07.10.2019

Wer anschafft, soll zahlen

Müssen Fußball-Profi-Klubs künftig die Polizeikosten übernehmen?

Wer anschafft, soll zahlen

Müssen Fußball-Profi-Klubs künftig die Polizeikosten übernehmen?

Länder können den Ersatz von Polizeikosten bei Großveranstaltungen regeln. | © fotosr52 - stock.adobe.com
Länder können den Ersatz von Polizeikosten bei Großveranstaltungen regeln. | © fotosr52 - stock.adobe.com

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 29.03.2019 in einem am 07.08.2019 veröffentlichten Grundsatzurteil über die seit längerem kontrovers diskutierte Frage (vgl. zuletzt Verf., in: PUBLICUS 2019.1 vom 17.01.2019) entschieden, wer die Kosten für Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen namentlich bei Bundesligaspielen tragen soll (9 C 4/18 ).

Verfahrensgang

Das Land Bremen hatte der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) im August 2015 für ein Bundesliga-Spiel zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV im April desselben Jahres eine Gebühr über 425.000 Euro für den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte in Rechnung gestellt, die später im Berufungsverfahren auf 415.000 Euro ermäßigt wurde. Dagegen hatte die DFL geklagt und in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Bremen Recht bekommen. Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat am 01.02.2018 im Sinne der Freien Hansestadt entschieden, jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit die Revision zugelassen. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts im Wesentlichen bestätigt. Es hält eine Beteiligung der Profiklubs an den Kosten grundsätzlich für gerechtfertigt. Den konkreten Rechtsstreit wies das Gericht allerdings wegen eines Details an das Oberverwaltungsgericht Bremen zurück.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts Bremen bestätigt, dass die für die Gebührenerhebung einschlägige Rechtsgrundlage im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruht. Dem Land Bremen stehe die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung einer Polizeigebühr als Annexkompetenz zum Gefahrenabwehrrecht zu, das nach Art. 70 Abs. 1 GG in die Zuständigkeit der Länder fällt. Es handle sich um kein Einzelfallgesetz. Eine landesgesetzliche Regelung, die dem Veranstalter einer gewinnorientierten Großveranstaltung, die wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung vorhersehbar erforderlich macht, zur Deckung des Mehraufwandes eine Gebühr auferlegt, sei zudem mit dem Steuerstaatsprinzip (Art. 104a ff. GG) grundsätzlich vereinbar. Die Erfüllung der vom Leistungsfähigkeitsprinzip determinierten Steuerschuld gewähre keinen Anspruch auf die unentgeltliche Inanspruchnahme besonders zurechenbarer staatlicher Leistungen. Wer zum Zwecke der Gewinnerzielung in besonderem Maße ein öffentliches Gut (hier die staatliche Sicherheitsvorsorge) in Anspruch nimmt, dürfe hierfür grundsätzlich mit einer Gebühr belegt werden.


Eine solche Gebühr, die den Veranstalter nicht als Störer der öffentlichen Sicherheit, sondern ausschließlich als Nutznießer der verstärkten Polizeipräsenz in Anspruch nimmt, stehe auch in keinem Wertungswiderspruch zum Polizeirecht. Allerdings müsse zur Vermeidung einer unzulässigen Überdeckung eine „Doppelabrechnung“ ein und derselben Leistung gegenüber dem Störer und dem Veranstalter vermieden werden. Dies ergebe sich aus dem Gebot der Folgerichtigkeit als bereichsspezifischer Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) im Abgabenrecht. Dem Veranstalter könnten deshalb nicht ohne Weiteres auch solche Kosten in Rechnung gestellt werden, die nach den Regelungen des Bremer Landesrechts gegenüber einzelnen Störern geltend zu machen sind. Dies betreffe vor allem um die Kosten polizeilicher Ingewahrsamnahmen, die etwa zur Durchsetzung einer Platzverweisung erfolgen können. Dabei gehe es um die Auslegung des Bremischen Landesrechts sowie um die Feststellung von Tatsachen.

