Der Bodycam-Einsatz nach § 44 Abs. 5 bis 8, 10 und 11 PolG
Rechtsgrundlagen und praktische Herausforderungen
Der Bodycam-Einsatz nach § 44 Abs. 5 bis 8, 10 und 11 PolG
Rechtsgrundlagen und praktische Herausforderungen
Der baden-württembergische Polizeivollzugsdienst kann bei Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zum Schutz vor gewalttätigen Angriffen Bodycams einsetzen. Bei den Anordnungsvoraussetzungen für einen Bodycam-Einsatz bestehen jedoch Probleme. Dies gilt auch bei der weiteren Verarbeitung der dabei entstandenen Bild- und Tonaufzeichnungen zur Strafverfolgung.
I. Einleitung
Eine Bodycam ist eine kleine Videokamera, die polizeiliche Einsatzkräfte im Schulter- oder Brustbereich an der Dienstkleidung befestigt mitführen. Der Gesetzgeber des Landes Baden-Württemberg hatte mit dem Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes vom 18.10.20161GBl. 569. in § 21 Abs. 4, 5 und 8 PolG a. F. erstmalig eine Rechtsgrundlage für das offene Anfertigen von Bild- und Tonaufzeichnungen mittels körpernah getragener Aufnahmegeräte durch den Polizeivollzugsdienst zur Gefahrenabwehr geschaffen.2 Hierzu Ziebarth, Die POLIZEI 2017, 76 ff. Zur alten Rechtslage und zur Entwicklung siehe auch BeckOK PolR BW/Nusser, 31. Ed. 01.12.2023, BWPolG § 44 Rn. 51. Er hatte den Einsatz der Bodycam dabei auf öffentlich zugängliche Orte wie Straßen, Wege, Plätze, Ladenpassagen sowie Bereiche des Öffentlichen Nahverkehrs beschränkt. Das Gesetz sollte dazu beitragen, den Schutz von Polizeibeamten vor gewalttätigen Übergriffen zu verbessern. Geschützt werden sollten aber auch Dritte, die sich im Nahbereich einer polizeilichen Maßnahme aufhalten und der Gefahr körperlicher Angriffe durch potenzielle Störer ausgesetzt sein könnten.3LT-Drs. 16/334 3 f. Mit dem am 17.01.2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 für die Polizei in Baden-Württemberg und zur Änderung weiterer polizeirechtlicher Vorschriften44 GBl. S. 733. Hierzu Pöltl, VBlBW 2021, 45 ff.; Nachbaur, VBlBW 2021, 55 ff. hat der Gesetzgeber den Einsatz einer Bodycam auf Wohnungen einschließlich Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume erstreckt. Er wollte damit den Schutz polizeilicher Einsatzkräfte durch die deeskalierende Wirkung der Bodycam erweitern. Es habe sich gezeigt, dass die Beschränkung der Anwendungsbereiche auf öffentlich zugängliche Orte zu eng gefasst sei. Die Einsatzszenarien zwischen öffentlich zugänglichen Orten und Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen, wie Gaststätten, Einkaufszentren und Diskotheken, seien bei grundsätzlich vergleichbaren Einsatzlagen oftmals fließend. Auch in privaten Wohnungen könne die Bodycam in Fällen häuslicher Gewalt einen wichtigen Beitrag zum Schutz von polizeilichen Einsatzkräften leisten. Hier würden die zur Intervention getroffenen polizeilichen Maßnahmen, die nötigenfalls auch mit unmittelbarem Zwang durchge- setzt werden müssten, vermehrt zu Angriffen und Widerstandshandlungen gegen die polizeilichen Einsatzkräfte führen. Gerade in diesen Situationen könne der Einsatz einer Bodycam zusätzlich deeskalierend wirken.5LT-Drs. 16/8484 S. 119 f. Zur Notwendigkeit eines polizeilichen Body- cam-Einsatzes in Wohnungen Zaremba, LKV 2021, 193, 195 f.; Sitzberger, Die POLIZEI 2017, 211, 212 f. Seit der am 17.01.2021 in Kraft getretenen Reform des baden-württembergischen Polizeigesetzes regelt § 44 Abs. 5 bis 8, 10 und 11 PolG den präventiv-polizeilichen Einsatz der Bodycam. Dieser Beitrag stellt diese Regelung dar. Er geht dabei insbesondere der Frage nach, ob und wie die bei einem präventiven Bodycam-Einsatz erhobenen personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung verwendet werden können.6Speziell hierzu auch Pschorr, JuS 2021, 937 ff. Für die polizeiliche Praxis ist diese Frage besonders wichtig. Nur bei einer möglichst umfangreichen Verwendungsmöglichkeit der Daten zur Strafverfolgung ist der Gesetzeszweck vollständig zu erreichen. Ein gewaltbereiter Störer lässt sich nur dann durch eine Bodycam von der Begehung von Straftaten bei polizeilichen Maßnahmen abhalten, wenn er weiß, dass die von ihm angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen als Beweismittel in einem gegen ihn geführten Strafverfahren verwendet werden dürfen.77 Ebenso OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.03.2023, NJW 2023, 2888, 2889.
