Kommt es auf den Einsatz an?
Kostenersatz der Feuerwehr bei rein verkehrsregelnden Maßnahmen
Kommt es auf den Einsatz an?
Kostenersatz der Feuerwehr bei rein verkehrsregelnden Maßnahmen
Mit Urteil vom 30.04.2024 hat das VG München (Az.: M 13 K 22.6185) entschieden, dass eine Gemeinde für lediglich verkehrsregelnde Maßnahmen ihrer Feuerwehr keinen Kostenersatz gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayFwG geltend machen kann. Zentrales Argument des den Rechtsstreit allein entscheidenden Einzelrichters: Rein verkehrsregelnde Maßnahmen können mangels entsprechender Grundlage im geltenden Recht nicht „selbst zum Einsatz hochstilisiert“ werden.
Der Fall
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: An einer Baustelle wurden in Richtung einer höher gelegenen Straße Baustützen entfernt, woraufhin die Böschung der Straße leicht abrutschte und sich Risse bildeten. Die von der Polizei alarmierte örtliche Freiwillige Feuerwehr sperrte die Straße in Abstimmung mit der Polizei zunächst vollständig und richtete anschließend eine einspurige Verkehrsregelung im Wechselverkehr auf der dem Hang abgewendeten Straßenseite ein. Weitere Maßnahmen fanden nicht statt. Der Bauhof organisierte im Anschluss endgültige Absperrungen. Die Gemeinde machte für den Einsatz der Feuerwehr Kosten i.H.v. 667,14 € wegen technischer Hilfeleistung gem. Art. 28 Abs. 1, 2 Nr. 2 BayFwG geltend.
Die Entscheidung
Das VG München hob den Kostenbescheid auf, indem es das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des Einsatzes aus Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayFwG verneinte (Rn. 26 ff.). Zunächst stellt das Gericht fest, dass es an einer gesetzlichen Definition des Einsatzbegriffs fehle. Anschließend referiert es die Rechtsprechung des BayVGH zur Unterscheidung der Tätigkeitsphasen der Feuerwehr in „Ausrücken“ einerseits und „Einsatz“ andererseits (Rn. 28). Das VG kommt zu dem Schluss, dass „es sich bei einer ‚Schadensstelle‘ im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayFwG […] nur um eine solche handel[t], an der ein Einsatz der Feuerwehr stattfindet“ (Rn. 29). Es macht damit das Vorliegen eines Einsatzes zur Voraussetzung für die Annahme einer Schadensstelle gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayFwG. Letztlich verneint das Urteil nicht nur das Vorliegen eines Einsatzes, sondern stellt zudem in Abrede, dass es „nach dem Wortsinn“ überhaupt zu einer „‘technischen Hilfeleistung‘, die das Personal der Freiwilligen Feuerwehr mit seiner Ausbildung, seinem Wissen und seiner Erfahrung oder deren technische Ausstattung […]“ kam (Rn. 30).
Bewertung
Die Entscheidung des VG Münchens überzeugt weder in ihrer Begründung noch in der Sache. Indem das Gericht in seinen Ausführungen zwischen „Einsatz“, „Schadensstelle“ und „technischer Hilfsdienst“ hin und her springt, vermischt es unterschiedliche Tatbestandsmerkmale und verliert den Fokus, legt den technischen Hilfsdienst zu eng aus und überdehnt die Anforderungen an den Einsatz. Aber der Reihe nach:
Anspruchsgrundlage für den pauschalierten Kostenersatz und damit Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist Art. 28 Abs. 1 S. 1 BayFwG. Danach können die Gemeinden „nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen, die ihnen durch Ausrücken, Einsätze und Sicherheitswachen gemeindlicher Feuerwehren (Art. 4 Abs. 1 und 2) […] entstanden sind“. Eine nähere Konkretisierung erfolgt in Art. 28 Abs. 2 BayFwG, der insofern abschließend aufzählt, wann Kostenersatz im Einzelnen verlangt werden kann. Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayFwG sieht die Möglichkeit vor, Kostenersatz für „sonstige Einsätze im technischen Hilfsdienst, mit Ausnahme der Einsätze oder Tätigkeiten, die unmittelbar der Rettung oder Bergung von Menschen und Tieren dienen“ zu verlangen. Im Vergleich zur Brandabwehr sind technische Hilfeleistungen damit in der Regel Kostenersatzfähig, es sei denn sie dienen unmittelbar der Rettung oder Bergung von Menschen oder Tieren.