Die bremische Gebührenregelung genüge ferner den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Unter diesem Gesichtspunkt sei bei einer Gebühr zur Kostendeckung nicht zwingend die tatbestandliche Bestimmung eines Gebührensatzes erforderlich. Hinreichende Bestimmtheit könne auch dadurch hergestellt werden, dass die Bemessungsfaktoren für die Kosten normiert werden. Unsicherheiten, die wegen der auslegungsbedürftigen Voraussetzungen des Gebührentatbestandes und insbesondere im Hinblick auf die Höhe des polizeilichen Mehraufwandes und damit der Gebühr bestehen, erreichten kein unzumutbares Ausmaß. Das gelte v. a. deshalb, weil das Gesetz an „erfahrungsgemäß“ zu erwartende Gewalthandlungen anknüpfe. Für den Fußball verfügten sowohl die Polizei als auch die Veranstalter über einschlägige Erfahrungen. Soweit es in anderen Bereichen noch keine ausreichenden Erfahrungen gebe, dürfe nach dem Gesetz auch keine Gebühr erhoben werden. Außerdem habe der Gebührenschuldner Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Polizei müsse also den von ihr betriebenen Aufwand nachträglich rechtfertigen.

Die Norm greife schließlich nicht in unzulässiger Weise in geschützte Grundrechtspositionen der Klägerin. Die Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) schütze nach ständiger Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, die nicht mit einem bestimmten Eigentumsobjekt zu erfüllen sind, sondern aus dem gesamten Vermögen beglichen werden müssen. Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs erstrecke sich ebenfalls nur auf den konkreten Bestand an vermögenswerten Rechten und nicht auf das Vermögen als solches. Auch mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) stehe eine Regelung in Einklang, die unter Berücksichtigung der Art der Veranstaltung regelmäßig in einer angemessenen Relation zu dem wirtschaftlichen Ergebnis steht, das der Veranstalter auch dank des verstärkten Polizeieinsatzes erzielen kann. Die Gebührenregelung verstoße schließlich nicht gegen Art. 3 I GG. Der Gesetzgeber habe von dem gebührenpflichtigen Aufwand auch unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der Gefahrenabwehr keinen steuerfinanzierten Abschlag vorsehen müssen, wenn der zusätzliche Sicherheitsaufwand ausschließlich aufgrund einer gewinnorientierten privaten Veranstaltung erforderlich wird.

In bundesrechtlicher Hinsicht war nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht zu beanstanden, dass das Land Bremen statt des Heimatvereins Werder Bremen die DFL auf Zahlung der Gebühr in Anspruch genommen hat. Aufgrund der Zusammenarbeit beider Akteure im Rahmen des Wettbewerbs Bundesliga sei die DFL als Mitveranstalter des betreffenden Fußballspiels anzusehen. Den internen Ausgleich habe die Beklagte den Beteiligten überlassen dürfen.

Wegen der im Zusammenhang mit der Vermeidung einer unzulässigen Überdeckung noch offenen Auslegungsfrage sowie der dazu erforderlichen Feststellung von Tatsachen und weil sich das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig erwies (§ 144 IV VwGO) hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Bremen zurückzuverweisen (§ 137 I, § 144 III 1 Nr. 2 VwGO).

Bewertung

Ungeachtet der Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht dürfte das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung vom 29.03.2019 einen Schlusspunkt hinter die Frage gesetzt haben, ob die Veranstalter für polizeiliche Einsatzkosten bei kommerziellen Großveranstaltungen namentlich bei Bundesligaspielen in Anspruch genommen werden dürfen. Denn in dem Rechtsstreit der DFL gegen das Land Bremen geht es im Wesentlichen jetzt nur noch um die Frage, ob und inwieweit bestimmte Kosten vorrangig gegenüber einzelnen Störern geltend zu machen waren. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass das Oberverwaltungsgericht erneut die Revision zulassen wird. Die DFL könnte zwar auch gegen die Nichtzulassung vorgehen – aber voraussichtlich mit wenig Aussicht auf Erfolg. Nach Ausschöpfen des Rechtswegs bliebe theoretisch nur noch eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (eine Landesverfassungsbeschwerde kennt die Verfassung der Freien Hansestadt Bremen im Unterschied zur Mehrheit der übrigen Landesverfassungen nicht).

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Gebührenerhebung grundsätzlich für zulässig hält, sind jetzt die Länder am Zuge. Sie müssen über die Frage entscheiden, ob sie eine Regelung zum Polizeikostenersatz einführen wollen oder nicht. Verpflichtet sind sie dazu nicht. Es liegt in der politischen Entscheidungsbefugnis des Gesetzgebers, ob und in welcher Form er eine Gebührenregelung für Veranstalter kommerzieller Hochrisiko-Großveranstaltungen einführen will. Eine solche Regelung dürfte im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht auf kommerzielle Hochrisiko-Fußballspiele beschränkt sein, sondern müsste auch kommerzielle Veranstalter anderer Hochrisiko-Großveranstaltungen mit entsprechender Gewaltprognose (z. B. Konzerte, Volksfeste etc.) einbeziehen.

 

Dr. jur. Matthias Strohs

Ministerialrat a.D., Berlin
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