19.03.2018

Die Auswirkungen strafrechtlicher Verurteilung auf Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Im Spiegel der aktuellen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung

Die Auswirkungen strafrechtlicher Verurteilung auf Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Im Spiegel der aktuellen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung

Das Prozessrecht steht nicht für sich allein, sondern hat eine den materiellen Rechten der Prozessbeteiligten dienende Funktion. | © rcfotostock - stock.adobe.com
Das Prozessrecht steht nicht für sich allein, sondern hat eine den materiellen Rechten der Prozessbeteiligten dienende Funktion. | © rcfotostock - stock.adobe.com

Im Beitrag »Trügerische Sicherheit – Die hohen Hürden der Rechtsprechung im Disziplinarrecht« wurde die Schwierigkeit erörtert, Beamte aus dem Dienstverhältnis zu entfernen. Dies liegt am auf Lebenszeit begründeten, in der Unabhängigkeit der Amtsausübung wurzelnden Vertrauens- und Treueverhältnis, von dem sich der öffentliche Dienstherr nicht ohne Weiteres lösen kann. Die »Kündigung« des Beamten setzt eine verwaltungsgerichtliche Disziplinarklage als Ultima Ratio voraus. Ein für den Dienstherrn erfolgreiches Urteil wirkt materiell als »doppelte« Bestrafung. Der Beamte verliert alle Begünstigungen seines Amtsverhältnisses auf Lebenszeit.

Für die Beamten werden eigens zum Zweck der Rechtsprechung über Disziplinarsachen spezialisierte Kammern und Senate bei den Verwaltungsgerichten gebildet. Die Berufsrichter werden dabei von Vertretern der Laufbahnen als Laienrichter unterstützt. Diese strukturelle Vorgabe zeigt die Bedeutung und Besonderheit, die den Gesetzgeber dazu veranlasst hat, diese Materie forensisch aus dem allgemein breiten Spektrum des Verwaltungsrechts auszusondern.

In der Regel wird der disziplinarischen Verfolgung ein Strafverfahren vorausgehen. Der folgende Beitrag widmet sich der Frage, inwieweit die verwaltungsbehördliche Seite auf die Erkenntnisse der Strafbehörden zurückgreifen kann und muss. Nur eine klare Regelung des Verhältnisses beider Seiten vermeidet widersprüchliche Beurteilungen zugunsten oder zu Lasten des Beamten, wie auch eine »Überreaktion des Staates«. Soweit es Beschäftigte im öffentlichen Dienst betrifft, kann auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des Arbeitsrechts zurückgegriffen werden.


Mitteilungspflichten im Disziplinarverfahren

In Zeiten hochgehaltenen Datenschutzes drängt sich die Frage auf, wie der Dienstherr von den Bemühungen der Strafjustiz überhaupt erfährt. Hierauf geben die Beamtengesetze eine klare Antwort. Die Strafverfolgungsbehörden haben den Dienstherrn des Beamten immer dann zu informieren, wenn öffentliche Klage erhoben oder ein Strafbefehl ausgesprochen wird. Gleiches gilt für strafgerichtliche Urteile samt Begründung. Ist eine Entscheidung im Strafverfahren zu erwarten, so müssen die Disziplinarkammern und -senate das Verfahren bis zur strafrechtlichen Entscheidung aussetzen (§ 22 BDG), was das Verfahren über mehrere Instanzen über sehr lange Zeiträume erstrecken kann.

Beschränkung der Verfolgung

Eine besondere Situation beschränkt disziplinarisch die Dienstherren (§ 14 BDG): Wird ein Beamter in einem Straf- oder Bußgeldverfahren zu einer Strafe, Geldstrafe oder Ordnungsmaßnahme verurteilt, so kann er wegen dieser Tat durch den Dienstherrn nur eingeschränkt belangt werden. Gleiches gilt bei Einstellung eines Verfahrens wegen geringer Schuld nach § 153a StGB, wenn die Auflagen erfüllt werden. In der Folge können kein Verweis, keine Geldbuße und keine Kürzung des Ruhegehalts mehr ausgesprochen werden. Eine Kürzung der Dienstbezüge bedingt, dass diese die einzige Möglichkeit darstellt, den Beamten zur Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten.

Erfolgt im Strafverfahren ein Freispruch, so ist eine disziplinarische Verfolgung soweit ausgeschlossen, als der zugrunde liegende Sachverhalt ein Dienstvergehen darstellt, das keinen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllt. Im Fachjargon nennt sich das »disziplinarischer Überhang«.

Im Ergebnis bedeutet der Vorrang des Strafrechts eine partielle Beschränkung der Dienstherren. Im Umkehrschluss lässt sich aber feststellen, dass gerade schwere Dienstvergehen, die eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis mittels Disziplinarklage ermöglichen, ohne Beschränkungen durch die Anstellungsbehörde verfolgt werden können, sofern eine Verurteilung erfolgt.