Fraglich ist nun, was die genauen Tatbestandsmerkmale sind. Das VG scheint davon auszugehen, dass (mindestens) zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Es muss ein Einsatz vorliegen und ferner muss es sich um einen technischen Hilfsdienst handeln, beides verneint es im Ergebnis. Doch so schlicht ist die Sache nicht.
Die vermeintlich einfachere Frage ist, was unter einem technischen Hilfsdienst zu verstehen ist, gibt das Gesetz dafür in Art. 1 Abs. 1 BayFwG eine Legaldefinition, auf die das VG allerdings gar nicht eingeht Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayFwG haben die Gemeinden als Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis neben dem abwehrenden Brandschutz dafür zu sorgen, dass „ausreichende technische Hilfe bei sonstigen Unglücksfällen oder Notständen im öffentlichen Interesse geleistet wird (technischer Hilfsdienst)“. Mit Blick auf die damit erfassten Tätigkeiten ist die Konkretisierung nur marginal. Das Gesetz spricht nur von ausreichend technischer Hilfe. Eine weitere Spezifizierung findet nicht statt. Diese Offenheit ist ein Argument für ein weites Verständnis der potenziellen Tätigkeiten. Der Fokus von Rechtsprechung und Literatur zur näheren Bestimmung, ob ein Fall des technischen Hilfsdiensts gegeben ist, liegt bislang auf dem Tatbestandsmerkmal des Unglückfalls (dazu näher unten). Das VG München nähert sich der Frage stattdessen über die erfolgte Hilfeleistung und legt die technische Hilfe insofern eng aus, indem nur solche Tätigkeiten erfasst werden sollen, die das Personal der Freiwilligen Feuerwehr mit seiner Ausbildung, seinem Wissen und seiner Erfahrung oder deren technische Ausstattung nötig macht. Mit anderen Worten: Das VG München will nur Tätigkeiten als Hilfeleistungen ansehen, bei denen feuerwehrspezifische Einsatzmittel oder Kenntnisse erforderlich sind. Für eine solche Einschränkung ließe sich systematisch anführen, dass es bei den Feuerwehren tatsächlich um speziell ausgebildete und ausgerüstete Personen handelt. Die Ansicht verkennt aber, dass es nicht bei jeder Gefahrenabwehrtätigkeit der Feuerwehr auf die besondere Ausbildung und Technik ankommt und zudem Abgrenzungsschwierigkeiten eröffnet werden, denn was feuerwehrspezifisch ist und was nicht, ist alles andere als eindeutig. Nur wenig technische Ausrüstung und Material wird exklusiv bei Feuerwehren vorgehalten und auch bei der Ausbildung und dem Wissen werden sich Überschneidungen zu anderen „Berufen“ ergeben. Im Übrigen kann es für die technische Hilfeleistung gerade auch auf die in den Feuerwehren vorhandene „Manpower“ oder auf die mit den eingeräumten Sonderrechten einhergehende Geschwindigkeit der Hilfeleistung ankommen. In all diesen Fällen eine technische Hilfeleistung wegen der Tätigkeit als solches zu verneinen und in der Folge einen Kostenersatzanspruch auszuschließen, überzeugt nicht. Speziell auf den vorliegenden Fall gerichtet gilt es zu beachten, dass der Gesetzgeber das Absichern von Schadensstellen und daraus abgeleitet die Rechtsprechung verkehrsleitende Maßnahmen (vgl. BayVGH, Rn. 19 ff.) durchaus als Tätigkeit im Rahmen der technischen Hilfeleistung der Feuerwehr fasst. Dies lässt sich in einem Umkehrschluss aus Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayFwG entnehmen: Wären solche Tätigkeiten nicht im Begriff der technischen Hilfeleistung enthalten, müsste der Gesetzgeber in Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayFwG nicht klarstellen, dass das Absichern nur insoweit zur Aufgabe der Feuerwehr ist, als es zur Schadensbekämpfung oder Verhinderung weiterer unmittelbar drohender Gefahren notwendig ist. Damit ist das Argument des VG München, im Fall hätte schon keine technische Hilfeleistung im Wortsinn vorgelegen, hinfällig. Auch eine vom allgemeinen Begriff der technischen Hilfeleistung abweichende eigenständige Begriffsbestimmung im Rahmen des Kostenrechts überzeugt nicht.
