31.10.2019

Mietendeckel in Berlin

Sieben Gründe gegen den umstrittenen Beschluss des Berliner Senats

Mietendeckel in Berlin

Sieben Gründe gegen den umstrittenen Beschluss des Berliner Senats

Laut Gesetzentwurf des Berliner Senats sollen in Berlin für 5 Jahre gesetzliche Mietobergrenzen eingeführt werden.   | © Nils Hasenau
Laut Gesetzentwurf des Berliner Senats sollen in Berlin für 5 Jahre gesetzliche Mietobergrenzen eingeführt werden. | © Nils Hasenau

Am 22. Oktober 2019 hat der Senat von Berlin auf Vorlage von Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, beschlossen, dem Rat der Bürgermeister den Entwurf eines „Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“, kurz Mietendeckel, vorzulegen. Das verfolgte Ziel einer Beruhigung des Berliner Mietmarktes wird mit dem Gesetz nicht erreicht werden. Es wird im Gegenteil zu einer Verschärfung der bestehenden Probleme und des sozialen Unfriedens beitragen. Im Folgenden fasse ich die aus meiner Sicht zentralen Argumente gegen den Mietendeckel zusammen:

Drohende Verfassungswidrigkeit und ihre Folgen

Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das geplante Gesetz verfassungswidrig ist. Es fehlt dem Berliner Gesetzgeber bereits an der Gesetzgebungskompetenz. Der Bund hat mit der Mietpreisbremse eine detaillierte Regelung über die maximal zulässigen Mieten getroffen. Der Landesgesetzgeber ist nach der Ansicht der meisten Gutachter u.a. des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier – nicht befugt, ein eigenes Gesetz zu erlassen, welches diese Regelungen außer Kraft setzt. Darüber hinaus ist das Gesetz in der nun geplanten Form unverhältnismäßig und auch aus diesem Grund verfassungswidrig.

Eine abschließende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird jedoch voraussichtlich mindestens zwei Jahre auf sich warten lassen. In dieser Zeit besteht eine hohe Rechtsunsicherheit für Mieter und Vermieter. Für die Vermieter wird es zu Liquiditätsengpässen kommen. Auch für die Mieter besteht ein hohes Risiko: Hebt das Bundesverfassungsgericht das Gesetz auf, muss der Mieter sofort die zurückgehaltene Miete zuzüglich der zwischenzeitlich aufgelaufenen Zinsen überweisen. Eine Zahlungsverweigerung auf Grundlage eines verfassungswidrigen Gesetzes ist rechtswidrig. Wer dieses Geld nicht zur Seite gelegt hat und daher nicht sofort zahlen kann, muss mit einer berechtigten Kündigung rechnen.


Zerstörung des Mietspiegels/Unumkehrbarkeit des Mietendeckels

Der Mietendeckel soll angeblich nur fünf Jahre gelten. Was nach diesen fünf Jahren geschehen soll, ist jedoch völlig unklar. Einigkeit besteht unter Juristen, dass die bundesgesetzliche Mietpreisbremse nach dieser Zeit in Berlin nicht mehr anwendbar sein wird. Die Mietpreisbremse orientiert sich am Mietspiegel. Nach der Rechtsprechung muss der Mietspiegel anhand eines freien, von sonstigen gesetzlichen Begrenzungen unabhängigen, Marktes ermittelt werden. Dies wird nach fünf Jahren Mietendeckel nicht mehr möglich sein. Die Mietpreisbremse wird also durch den Mietendeckel zerstört.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Mieter nach den fünf Jahren Mietendeckel schutzlos wären. Der Mietendeckel entfällt. Die Mietpreisbremse ist auf längere Zeit in Berlin unanwendbar. Die Politiker werden sich gezwungen sehen, den Mietendeckel zu verlängern

Starke Hemmung des Neubaus

Es fehlt in der wachsenden Hauptstadt an Wohnraum. Dies ist das eigentliche Problem des Mietmarktes. Es müssen daher möglichst schnell viele neue Wohnungen geschaffen werden. Durch den Mietendeckel wird der Neubau in Berlin jedoch stark gehemmt. Neubauten nach dem Jahr 2014 sind zwar (zunächst) vom Mietendeckel ausgenommen. Direkte finanzielle Verluste erleiden also nur die Eigentümer von Bestandsbauten. Finanziert sind diese Bestandbauten jedoch von den gleichen Investoren, von denen erwartet wird, nun Geld in Neubauten zu stecken. Der enorme Vertrauensverlust der durch das Gesetz ausgelöst wird, hat bereits jetzt nachhaltige Auswirkungen auf die Investitionsentscheidungen. Erste Projekte wurden abgesagt. Der rot-rot-grünen Koalition ist dies bewusst. Es wird argumentiert, manche Investoren wolle man ja gerade verschrecken. Es sind jedoch die konservativen Investoren mit realistischen Renditeerwartungen (Banken, Versorgungswerke, Versicherungen), die Berlin als erstes den Rücken zukehren. Warum dies im Sinne des Senats ist, erschließt sich nicht.