II. Funktionsweise der Bodycam
Eine Bodycam kann im sog. Pre-Recording und im sog. Daueraufnahmemodus Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen. Beim Pre-Recording werden die Bild- und Tonsequenzen auf einem flüchtigen Speichermedium mit begrenzter Speicherkapazität abgelegt. Der Datenträger wird grundsätzlich permanent überschrieben bzw. bei Abschaltung des Geräts gelöscht. Auf ihn ist kein isolierter Zugriff möglich. Nur im Fall der aktiven Betätigung der Aufnahmetaste für den Daueraufnahmemodus wird eine bestimmte vorgelagerte Zeitspanne von bis zu 60 Sekunden der verwertbaren Aufzeichnung hinzugefügt. Dies soll eine möglichst umfassende Dokumentation auch der unmittelbaren Vorgeschichte einer konkreten Konfliktsituation gewährleisten.8LT-Drs. 16/334 S. 5 f. Dabei soll bereits beim Pre-Recording die präventive Zielrichtung im Vordergrund stehen. Denn ein potenzieller Störer, der damit rechnen müsse, dass selbst ein plötzlicher körperlicher Angriff auf Polizeibeamte oder Dritte der auswertbaren Aufzeichnung hinzugefügt und gegen ihn verwendet werden könnte, werde eher von solchen Handlungen Abstand nehmen.9LT-Drs. 16/588 S. 6. Die im Daueraufnahmemodus mit der Bodycam angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen bleiben bis zu ihrer Löschung gespeichert. Gerade hierdurch soll – so der Gesetzgeber – neben der präventiven Wirkung eines polizeilichen Bodycam-Einsatzes zusätzlich auch die spätere Strafverfolgung erleichtert werden.10LT-Drs. 16/334 S. 6.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in unseren VBlBW Heft 08/2024.
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- 1GBl. 569.
- 2Hierzu Ziebarth, Die POLIZEI 2017, 76 ff. Zur alten Rechtslage und zur Entwicklung siehe auch BeckOK PolR BW/Nusser, 31. Ed. 01.12.2023, BWPolG § 44 Rn. 51.
- 3LT-Drs. 16/334 3 f.
- 44 GBl. S. 733. Hierzu Pöltl, VBlBW 2021, 45 ff.; Nachbaur, VBlBW 2021, 55 ff.
- 5LT-Drs. 16/8484 S. 119 f. Zur Notwendigkeit eines polizeilichen Body- cam-Einsatzes in Wohnungen Zaremba, LKV 2021, 193, 195 f.; Sitzberger, Die POLIZEI 2017, 211, 212 f.
- 6Speziell hierzu auch Pschorr, JuS 2021, 937 ff.
- 77 Ebenso OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.03.2023, NJW 2023, 2888, 2889.
- 8LT-Drs. 16/334 S. 5 f.
- 9LT-Drs. 16/588 S. 6.
- 10LT-Drs. 16/334 S. 6.