Das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB)
Weg zur Stärkung der Bund-Länder-Kooperation im Katastrophenschutz
Das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB)
Weg zur Stärkung der Bund-Länder-Kooperation im Katastrophenschutz
Der Beitrag erläutert, unter welchen Vorzeichen und mit welchen Maßnahmen die im Juni 2022 von allen siebzehn Innenministerinnen und Innenministern unterzeichnete „Vereinbarung des Bundes und der Länder über die Errichtung des Gemeinsamen Kompetenzzentrums Bevölkerungsschutz“ umgesetzt wurde.
Zuständigkeiten im Bevölkerungsschutz
Katastrophenschutz liegt nach dem Grundgesetz (GG) in der Zuständigkeit der Länder. Der Bund hat hier keine unmittelbare Zuständigkeit, kann aber bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen gem. Art. 35 GG Amtshilfe leisten.
Im Spannungs- und Verteidigungsfall gilt es, die Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren zu schützen. Die Zuständigkeit des Zivilschutzes liegt dann beim Bund und ist im Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) geregelt. Der Bund stellt den Ländern hierfür Mittel zur Verfügung. Diese können für den Katastrophenschutz eingesetzt werden.
Die Aufgaben des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sind im BBKG geregelt. Dieses nimmt u. a. Bezug auf das ZSKG; der Aufgabenschwerpunkt des BBK liegt im Zivilschutz und der zivilen Verteidigung. Durch die jahrzehntelange Friedensdividende sind der Zivilschutz und die zivile Verteidigung sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft in den Hintergrund getreten.
Flickenteppich an Regelungen
Viele Einrichtungen, die für den Spannungs- und Verteidigungsfall vorbereitet waren, wurden zwischenzeitlich aufgelöst und/oder zurückgebaut, da durch die Erhaltung für den Bund erhebliche Kosten entstanden. Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022 findet mittlerweile ein Umdenken statt. Im Jahr 2016 wurde die Konzeption Zivile Verteidigung (KZV) veröffentlicht.
Die CoViD-19-Pandemie von 2020 bis 2022 zeigte auf, dass durch die föderalistischen Strukturen ein „Flickenteppich“ an Regelungen entstanden ist. Diese wurden durch die Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeiten getroffen. Die Flutkatastrophe 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen führte ebenfalls vor Augen, dass es im Bereich des Katastrophenschutzes Optimierungspotenziale gibt, um derartige außergewöhnliche Ereignisse zu bewältigen.
Mehr Verantwortung des Bundes
Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung (2021 bis 2025) wird auf Seite 83 vereinbart, dass der Bund mehr Verantwortung im Bevölkerungsschutz übernehmen muss. Zu diesem Zweck soll das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) neu ausgerichtet werden.
Unter Berücksichtigung der föderalen Kompetenzverteilung soll das BBK zur Zentralstelle weiterentwickelt werden. Hierzu soll es personell und materiell entsprechend aufgestellt werden. Verfügbare Kräfte und Ressourcen von Bund und Ländern sollen in einem fortlaufenden Lagebild dargestellt werden.
Um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Zentralstellenfunktion des BBK zu erreichen, bedarf es nach Auffassung von Experten einer Änderung des GG. Hierzu gibt es bereits konkrete Vorstellungen und auch ein rechtliches Kurzgutachten im Auftrag der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag. Dieses wurde am 29.08.2022 von Prof. Dr. jur. Georg Hermes von der Goethe-Universität Frankfurt am Main vorgelegt.
Ziel dieser angedachten Verfassungsänderung ist die Stärkung der Rolle des Bundes durch die Zentralstellenfunktion des BBK unter Beibehaltung der föderalen Strukturen. Nach der aktuellen Gesetzeslage erfolgt die Zusammenarbeit von Bund und Ländern allein nach dem Freiwilligkeitsprinzip.
