10.04.2025

Wie attraktiv ist der öffentliche Dienst?

Die Perspektive junger Menschen in Thüringen als potenzielle Beschäftigte

Wie attraktiv ist der öffentliche Dienst?

Die Perspektive junger Menschen in Thüringen als potenzielle Beschäftigte

Ein Beitrag aus »Thüringer Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Thüringer Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV

Nach jahrelangem Personalabbau sowie einem vermehrten Ausscheiden älterer Mitarbeitender aufgrund des demografischen Wandels bei gleichzeitig immer komplexer werdenden Aufgaben, steht der öffentliche Dienst vor der Herausforderung, eine neue Generation von Beschäftigten für sich zu gewinnen. Hinzu kommt eine zunehmende Konkurrenz durch Arbeitgeber in der freien Wirtschaft.1

Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Einstellungen und Wünsche (potenzieller) junger Beschäftigter in den letzten Jahrzehnten gewandelt haben. Bisher fehlt es im deutschsprachigen Raum jedoch an Forschung insbesondere zu den Perspektiven junger Menschen, welche sich noch nicht – z. B. durch ihre Studienwahl – für den öffentlichen Dienst entschieden haben. Im Rahmen der Arbeit der Projektstelle Jugend-Check Thüringen, einem Projekt des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung (FÖV), ergab sich die Möglichkeit, explorativ der Fragestellung nachzugehen, welche Perspektiven junge Menschen auf den öffentlichen Dienst als potenzieller Arbeitgeber2 haben. Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, welche Auswirkungen dies auf die Nachwuchsgewinnung und somit auf die langfristige Sicherung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes haben kann. Die Ergebnisse werden abschließend im Hinblick auf bestehende Forschung eingeordnet und bewertet. Damit wird auch ein Beitrag dazu geleistet, einen besseren Einblick in die Wünsche und Vorstellungen junger Menschen zu gewinnen, was eine zielgerichtete und wirkungsvolle Ansprache potenzieller junger Beschäftigter erleichtern und zudem dazu beitragen kann, ihre Bindung an den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber zu erhöhen.

Personalentwicklung im öffentlichen Dienst

Einer der Hauptgründe für die Herausforderungen, vor denen der öffentliche Dienst derzeit steht und in den kommenden Jahren stehen wird, ist die Personalentwicklung der letzten Jahrzehnte. Nach der Wiedervereinigung fand in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes ein Personalabbau statt. So sank die Zahl der insgesamt im öffentlichen Dienst beschäftigten Personen von 6 738 000 im Jahr 1991 auf 4 505 100 im Jahr 2008.3 Die stark sinkenden Zahlen Anfang der 1990er Jahre sind dabei vor allem mit der Privatisierung der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost zu erklären.4 Aber auch Länder und Kommunen bauten Personal ab. Während es 1991 noch 2 572 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst auf Landesebene gab, sank diese Zahl bis 2008 auf 2 263 000 Beschäftigte.5 Bei den Kommunen verlief diese Entwicklung ähnlich. Von 1 996 000 im Jahr 1991 sank die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst bei den Kommunen bis 2008 auf 1 331 000. Danach wuchs die Personaldecke im öffentlichen Dienst bei Ländern und Kommunen im Bundesdurchschnitt wieder leicht an.6


In Thüringen fand diese Entwicklung verzögert statt. Während 2007 insgesamt noch 106 220 Personen im öffentlichen Dienst in Thüringen beschäftigt waren, sank diese Zahl kontinuierlich bis in das Jahr 2019, in dem sie mit 99 035 Beschäftigten ihren Minimalwert erreichte. Bis in das Jahr 2022 stieg die Zahl der Thüringer öffentlichen Beschäftigten dann wieder auf 103 245 an.7

Zudem haben die Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Deutschland einen vergleichsweise hohen Altersdurchschnitt. So waren im Jahr 2020 auf Bundesebene ca. 34 % der Beschäftigten im öffentlichen Dienst 55 Jahre alt oder älter; auf Landesebene traf das im Durchschnitt auf ca. 27 % zu und auf kommunaler Ebene auf ca. 31 %. Im Vergleich dazu lag der Anteil der 55-Jährigen und Älteren unter allen Erwerbstätigen in Deutschland 2020 nur bei ca. 24 %.8 In Thüringen lag der Anteil der 55-Jährigen und Älteren im Jahr 2022 bei ca. 36 % und damit etwas höher als im Bundesdurchschnitt.9 Der hohe Anteil an Beschäftigten, die in den nächsten Jahren aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden, wird in vielen Bereichen zu einem zusätzlichen Arbeitskräftebedarf führen.

