15.07.2012

Abfallberatung im Wettbewerb

Zum Urteil des Bundesfinanzhofes vom 03.04.2012 – Az. I 22/11

Abfallberatung im Wettbewerb

Zum Urteil des Bundesfinanzhofes vom 03.04.2012 – Az. I 22/11

Abfallwirtschaft als Wertstoffmanagement: Hier lässt sich viel Geld aus der Tonne holen. | © Flexmedia - Fotolia
Abfallwirtschaft als Wertstoffmanagement: Hier lässt sich viel Geld aus der Tonne holen. | © Flexmedia - Fotolia

Das Urteil des BFH vom 03.04.2012 (Az. I 22/11) ist ein weiteres in der Reihe der Urteile, die die hoheitliche Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts von ihrer wirtschaftlichen abgrenzen. Diese Zuordnung begründet – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 KStG – im letzteren Fall eine unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht gem. § 1 Nr. 6 KStG und verleiht durch Verweis in § 2 Abs. 3 UStG der Organisationseinheit Betrieb gewerblicher Art Unternehmereigenschaft i.S.d. UStG. Im Gegensatz dazu dient ein Hoheitsbetrieb gem. § 4 Abs. 5 KStG überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt. Kennzeichnend für solche hoheitliche Tätigkeiten ist nach übereinstimmender Auffassung von Rechtsprechung und Verwaltung, dass sie der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind (BFH – I R 51/07 – vom 29.10.2008; BM – F IV C 7 – vom 11.12.2009 (BStBl I S.1597)).

Die Voraussetzungen hoheitlicher Tätigkeit

Dies erfordert zum einen, dass die Aufgabenwahrnehmung durch Rechtsvorschriften der juristischen Person des öffentlichen Rechts übertragen wurde. Sie erfüllt dabei aus der Staatsgewalt abgeleitete, staatlichen Zwecken dienende Aufgaben. Zum anderen darf sich die juristische Person des öffentlichen Rechts mit ihren Einrichtungen nicht in größerem Umfang in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschalten. Eine Tätigkeit, die sich ihrem Inhalt nach nicht wesentlich von der Tätigkeit eines privaten Unternehmers unterscheidet, kann keine hoheitliche sein. Hier ist die steuerliche Gleichbehandlung mit dem privaten Unternehmer geboten. Maßgeblich ist danach stets, ob zwischen dem Hoheitsträger und Privatunternehmen im selben Tätigkeitsfeld Wettbewerb herrscht. Private Konkurrenz ist ausgeschlossen, wenn eine Verpflichtung des Leistungsempfängers zur Annahme der Leistung, ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht. Eine Beauftragung Privater mit der Aufgabe ist unschädlich für die Annahme einer hoheitlichen Tätigkeit, soweit dieser entweder Beliehener oder Erfüllungsgehilfe der juristischen Person des öffentlichen Rechts ist.

Für die kommunale Abfallwirtschaft hat der BFH im Urteil vom 23.10.1996 (I R 1-2/94) anerkannt, dass die Beseitigung von Abfällen aus privaten Haushalten gem. § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG der juristischen Person des öffentlichen Rechts als öffentliche Aufgabe übertragen ist und die gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG in die Aufgabenerfüllung eingeschalteten Privaten lediglich Erfüllungsgehilfen seien. Die Entsorgung von Hausmüll war daher hoheitliche Tätigkeit. Durch die Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21.08.1998 (VerpackV – BGBl. I 1998 S. 2379) wurde jedoch den Herstellern und Vertreibern von Verpackungen die Aufgabe zugewiesen, Verpackungen zurückzunehmen und zu verwerten. Sie nehmen diese Aufgabe im Dualen System wahr. Für jedes Gebiet eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist ein privater Systembetreiber benannt, der die Abholung der gebrauchten Verpackungen beim Verbraucher und ihre Verwertung organisiert. Der Systembetreiber kann auf Grundlage privatrechtlicher Vereinbarungen Private oder auch den kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb mit Leistungen wie der Einsammlung oder Sortierung beauftragen. Für den kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb handelt es sich dann um eine wirtschaftliche Tätigkeit (BFH – I R 72/06 – vom 06.11.2007).


Einordnung der Beratungsleistung eines kommunalen Abfallwirtschaftsbetriebes

Im Urteil vom 03.04.2012 hatte der BFH die Beratungsleistung eines kommunalen Abfallwirtschaftsbetriebes zu beurteilen. Der Systembetreiber des Dualen Systems wurde zu Standortfragen von Behältern, zur Sauberhaltung von Standortflächen auf öffentlichen Straßen, zur Frage, welche Abfälle gesammelt werden dürfen und welche nicht, sowie hinsichtlich der Auslegung von Gesetzen und Gesetzesänderungen beraten. Rechtsgrundlage war eine Vereinbarung gem. § 6 Abs. 3 Satz 10 VerpackV i.d. F. des Jahre 2004, heute gleichlautend § 6 Abs.4 Satz 8 VerpackV. Hiernach sind Systembetreiber verpflichtet, sich anteilig an den Kosten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu beteiligen, die durch Abfallberatung für ihr System entstehen. Die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg – 12 K 8281/06?- vom 16.02.2011) hatte die Beratung als Instrument zur Wahrnehmung einer, trotz Ausgliederung einzelner Bereiche durch die VerpackV, beim öffenlich-rechtlichen Entsorgungsträger verbleibenden Gesamtverantwortung für die Abfallentsorgung gewertet. Demzufolge hatte es die Inanspruchnahme der Beratung durch den Systembetreiber als nicht freiwillig eingestuft, mit dieser Begründung auch die Möglichkeit eines Wettbewerbs durch Private abgelehnt und so die Beratung als hoheitliche Tätigkeit eingeordnet. Der BFH sah stattdessen die letzte Verantwortung für eine ordnungsgemäße Entsorgung von Verpackungsabfällen beim Hersteller und Vertreiber von Verpackungen und deren System. Abfallberatung kann nicht nur vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger geleistet werden und muss vom Systembetreiber auch nicht unabhängig von einem tatsächlichen Beratungsbedarf in Anspruch genommen werden. Vielmehr kann sich der Systembetreiber das für die Aufgabenerfüllung erforderliche Know-how auch von Privaten beschaffen. Entscheidet sich der Systembetreiber daher für die Beratung durch den kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb, ist diese Leistung eine wirtschaftliche Tätigkeit. Die daraus erzielten Entgelte sind dem Betrieb gewerblicher Art zuzuordnen.

Abfallwirtschaft als Wertstoffmanagement

Mit der fortschreitenden Verschiebung des Fokus der Abfallwirtschaft von der Bekämpfung von Gesundheitsgefahren zum Wertstoffmanagement auch durch das zum 01.06.2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz schrumpft das Aufgabengebiet, das zwingend von den Kommunen verantwortet werden muss. Der Druck der privatwirtschaftlichen Entsorger auf eine steuerliche Gleichbehandlung steigt. Durch die Verpflichtung zur Einführung der Wertstofftonne ist mit sinkenden Restmüllmengen zu rechnen. Noch ist keine Entscheidung des Gesetzgebers getroffen, ob die Verantwortung für diese zusätzlichen Wertstoffmengen in die Hände der Privatwirtschaft oder der kommunalen Abfallwirtschaft gegeben werden, aber allein das Bestehen dieser Entscheidungsmöglichkeit indiziert im zweiten Fall die steuerliche Behandlung als wirtschaftliche Tätigkeit.

 

Prof. Dr. Adelheid Zeis

Wirtschaftsprüferin / Steuerberaterin, Senior Manager im Bereich Public Services der Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main
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