Mit Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayFwG kommt aber ein anderes Problem in den Blick. Könnte dem Kostenersatzanspruch entgegenstehen, dass ein „Absichern der Schadensstelle“ und dazu erfolgende Tätigkeiten nur im eingeschränkten Fall des Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayFwG als Pflichtaufgabe der Feuerwehr anzusehen ist? Rechtsprechung und Literatur gehen ohne nähere Begründung bislang davon aus, dass ein Kostenersatz gem. Art. 28 Abs. 1, 2 BayFwG nur bei der Erfüllung von Pflichtaufgaben in Betracht kommt (vgl. etwa BayVGH, Rn. 18 oder implizit Schober, Kostenersatz nach Feuerwehreinsätzen in Bayern, 4. Aufl. Rn. 75, wenn er als Einsatz nur das Tätigwerden zur Erfüllung der gemeindlichen Pflichtaufgaben definiert). Dafür mag der Verweis auf Art. 4 Abs. 1, 2 in Art. 28 Abs. 1 BayFwG und das Aufgreifen der entsprechenden Begrifflichkeiten durchaus streiten, wobei gleichwohl die Kostentatbestände in Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 u. 6 BayFwG und auch die Eigenbeteiligungsregelung der Gemeinden an den Vorhaltekosten bei Pflichtaufgaben in Art. 28 Abs. 4 S. 2 BayFwG mit ihrer Gesetzgebungshistorie für eine offenere Lesart angeführt werden könnten. Auf diese grundsätzliche Frage kommt es aber gar nicht an, denn es ist nicht überzeugend aus Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayFwG herauszulesen, dass verkehrsregelnde Maßnahmen der Feuerwehr nur und ausschließlich im Zusammenhang mit der Absicherung einer Schadensstelle als technische Hilfe angesehen werden können. Über die Frage, was als technische Hilfe in Betracht kommt, hat der Gesetzgeber mit der Regelung in Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayFwG gerade keine Aussage getroffen. Vielmehr wollte der Gesetzgeber einem Bedürfnis der Praxis nachkommen und lediglich klarstellen, dass die Pflichtaufgaben der Feuerwehren im Bereich der „Folgenbeseitigungsmaßnahmen“ auf Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr beschränkt sind (S. 13). Hier waren die verkehrsregelnden Maßnahmen aber keine bloße Folgenbeseitigungsmaßnahme, sondern die technische Hilfe selbst. Auf die vom VG München aufgeworfene (und bejahte) Frage, ob es für die Einordnung als Schadensstelle i.S.v. Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayFwG eines Einsatzes der Feuerwehr bedürfe, die in gewisser Weise der Frage nach dem Huhn oder Ei gleicht, kommt es damit ebenfalls nicht an. Entscheidend ist vielmehr wiederum die bereits oben bejahte Frage, ob allein verkehrsleitende Maßnahmen der Feuerwehr als technische Hilfe eingeordnet werden können.