Starke Hemmung von Sanierungen und (energetischen) Modernisierungen

Das Gesetz wird dazu führen, dass die Eigentümer nicht mehr in den Bestand investieren. Mieterhöhungen auf Grund von Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen werden durch das Gesetz nahezu vollständig ausgeschlossen. Bei Neuvermietungen müssen die Mieten teilweise (trotz erfolgter Investitionen in das Gebäude) gesenkt werden. Selbst für energetische Modernisierung darf die Miete über eine Ausnahmeregelung nur minimal angehoben werden. Zudem werden hier über Anzeige- und Genehmigungspflichten bürokratische Hürden aufgebaut, deren Funktionsfähigkeit nicht gewährleistet ist (siehe dazu sogleich 5.). Bereits jetzt wurden daher geplante Modernisierungen abgesagt.

Bürokratisch nicht umsetzbar

Das Gesetz wird zu einer Flut von Anträgen an die Bezirksämter führen. Die Koalition will daher 250 neue Stellen schaffen. Die Berliner Behörden sind jedoch ohnehin stark unterbesetzt. Für die vielen bereits jetzt offenen Stellen fehlt es an geeigneten Bewerbern. Woher die 250 Sachbearbeiter kommen sollen, ist unklar. Es ist mit überlangen Bearbeitungszeiten – und somit einer weiteren Rechtsunsicherheit für die Mieter und Vermieter – zu rechnen.

Gleiches gilt für die Verwaltungsgerichte. Selbst kleinere Verfahren dauern bereits heute mehrere Jahre. Durch das Gesetz wird eine Klageflut ausgelöst, sodass sich die Verfahrensdauer für alle Verwaltungsgerichtsverfahren in Berlin nochmals verlängern wird.

Fehlende Erforderlichkeit

Es bestehen mit dem Zweckentfremdungsgesetz, den Milieuschutzgebieten und der Mietpreisbremse bereits ausreichend Gesetze zum Schutz der Mieter. Der Bund hat gerade angekündigt, die Mietpreisbremse für fünf weitere Jahre zu verlängern und zu verschärfen. Das Problem liegt nicht im Fehlen von Mieterschutzgesetzen, es fehlt an Wohnraum. Teilweise mag es an der effektiven Durchsetzung der bestehenden Gesetze mangeln; insbesondere, weil Mieter aufgrund der teilweise langen bürokratischen Wege ein Vorgehen gegen ihren Vermieter scheuen. Dieses Problem wird durch das Gesetz jedoch nicht gelöst, sondern weiter verschärft.

Des Weiteren liegt die Durchschnittsmiete in Berlin weiter bei unter 7,00 EUR/m². Die Bestandsmieten sind nicht das Problem. Bei Neuvermietung von Bestandsbauten greift bereits die Mietpreisbremse. Überhöhte Mieten sind hier schon heute rechtswidrig. Stark angestiegen sind daher insbesondere die Mieten für neu errichtete Wohnungen, weil hier die Mietpreisbremse nicht greift. Neubauten sind jedoch von dem geplanten Mietendeckel ebenfalls ausgenommen.

Finanzielle Verluste der Eigentümer/Drohende Zwangsversteigerungen

Die starren Mietobergrenzen bei einer Neuvermietung stellen faktisch eine Mietenabsenkung dar. Es handelt sich bei dem „Mietendeckel“ insoweit um einen Etikettenschwindel. Ziel ist nicht die Deckelung der bestehenden Miete, sondern eine „Korrektur“ der Mietpreisentwicklung seit dem Jahr 2013.

Da der Wert einer Immobile anhand der mit dieser erzielbaren (Miet-)Rendite bewertet wird, werden viele Immobilien durch das Gesetz daher einen starken Wertverlust erleiden.

Viele Eigentümer gehen fälschlich davon aus, dass dies auf die laufenden Kredite zur Finanzierung ihrer Wohnungen/Wohnhäuser keinen Einfluss haben wird. Dies ist jedoch nicht richtig: Die Bank darf bei einem starken Wertverlust der Immobilie sofort zusätzliche Sicherheiten vom Eigentümer fordern. Dieses Recht der Bank ist in (fast) allen Kreditverträgen verankert. Kann der Eigentümer keine zusätzliche Sicherheit stellen, darf die Bank den Kreditvertrag außerordentlich kündigen. Der Kredit wird dann sofort fällig gestellt. Es droht daher (auch) privaten Eigennutzern die Zwangsversteigerung.

 

 

Jakob Hans Hien

Rechtsanwalt, Knauthe, Berlin
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