29.03.2018

Warnung vor verlockenden Investitionen

Kryptowährungen auf dem Vormarsch

Warnung vor verlockenden Investitionen

Kryptowährungen auf dem Vormarsch

Die Kryptowährung Bitcoin lockt immer mehr Investoren an. | © fotogestoeber - stock.adobe.com
Die Kryptowährung Bitcoin lockt immer mehr Investoren an. | © fotogestoeber - stock.adobe.com

Für die öffentliche Hand sind Investitionen in Kryptowährungen ungeeignet, da hoch spekulativ und mit einem Totalverlustrisiko verbunden. Dabei wäre dies doch so attraktiv – von 36 000 Prozent Steigerung des Kurswerts in einem Jahr ist die Rede. Das Haushaltsloch wäre mit einem Schlag gestopft.

Tatsächlich fasziniert diese neue Art der Unternehmensfinanzierung gerade Start-Ups und Investoren: Bei sogenannten Initial Coin Offerings (ICOs) erschaffen Unternehmen ihre eigene Kryptowährung und verkaufen diese am Markt. Dies ist noch nicht einmal besonders aufwendig Es genügen schon ein paar wenige Zeilen Programmcode, um einen solchen Coin aus der Wiege zu heben. Die durch den Verkauf erlangten Einnahmen werden von den emittierenden Unternehmen zum Aufbau des Unternehmens oder zur Finanzierung eines konkreten Projekts verwendet. Der Erfolg von ICOs überraschte selbst Kenner der Branche: So wurden in den Jahren 2016 und 2017 weltweit knapp vier Milliarden US-Dollar mit dem Verkauf von Coins eingenommen Ihre Zahl liegt mittlerweile im vierstelligen Bereich.

Investoren erhalten leere Hüllen

Interessant ist, dass diese Coins in aller Regel nicht mit weitergehenden Rechten verbunden sind, etwa Dividendenansprüchen oder Unternehmensanteilen. Der Investor erhält also nur den nackten Coin an sich. Dass trotzdem sehr viel Geld in diesen Markt fließt, hängt mit dem Versprechen der Unternehmen zusammen, dass die Coins auf einer noch zu entwickelnden Plattform einsetzbar sein werden, etwa zum Tausch gegen Güter oder Dienstleistungen. Rechtlich binden will man sich trotzdem nicht, weswegen Investoren nicht einmal einen dahingehend durchsetzbaren Anspruch erhalten. Dies zeigt also, dass man lediglich darauf hoffen darf, dass die Nachfrage nach den erworbenen Coins steigt, und damit auch ihr Wert und der Kurs an den sogenannten Kryptobörsen. Steuerbar ist dies allerdings nicht, und wenn der Emittent mit den Einnahmen verschwindet, sind rechtliche Schritte zwar möglich, aber wegen des jeweiligen Sitzlandes praktisch nicht durchsetzbar.


Eindringliche Warnung der Behörden

Eine Wertsteigerung um das Zehnfache innerhalb weniger Wochen ist zwar keine Seltenheit. Solche Fälle dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Coins massiv an Wert verloren haben und letztlich auch ein Totalverlust möglich ist, wenn sich keine Abnehmer für die selbst erworbenen Coins finden. Hierauf wiesen zuletzt auch die BaFin und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA mit besonderer Deutlichkeit hin: Insbesondere Verbrauchern ohne Branchenkenntnis raten die Behörden von der Investition in ICOs dringend ab. Bei den Geschäften handelt es sich schlicht um Spekulationsgeschäfte. Das Risiko ist sogar noch höher als bei einer Sportwette, denn dort weiß man zumindest, dass das Spiel stattfindet und damit eine gewisse Chance besteht. Bei ICOs hingegen werden leere Hüllen gekauft, für die erst einmal ein Abnehmer gefunden werden muss. Auch wenn dies zumindest derzeit häufig funktioniert, stellen ICOs für Kommunen keine geeignete Form der Geldanlage dar.

Reguliert als Wertpapiere?

Im Jahr 2016, als die Verbreitung von ICOs gerade begann, hielten Emittenten nur wenig von regulatorischer Compliance und nicht wenige ICOs machten dadurch von sich reden, dass das eingesammelte Geld schlicht anderweitig verwendet wurde. Heute jedoch zeigt die Beratungspraxis, dass mehr und mehr Unternehmen den Gang zum Anwalt als zwingende Voraussetzung für den Verkauf von Kryptowährungen sehen. Ursächlich dafür ist das Verwaltungshandeln der Behörden weltweit. Gerade die SEC schreckte die Szene mit ausführlichen öffentlichen Äußerungen dazu auf, dass die meisten ICOs reguliert seien. Weil sich die Behörden wie hierzulande die BaFin mit konkreten Empfehlungen zur Gestaltung von ICOs zurückhalten, ist es für Emittenten wichtig, eng am Gesetz zu arbeiten und Vorschriften risikobewusst auszulegen. Man kommt dann zum Schluss, dass Kryptowährungen, die zusammen mit Unternehmensanteilen oder Dividendenansprüchen veräußert werden, als Wertpapier qualifiziert werden müssen, was in der Regel eine Reihe von aufwendigen Beschränkungen mit sich bringt.