Das VG München diskutiert diese Frage indirekt ein zweites Mal unter dem Einsatzbegriff und kommt zu dem Ergebnis, dass das Hochstilisieren rein verkehrsregelnder Maßnahmen zu einem eigenen Einsatz im geltenden Recht keine Grundlage findet und damit zu verneinen ist. Es verkennt dabei aber die Bedeutung des Einsatzbegriffs. Seinen Ausgangspunkt nahm die Diskussion um den Einsatzbegriff im Feuerwehrkostenrecht noch unter Art. 28 BayFwG a.F. in der Abgrenzung zum bloßen Ausrücken, für das es – zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt – nur im Falle von Fehlalarmen oder einer missbräuchlichen Alarmierung einen Kostentatbestand gab. Die Unterscheidung von Anrücken und Einsätzen in Art. 28 Abs. 1 BayFwG und dem bloßen Aufgreifen der Einsätze in Absatz 2 verlange, so erstmals das VG Würzburg (Rn. 21) und später der BayVGH (Rn. 26 ff. u. Rn. 24 ff.), dass es einen Zeitpunkt geben muss, ab welchem das zunächst kostenfreie Ausrücken in einen Einsatz umschlagen müsse. Der relevante Zeitpunkt soll ab Beginn der gefahrenabwehrenden Tätigkeit vorliegen, wenn mit dem unmittelbar der Brandbekämpfung oder Hilfeleistung dienenden Personal- und Geräteeinsatz begonnen wird; bloße Sachaufklärungsmaßnahmen vor Ort würden dafür nicht ausreichen (BayVGH Rn. 29). Sinn und Zweck des Einsatzbegriffs ist es demnach, den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem die Kostenfolge (dann umfänglich auch für das Anrücken) eintritt und nicht Anforderungen an die Qualität der Tätigkeit aufzustellen. Auf die Art der Tätigkeit der Feuerwehr kommt es allenfalls mittelbar in Verbindung mit dem Einsatzzweck an, um den Beginn des Einsatzzeitpunkts zu bestimmen. Das gilt besonders, wenn man mit dem VGH auch noch bloße Sachaufklärungsmaßnahmen zum Ausrücken und nicht zum Einsatz zählen will. Für die Bewertung des konkreten Falles ist es allerdings nicht entscheidungserheblich, da die verkehrsleitenden Maßnahmen unmittelbar selbst die technische Hilfe darstellten. Zur Bestimmung, ob vorliegend ein technischer Hilfsdienst der Feuerwehr erfolgte, bietet der Einsatzbegriff damit keinen Mehrwert. Vielmehr hat die Feuerwehr mit der Straßensperrung unmittelbar Personal- und Geräteeinsatz zur Hilfeleistung eingesetzt.
Wollte man in der vorliegenden Konstellation einen Kostenersatz ablehnen, bestünde als einziger tragfähiger Ansatzpunkt das Tatbestandsmerkmal des Unglücksfalles im Rahmen der Definition des technischen Hilfsdienstes nach Art. 1 Abs. 1 Alt. 2 BayFwG. Gemäß Nr. 4.2 VollzBekBayFwG vom 28.09.2020, auf dessen wortlautidentischen Vorgänger auch der BayVGH (Rn. 20) rekurriert, ist als ein Unglücksfall jedes unvermittelt eintretende Ereignis anzusehen, das einen nicht nur unbedeutenden Schaden verursacht oder erhebliche Gefahren für Menschen oder Sachen auslöst. Gleichwohl wird man das Abrutschen eines Hanges sowie Rissbildung unmittelbar am Straßenrand und die damit verbundene Gefahr für den Verkehr als der maßgeblichen ex ante Sicht nur schwerlich nicht als solchen Unglücksfall einordnen können.
Fazit
Der vermeintlich klare Tatbestand des Feuerwehrkostenrechts enthält einige Untiefen, in die man zu versinken droht, wenn die Tatbestandsmerkmale und Gesetzesstruktur aus dem Fokus geraten. Entscheidend ist, dass man zwischen technischem Hilfsdienst und Einsatz klar differenziert und insbesondere letzteres nicht mit qualitativen Anforderungen aufzuladen. Die Frage, ob eine Tätigkeit der Feuerwehr eine Kostenfolge auslösen kann, entscheidet sich im Merkmal des technischen Hilfsdienstes, wobei keine überzogenen Anforderungen gestellt werden sollten.
Der Fall hat – wie das VG München durch die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO – grundsätzliche Bedeutung über die konkrete Entscheidung hinaus, insbesondere für Gemeinden, die an Autobahnen und Straßen mit hoher Unfallgefahr angrenzen. Dort kommt es bei Unfällen nicht selten zu allein verkehrsregelnden Maßnahmen der Feuerwehr. Sollte sich die Ansicht des VG München durchsetzen, kommt in diesem Fällen (dann auf Grundlage von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayFwG) generell kein Kostenersatz für die Gemeinden in Betracht. Diesem Missstand sollte sich dann zumindest der Bayerische Landtag annehmen und erneut als Reaktion auf die Rechtsprechung korrigierend das Feuerwehrkostenrecht anpassen.