03.10.2019

Änderung der sog. Clean Vehicles Richtlinie

Impulse für die Beschaffung von Fahrzeugen mit innovativen Antrieben durch die öffentliche Hand

Änderung der sog. Clean Vehicles Richtlinie

Impulse für die Beschaffung von Fahrzeugen mit innovativen Antrieben durch die öffentliche Hand

Die Änderung der sog. Clean Vehicles Richtlinie war aus Sicht der Europäischen Kommission unumgänglich. | © seksan94 - stock.adobe.com
Die Änderung der sog. Clean Vehicles Richtlinie war aus Sicht der Europäischen Kommission unumgänglich. | © seksan94 - stock.adobe.com

Als Teil des sog. zweiten Mobilitätspaktes legte die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bereits am 8. November 2017 einen Richtlinienvorschlag – COM (2017) 653 – zur Überarbeitung der am 4. Juni 2009 in Kraft getretenen Richtlinie 2009/33/EG (sog. „Clean Vehicles Richtlinie“) vor. Daraufhin wurde die Richtlinie (EU) 2019/1161 zur Änderung der sog. Clean Vehicles Richtlinie am 20. Juni 2019 erlassen und ist am 10. Juli 2019 in Kraft getreten. Nunmehr sind die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 der Richtlinie (EU) 2019/1161 gehalten, ihre entsprechenden nationalen Umsetzungsakte bis 2. August 2021 abzuschließen. Die Hebelwirkung ist dabei enorm, da die Ziele für die Vergabe öffentlicher Aufträge für umweltfreundliche Busse im Jahr 2025 europaweit zwischen 24 und 45 Prozent liegen, 2030 sollen es je nach der Größe der Bevölkerung des jeweiligen Mitgliedsstaates und seines Bruttoinlandsprodukts schon zwischen 33 und 66 Prozent sein. Die nachfolgenden Ausführungen sollen eine erste Übersicht über die Hintergründe und die Änderungen durch die Novellierung der sog. Clean Vehicles Richtlinie geben und mögliche Auswirkungen für die Beschaffung von Fahrzeugen aufzeigen.

Zwingender Handlungsbedarf der Europäischen Kommission

Die Änderung der sog. Clean Vehicles Richtlinie war aus Sicht der Europäischen Kommission unumgänglich, da die Zielsetzung einer Beschleunigung der Akzeptanz sauberer Fahrzeuge auf dem Markt in der gesamten Europäischen Union auf diesem bisherigen Wege nicht erreicht werden konnte. Die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers haben bislang nur in sehr geringem Maße zur Verringerung der Treibhausgas- und Luftschadstoffemissionen und zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit im Markt der Fahrzeuge mit innovativen Antrieben beitragen. Ein Handeln der Europäischen Kommission war daher zwingend, um dennoch die ehrgeizigen Ziele der Europäischen Union zur weiteren Verringerung der Treibhausgasemissionen – u. a. durch die Mitteilung „Ein Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020-2030“ der Europäischen Kommission setzte sich diese das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern – erreichen zu können.

Überarbeitung der sog. Clean Vehicles Richtlinie als Impuls

Nunmehr soll die Umsetzung der umwelt-, klima- und energiepolitischen Ziele der Europäischen Union auf Grundlage der novellierten sog. Clean Vehicles Richtlinie im Wesentlichen auf zweierlei Weise beschleunigt und sichergestellt werden.


Zur Förderung und Stimulierung der Akzeptanz sauberer Fahrzeuge auf dem Markt wurde zum einen als Instrument zunächst die Festlegung verbindlicher Mindestziele für die öffentliche Auftragsvergabe gewählt. Artikel 5 Absatz 1 der novellierten sog. Clean Vehicles Richtlinie fordert nunmehr bei der öffentlichen Beschaffung von Fahrzeugen in den jeweiligen Referenzzeiträumen vom 2. August 2021 bis 31. Dezember 2025 sowie vom 1. Januar 2026 bis 31. Dezember 2030 einen „Mindestprozentsatz sauberer Fahrzeuge an der Gesamtzahl der [zu beschaffenden] Straßenfahrzeuge“. Diese zu erfüllenden Mindestquoten sind für die einzelnen Mitgliedstaaten im Anhang der Richtlinie (EU) 2019/1161 verbindlich festgeschrieben.