Bei den übrigen ICOs ist die Rechtslage allerdings lange nicht so eindeutig. Die BaFin behilft sich ein wenig damit, dass sie Kryptowährungen grundsätzlich als Finanzinstrumente qualifiziert, weswegen zumindest einige Vorschriften des Kreditwesengesetzes Anwendung finden. Es bleibt aber abzuwarten, inwieweit die europäischen Behörden auch weitere Arten von Kryptowährungen als Wertpapiere qualifizieren, etwa mit dem Argument der Handelbarkeit. Dies würde für viele ICOs das Aus bedeuten, weil beispielweise die Anforderungen an Prospekte und damit der Investitionsaufwand vor dem Verkauf der ICOs dramatisch stiegen.

Aufklärung ist Pflicht

auch schon heute sollte man nicht der Versuchung verfallen, Kryptowährungen ohne Verkaufsprospekt in den Handel zu bringen. Aufklärungspflichten ergeben sich nämlich auch aus der Vertragssituation, konkretisiert durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Prospekthaftung. Zwar sind die Anforderungen lange nicht so hoch wie bei Wertpapieren – gerade wegen der Technik im Hintergrund und den zahlreichen möglichen Verlustszenarien ist die Gestaltung der Risikohinweise aber auch heute schon nicht trivial. Für Emittenten wichtig ist, keine unwahren Informationen zu verbreiten und beim Investor keinen unrichtigen Eindruck über die Chancen und Risiken der Investition zu wecken. Auch über Blockchain immanente Risiken muss aufgeklärt werden. Wer hier Fehler begeht, riskiert Schadensersatzansprüche in Höhe der verzinsten Investitionen, was für betroffene Startups das Ende bedeuten wird, und damit auch für den emittierten Coin.

Haftungsrisiken

Ein Blick in die Praxis unter heute geltendem Recht zeigt, dass viele der seriösen ICOs hierzulande und in anderen europäischen Ländern regulatorisch zwar nicht verboten sind, dass sie andererseits aber die Tür für Schadensersatzansprüche von Investoren weit öffnen. Bei den Risikohinweisen etwa finden sich mitunter gravierende Lücken. Verbraucherwiderrufsrechte werden häufig gar nicht berücksichtigt. Manche Werbeaussagen verpflichten den Emittenten nicht selten sogar zu Leistungen, die er gar nicht erbringen kann. Als würden diese und weitere Fehler den Emittenten nicht schon hart genug treffen, so ist überdies auch noch seine Substanz betroffen. Denn wirft man einen Blick in die anwendbaren AGB, so stellt man fest, dass jedenfalls die Haftungsklauseln nach deutschem Recht unwirksam sind, da sie die Haftung pauschal ausschließen. Dies hängt damit zusammen, dass Unternehmen die Verträge mit Blick auf das schnelle Geld schlicht von anderen ICOs kopieren – ein fataler Fehler, denn die Folge ist eine unbegrenzte Haftung, die im Schadensfall schnell an die Substanz geht.

Dieses Risiko ist für Investoren ein wichtiger Teil ihrer Risikobewertung: Diese besteht nicht nur aus einer Bewertung des Geschäftsmodells, sondern auch aus einer Bewertung des ICOs selbst (ICO Due Diligence). Wer hier oberflächlich arbeitet, riskiert, dass die getätigten Investitionen wertlos werden.

Fazit

Investoren und Banken beobachten ICOs mit Argusaugen: Es ist davon auszugehen, dass der Verkauf von Kryptowährungen eine noch stärkere Verbreitung erfährt, auch wenn die Ausgestaltung im Detail hin zu Verbriefung von Rechten variieren wird. Zwar mag es sein, dass die regulatorischen Anforderungen mit Blick auf den Investoren- und Verbraucherschutz steigen, denn die anzutreffenden Risiken nehmen Behörden und vielleicht sogar den Gesetzgeber in die Pflicht. Der Vorteil, dass Kryptowährungen ohne Banken und Börsen Tag und Nacht und ohne größere Hindernisse handelbar sind, wird sie aber weiterhin zu einem beliebten Investitions- und Spekulationsobjekt machen.

Für die öffentliche Hand taugen aktuelle ICOs indes in aller Regel nicht als Investitionsobjekt. Grund ist erstens, dass meist nur leere Hüllen verkauft werden, ohne damit verbundene Rechte. Zweitens sind die Kursschwankungen maximal unvorhersehbar. Und drittens drohen Verlustrisiken bis hin zum Totalverlust.

Unter dem Stichwort »Tokenisierung« wird Kryptowährungen künftig aber über heutige ICOs hinaus eine weitaus wichtigere Rolle zukommen: Sie sind ohne Intermediär handelbar, fälschungssicher und eignen sich dem Grunde nach zur Verbriefung von Rechten. Hierin liegt das Potenzial, den Rechtehandel zu revolutionieren. Man denke nur an Besitz- und Eigentumsrechte, Lizenzen oder den Emissionshandel – kreative Startups erkunden gerade mögliche Einsatzzwecke und hieven das heute bekannte Modell von ICOs damit auf eine nächste Stufe. Man darf gespannt sein, welchen Bereich die Blockchain-Technologie als nächstes revolutioniert.

 

Dr. Markus Kaulartz

Rechtsanwalt, CMS Deutschland
n/a