GeKoB und BBK
Im Rahmen der Neuausrichtung des Bevölkerungsschutzes wurde das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB) beim BBK eingerichtet. Im Jahr 2021 beschloss die Innenministerkonferenz (IMK) in zwei Sitzungen, Vorschläge für den Rahmen des GeKoB sowie eine Verwaltungsvereinbarung für dessen Einrichtung und Betrieb zu erarbeiten.
Zu diesem Zweck wurde durch das BBK ein Aufbaustab eingerichtet. Bereits ab März 2022 wurde ein gemeinsames Lagebild Bevölkerungsschutz erstellt. Anlass hierfür war der Angriff Russlands auf die Ukraine. Bereits im Juni 2022 wurde die „Vereinbarung des Bundes und der Länder über die Errichtung des Gemeinsamen Kompetenzzentrums Bevölkerungsschutz“ von allen siebzehn Innenministern unterzeichnet.
In der Bundesrepublik Deutschland ist dies eine sehr kurze Zeitspanne für die einvernehmliche Inkraftsetzung einer solchen Verwaltungsvereinbarung. Ergänzend zu dieser Verwaltungsvereinbarung gibt es eine Anlage, in welcher ein umfangreiches Aufgabenportfolio für das GeKoB festgeschrieben ist. Diese beiden Grundlagen wurden zwischenzeitlich im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Lenkungskreis
Unmittelbar nach der Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung startete das GeKoB am 03.06.2022 seinen Wirkbetrieb in Form einer auf Dauer angelegten Kooperationsplattform von Bund und Ländern. Anzumerken ist, dass das GeKoB weder Behörde noch Dienststelle ist. Das BBK stellt die Räumlichkeiten und die Geschäftsstelle für das GeKoB bereit. Allerdings ist das GeKoB kein Teil des BBK, sondern beim Gastgeber BBK untergebracht. Diese Trennschärfe gilt es zu beachten.
Für das GeKoB wurde ein Lenkungskreis eingerichtet, welcher aus den zuständigen Abteilungsleitern der Innenministerien von Bund und Ländern besteht. Dieser Lenkungskreis ist gegenüber dem GeKoB weisungsberechtigt. Er billigt z. B. grundlegende Festlegungen für die Zusammenarbeit innerhalb des GeKoB, erhält regelmäßige Sachstandsberichte, z. B. über die Ergebnisse von Arbeits- und Projektgruppen, und legt die Aufgabenschwerpunkte des GeKoB fest.
Bund-Länder-Kooperation
Die Leitung des GeKoB ist stets ein Tandem aus Bund und Land. Dieses Tandem wirkt gleichberechtigt, ist aber gegenüber den Vertretungen nicht weisungsbefugt. Aktuell wird die Leiterin des GeKoB vom Bund und die stellvertretende Leiterin vom Land Niedersachsen gestellt.
Im Juni 2024 erfolgt ein turnusgemäßer Leitungswechsel, sodass dann ein Landesvertreter die Leitung und ein Bundesvertreter die stellvertretende Leitung übernehmen wird. Durch eine Festlegung des Lenkungskreises dürfen von der Bundesseite nur eine Vertretung des BMI oder des BBK eine Leitungsfunktion innehaben. Die Verbindungspersonen der Bundespolizei, der Bundeswehr und der Bundesanstalt THW sind hiervon ausgeschlossen.
Nach Gründung des GeKoB im Juni 2022 entsandte das Land Niedersachsen die erste Ländervertretung und die Bundesanstalt THW eine Verbindungsperson. Aktuell sind Vertretungen aus dem Freistaat Bayern, Brandenburg, Niedersachsen (zugleich stellvertretende Leitung), Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen regelmäßig vor Ort präsent.
Die nicht in Präsenz vertretenen Bundesländer haben feste Ansprechpartner benannt, sodass sie in die Entscheidungen einbezogen werden können. Von der Bundesseite sind das BMI, das BBK, die BA THW, die BPOL und die Bundeswehr vertreten. Die Geschäftsstelle unterstützt die Leitung und die Vertretungen des GeKoB bei ihren Tätigkeiten.