Im Zusammenspiel mit einem wachsenden Spektrum an immer komplexer werdenden Aufgaben10 und steigenden Anforderungen und Erwartungen von Seiten der Bevölkerung stellt die Gewinnung junger neuer Fachkräfte in den nächsten Jahren eine zentrale Herausforderung für den öffentlichen Dienst dar.

Neuere Reaktionen des Thüringer Gesetzgebers

Der Thüringer Gesetzgeber hat sich in jüngerer Vergangenheit wiederholt mit der Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes in Thüringen auseinandergesetzt. Zentraler Fokus dieser Bestrebungen stellt die Besoldungsgesetzgebung dar. Dies erfolgte insbesondere in Folge der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 04.05.2020 zur verfassungsgemäßen Alimentation.11 Hiernach stellt auch die Sicherstellung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte eine Aufgabe des Besoldungsgesetzgebers bei der Alimentation dar.12 Der Thüringer Gesetzgeber reagierte auf die Beschlüsse des BVerfG vorranging mit der Streichung der Erfahrungsstufe 1 für die Besoldungsgruppen A 6 und A 7 sowie der Erhöhung der kinderbezogenen Stufen des Familienzuschlags.13 Im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens forderte der Landtag zudem die Landesregierung zur Evaluation des Besoldungsgefüges auf, insbesondere unter dem Aspekt der Attraktivität.14 Neben der entsprechenden Übertragung der Tarifabschlüsse der Tarifgemeinschaft deutscher Länder umfasste die Besoldungsgesetzgebung in den letzten Jahren einzelne Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung. So sollte durch Anpassungen des Grundgehalts und der Leistungsbezüge in der Besoldungsordnung W der Konkurrenz unter den Ländern um qualifiziertes Personal begegnet werden.15 Zudem erfolgte die Erweiterung des Unfallschutzes für Beamtinnen und Beamten auf Wegen von und zur eigenen Wohnung im Rahmen der mobilen bzw. Telearbeit, um ein eigenes Kind in fremde Obhut zu verbringen, unter ausdrücklicher Hervorhebung der Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes.16 Mit einem neuen besoldungsrechtlichen Gesetzentwurf der Landesregierung soll die allgemeine Zulage aus Attraktivitätsgründen für den mittleren Dienst vereinheitlicht und erhöht werden; außerdem sollen mit Blick auf Berufseinsteigende die jeweils niedrigste Erfahrungsstufe in allen Besoldungsgruppen mit aufsteigendem Grundgehalt gestrichen sowie die Anwärtergrundbeträge angehoben und überarbeitet werden.17

Neben der allgemeinen Besoldungsanpassung stand in den letzten Jahren auch der Schulbereich im Fokus der Gesetzgebung. So wurden zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit mit den angrenzenden Ländern Beamtinnen und Beamten des Eingangsamtes Regelschullehrer von der Besoldungsgruppe A 12 in die Besoldungsgruppe A 13 übergeleitet.18 Zudem wurden die Grundlagen zur Zahlung von Sonderzuschlägen für die Personalgewinnung geschaffen, verschiedene Beamtengruppen aus dem Grundschulbereich in höhere Ämter übergeleitet und Zulagen für die Übernahme besonderer Aufgaben an Schulen überarbeitet bzw. neu eingeführt; Letzteres mit der Begründung des fehlenden Anreizes zur Übernahme wichtiger Aufgaben nach dem Wegfall der funktionslosen Beförderungen.19 Im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens forderte der Landtag die Landesregierung zudem auf, für die tarifbeschäftigten Lehrkräfte entsprechende Zuschläge für die Übernahme besonderer Aufgaben zu gewähren und die Möglichkeit zur höheren Einstufung gemäß § 16 Abs. 5 TV-L zu nutzen.20

