, a. a. O., § 21e Rn. 74.
  • 18
    Mayer in Kissel/Mayer, a. a. O., § 21e Rn. 74.
  • 19
    Clausing in Schoch/Schneider, a. a. O., § 4 VwGO Rn. 16, 71.
n/a