Register der Spezialressourcen
Im GeKoB gibt es durch politischen Auftrag zwei Arbeitsgruppen. Eine Arbeitsgruppe erstellt ein Ressourcenregister und pflegt dieses fortlaufend. Dieses Ressourcenregister soll szenarienbasiert sog. Spezialressourcen erfassen.
Spezialressourcen sind spezielle Einsatzmittel und Fähigkeiten, die aufgrund ihrer geringen Anzahl, ihres Spezialisierungsgrades und/oder ihres hohen Anschaffungspreises in der Fläche nicht vorgehalten werden können.
Vorerst werden die Szenarien Vegetationsbrand und Flutereignisse betrachtet. Die Erfassung erfolgt aktuell auf der Ebene des Bundes und der Länder. Bereits bei der Befüllung des Ressourcenregisters besteht die Möglichkeit, weitere Szenarien zu benennen. Diese werden im GeKoB geclustert und zusammengestellt.
Das GeKoB ist in der Alltagsorganisation nur im Tagesdienst erreichbar. Daher wird dieses Ressourcenregister dem Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum (GMLZ) des BBK zur Verfügung gestellt. Dort können im Anforderungsfall nach den etablierten Verfahren der überörtlichen Hilfeleistung diese Spezialressourcen 24/7 vermittelt werden.
Die Meldung einer Ressource bedeutet nicht, dass diese auch verfügbar ist. Die Verfügbarkeit ist im Rahmen des Anforderungsverfahrens zu klären. Hierzu gehören ebenfalls etwaige Kostenübernahmeerklärungen.
Digitales Lagebild
Die zweite Arbeitsgruppe ist das Fachverfahren digitales Lagebild. Hier wird unter Einbindung von Beratungsunternehmen ein Verfahren entwickelt, um ein digitalisiertes und Ebenen übergreifendes Lagebild zu erstellen. Ziel der Arbeitsgruppe ist, im 2. Quartal 2025 einen lauffähigen Demonstrator zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von Projektgruppen, die einzelne Themen unterschiedlicher Komplexität erarbeiten, um sie anschließend im Plenum zur Abstimmung vorzustellen. Momentan gibt das GeKoB einmal wöchentlich ein Gemeinsames Lagebild Bevölkerungsschutz heraus. Die Länder liefern hierzu anhand einer Meldevorlage ihre Lagebeiträge.
In regelmäßigen Abständen gibt es einen Beitrag aus dem Bereich Kritischer Infrastrukturen (KRITIS), welcher über das BBK zugeliefert wird. Weiterhin wird einmal wöchentlich eine Lagebesprechung in Form einer Videokonferenz mit Bund und Ländern durchgeführt.
Best Practices
Neben dem Lagevortrag wird dieses Forum genutzt, um sich mit den anderen Teilnehmenden über bestimmte Themen und z. B. „best practices“ auszutauschen. Erwähnenswert ist, dass das GeKoB keine operativen Funktionen hat. Auf Anfrage von Bund oder Ländern können im GeKoB z. B. spezielle oder komplexe Inhalte zur Entlastung des Anfragenden bearbeitet werden.
Die Entscheidungsebene verbleibt auf jeden Fall immer bei den originär Verantwortlichen. In Fällen übergreifender Lagen kann das GeKoB z. B. Sonderlageberichte erstellen oder Videokonferenzen einberufen, um einen Informationsaustausch sicherzustellen. Dies wurde erstmals bei der LÜKEX 23 erprobt, an welcher das GeKoB als reduziert übender Teilnehmer mitgewirkt hat.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich unter den Vertretungen von Bund und Ländern im Laufe des Jahres 2023 ein vertrauensvolles Zusammenarbeitsverhältnis entwickelt hat. So können auf kurzem Wege fachliche Dinge abgestimmt werden.
Im Laufe des Jahres 2024 werden neben dem Wechsel der Leitung GeKoB auch Vertretungen personell wechseln. Dann wird es wieder einige Zeit brauchen, um den Status quo ante zu erreichen.
Entnommen aus dem Deutschen Polizeiblatt 3.2024, S. 20 f.