In einem Landtagsbeschluss im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Haushaltsgesetz 2024 wurde die Landesregierung aufgefordert, die Attraktivität des Thüringer Polizeidienstes zu erhöhen.21 Um dies zu erreichen, sollen die Beträge für Dienst zu ungünstigen Zeiten in der Thüringer Erschwerniszulagenverordnung erhöht und eine Rechtsgrundlage zur Umsetzung der bereits beschlossenen kostenfreien Unterbringung der Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter bzw. der alternativen Gewährung von Mietkosten geschaffen werden.22 Zudem soll die Landesregierung prüfen, wie beamtenspezifische Arbeitsbedingungen – namentlich Dienstsport unter Anrechnung als Arbeitszeit – auf Tarifbeschäftigte in der Thüringer Polizei ausgeweitet werden kann.23 In einem weiteren Beschluss wird die Landesregierung aufgefordert, auch die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage einzuführen, ebenso wie die „zeitgeregelte Beförderung in das zweite Beförderungsamt einer jeden Laufbahngruppe“.24

Mit einem aktuellen Gesetzentwurf der Landesregierung soll auf verschiedene Weisen die Attraktivität des öffentlichen Dienstes gesteigert werden.25 So sollen durch die grundsätzliche Anerkennung bestimmter Studiengänge, welche Vorbereitungsdienst und Laufbahnprüfung ersetzen, mittels Rechtsverordnung zunächst mehr Interessenten für die Studiengänge angeworben und sodann auch mehr Interessenten für eine entsprechende Beamtenlaufbahn in Thüringen gewonnen werden.26 Außerdem sollen die Aufstiegsmöglichkeit der Beamtinnen und Beamten verbessert werden, indem der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen zu einer anderen Laufbahn, oder die Ableistung einer Probezeit bzw. eines Vorbereitungsdienstes, auch bei einem anderen Dienstherrn ermöglicht wird, ohne dass hierfür die Entlassung aus dem bestehenden Dienstverhältnis notwendig ist.27 Dies soll Thüringen helfen, ein moderner Dienstherr mit ansprechendem Arbeitsumfeld zu sein, in dem langfristig engagiertes sowie leistungsfähiges Personal gehalten und weiterentwickelt wird.28

Methodische Einordnung

Die vorliegende Befragung fand im Gesamtkontext des Jugend-Check Thüringen statt.29 Bei einer Veranstaltung zu einer Gesetzesänderung im Bereich des Dienstrechts wurden die Perspektiven junger Menschen hierzu eingeholt. In diesem Rahmen wurde eine schriftliche Befragung durchgeführt, die auch über den Nutzen für die konkrete Gesetzesfolgenabschätzung hinaus interessant ist und deren Ergebnisse nun näher betrachtet werden.

Insgesamt nahmen 29 Personen an der Befragung teil, die zuvor im Rahmen des Jugend-Check Thüringen für das sogenannte „Jugend-Team“ ausgewählt worden waren. Für diese Auswahl wurden im Februar 2023 4.000 junge Menschen in ganz Thüringen durch das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) angeschrieben und zu einer Teilnahme im Jugend-Team eingeladen. Die Auswahl der Daten aus dem Einwohnermelderegister erfolgte durch das TMBJS mittels geschichteter Zufallsauswahl nach den Kriterien Alter, Landkreis und Geschlecht. Unter den Rückmeldungen fand dann nochmals eine Auswahl anhand der Kriterien Alter, Landkreis, Geschlecht und Beschäftigung/Schulform statt; und so wurden schließlich 50 Personen ausgelost, die Teil des Jugend-Teams wurden. Da bei der Veranstaltung, in deren Rahmen der Fragebogen beantwortet wurde, nicht alle Mitglieder des Jugend-Teams anwesend waren, wurde der Fragebogen letztendlich von 29 Personen beantwortet.30

Entnommen aus den ThürVBl. Heft 9/2024.

 

Sophie Brandes

Forschungsreferentin in der Dienststelle Berlin des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung
 

Karl W. Grünberg

Forschungsreferent in der Dienststelle Berlin des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung
 

Theresa Thiel

Forschungsreferentin in der Dienststelle Berlin des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung
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