Außerdem wurde – anders als in der ursprünglichen Richtlinie vorgesehen – in Artikel 4 Nummer 4 der novellierten sog. Clean Vehicles Richtlinie nunmehr eine einheitliche Definition des Begriffs „sauberes Fahrzeug“ als fest vorgegebenes Antriebskonzept vorgesehen. Nach bisher geltendem Recht wurde lediglich gefordert, dass bei der öffentlichen Beschaffung von Fahrzeugen sowohl deren Energieeffizienz als auch deren Auswirkungen auf die Umwelt über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs berücksichtigt wird. Damit wird der Spielraum bei der Frage der Wahl der Antriebstechnik deutlich eingeschränkt, da diese nicht mehr lediglich im Rahmen der Wertung Einfluss finden kann sondern als Mindestanforderung zwingend vorgegeben ist.

Auswirkungen für öffentliche Auftraggeber bzw. Sektorenauftraggeber

Die von der Europäischen Union festgesteckten Klima- und Umweltschutzziele können jedoch nur dann erreicht werden, wenn sämtliche Mitgliedstaaten zur Leistung entsprechender Beiträge verpflichtet werden. Aufgrund dessen sind auch die nationalen Kommunen rechtlich angehalten, Maßnahmen zur Luftreinhaltung umzusetzen. Dies haben verschiedene nationale Gerichte für Städte wie z. B. Stuttgart bereits rechtsverbindlich festgestellt. Durch die in der novellierten sog. Clean Vehicles Richtlinie erfolgte verbindliche Festlegung von Mindestzielen ist davon auszugehen, dass sich die Gemeinden bzw. Städte weiterem enormen Druck ausgesetzt sehen, zur Verbesserung der Luftqualität eine Erneuerung der bestehenden Verkehrsflotte durch saubere Fahrzeuge vorzunehmen. Dabei kann nicht lediglich eine isolierte Beschaffung von Fahrzeugen mit innovativen Antrieben erfolgen. Vielmehr bedarf es zusätzlich einer synchronisierten Beschaffung dazugehöriger Infrastruktur wie z.B. Speicher oder Ladeinfrastrukturen. Auch sind Investitionen in weiteren Teilbereichen der Fahrzeugflotten erforderlich. So hat unter anderem auch eine Umrüstung des jeweiligen Depots inklusive Installation von Ladestationen zu erfolgen. Weiterhin ist auch mit nicht unerheblichen Kosten im Bereich Personal zu rechnen, da Fahrer auf die neuartigen Antriebe und Mitarbeiter der gemeinde- bzw. städteeigenen Werkstätten für die Durchführung (kleinerer) Reparatur- und Wartungsarbeiten ebenfalls geschult werden müssen.

Hohe Investitionskosten und finanzielle Unterstützung durch Fördermaßnahmen

Vor dem Hintergrund des Handlungsbedarfs ergeben sich erhebliche Investitionskosten zur Umsetzung der Einzelmaßnahmen, gerade auch aus den Anforderungen der novellierten sog. Clean Vehicles Richtlinie. Um die Umsetzung überhaupt realisieren und zudem beschleunigen zu können, sind verschiedene Förderprogramme aufgesetzt worden, um den Gemeinden und Städten bzw. den Verkehrsbetrieben die erforderliche finanzielle Unterstützung zu geben. In Deutschland fand erst zu Beginn des Jahres eine Aufstockung verschiedener Bundesförderprogramme statt, sodass nunmehr beispielsweise für die Anschaffung von Elektrobussen im öffentlichen Personennahverkehr in Gemeinden und Städten bis zum Jahr 2022 rund 300 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Zur Sicherstellung der Finanzierung der Umrüstung der Fahrzeugflotte, zur Gewährleistung einer bedarfs- und qualitätsorientierten Beschaffung der öffentlichen Hand und um nicht Gefahr zu laufen, sich etwaigen Rückforderungsansprüchen der Förderbehörde ausgesetzt zu sehen ist es daher für den öffentlichen Auftraggeber bzw. Sektorenauftraggeber unerlässlich, die vergaberechtlichen Regelungen zwingend einzuhalten.

Hinweis:

Informieren Sie sich im Rahmen des Seminars „Die rechtssichere Beschaffung von Fahrzeugen – unter Berücksichtigung innovativer Antriebe“ des vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.“ am Dienstag, den 21. Januar 2020 in Filderstadt oder Mittwoch, den 22. Januar 2020 in Köln über die aktuellen technischen Möglichkeiten sowie über das Vorgehen für eine rechtssicheren Beschaffung von Fahrzeugen mit innovativen Antrieben und der dazugehörigen Infrastruktur. Dort werden Ihnen wertvolle Tipps gegeben, wie Sie ein solches Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der bestehenden Spielräume und der aktuellen Entscheidungspraxis der Vergabenachprüfungsinstanzen vorbereiten und durchführen können.

 

Janina Heidemann

Rechtsanwalt, Sozietät Watson Farley & Williams LLP, München
 

Dr. Felix Siebler, LL.M.

Rechtsanwalt, Sozietät Watson Farley & Williams LLP, München
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