Konkurrenz: Bindung der Verwaltungsgerichte an die Strafjustiz

An die tatsächlichen Feststellungen der Strafgerichte sind die verwaltungsgerichtlichen Disziplinarrichter gebunden (§ 57 BDG). Nur in Einzelfällen ist ein Abweichen nach der Rechtsprechung zulässig, beispielsweise wenn die Tatsachenfeststellungen offensichtlich unrichtig oder lückenhaft waren (BVerwG, Urteil v. 25.02.2016, Az. 2 B 1/15). Die Verwaltungsrichter sollen dann nicht »sehenden Auges« falsche Schlüsse hieraus ziehen müssen.

Materiell trifft die Entfernung aus dem Dienstverhältnis den Beamten in vielen Fällen sicherlich viel härter als die strafrechtliche Verurteilung. Handelt es sich – wie in den entschiedenen Urteilen – meist um Ersttäter, wird eine zu vollziehende Freiheitsstrafe meist ohnehin nicht in Betracht kommen. Die Geldauflagen werden vom alimentierten Beamten erbringbar sein. Folglich stellt die Disziplinarfolge die eigentliche »Strafe« dar. Dabei handelt es sich nicht um eine »Doppelbestrafung« im Sinne Demosthenes, sondern den Vollzug der konsequenten beamtenrechtlichen Logik. Der Beamte verstößt nicht nur gegen die strafrechtlich geschützten Rechtsgüter, sondern darüber hinaus gegen Pflichten, die er mit Eingehung des Dienstverhältnisses beschworen hat. Der verpflichtende Amtseid umfasst die Wahrung der Gesetze gleichermaßen wie die gewissenhafte Erfüllung der Amtspflichten. Abgemildert wird diese Betroffenheit lediglich durch die Tatsache, dass im Strafverfahren mögliche disziplinarische Folgen der Tat zwingend bei der Wahl des Strafrahmens und der Strafzumessung zu berücksichtigen sind (BGHSt, 35, 148). Der BGH hat mit Blick auf die beamtenrechtlichen Konsequenzen ausdrücklich eine Würdigung der gesamten »Reaktion des Staates« vorgenommen, die »harte und ungerechte« Ergebnisse vermeiden soll.

Orientierung an der (abstrakten) Strafandrohung

Eine Einstufung der Schwere des Dienstvergehens wird dabei von den Verwaltungsrichtern nach dem Strafrahmen der begangenen Delikte bestimmt, unabhängig von der tatsächlich ausgesprochenen Zumessung durch die Strafgerichte. Dieser Rahmen dient als »Orientierung« zur allgemeingesellschaftlichen Einordnung des begangenen Unrechts. Je nach Deliktstyp wird diskutiert, ob eine Regeleinstufung, z.B. als mittelschweres Delikt, vorgenommen werden kann, um durch die Bildung von Fallgruppen eine größere Rechtssicherheit zu erzielen. Die Rechtsprechung hat hierzu tendiert, in vielen Fällen aber der konkreten Einzelfallbeurteilung den Vorrang eingeräumt (z. B. VG Ansbach, Urteil v. 18.07.2016, Az. AN 13b D 16.00620).

Das OVG Weimar hat im vergangenen Jahr festgehalten, dass die grundsätzliche Zuordnung einer Höchststrafe den Unrechtsgehalt einer Tat aufzeigt, der ihr durch den Gesetzgeber beigemessen wurde (OVG Weimar, a.a.O.). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Tat außerhalb des Dienstes begangen wurde. Hieraus werden Rückschlüsse auf den Schaden, der durch die Tatbegehung im Hinblick auf den Ansehensverlust des Beamten entstanden ist, gezogen. Letztlich verbirgt sich dahinter eine nachvollziehbare Reaktion der Verwaltungsgerichte, deren Spielraum zur Einschätzung des Unrechtsgehalts der Tat gleichzeitig eingeschränkt wird (BVerwG, Urteil v. 10.12.2015, Az. 2 C 50/13 und Urteil v. 18.06.2015, Az. 2 C 9.14). Mindert die Strafjustiz den Strafrahmen und die Strafe selbst unter Berücksichtigung disziplinarischer Konsequenzen, wird der konkrete, eigentlich zu niedrige Strafausspruch zunächst beiseitegelassen.

Privates Fehlerverhalten im Beschäftigungsverhältnis

Letztlich lohnt sich noch ein vergleichender Blick auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Ein besonderer tariflicher Kündigungsschutz, der dem Beamtenverhältnis vergleichbar ist, besteht nach 15-jähriger Tätigkeit für denselben Arbeitgeber für Beschäftigte mit einem Mindestalter von 40 Jahren. Auch das Arbeitsverhältnis gibt dem Arbeitnehmer keinen unbegrenzten Freiraum. Zwar besteht kein umfassendes Treueverhältnis wie im Berufsbeamtentum. Dennoch hat der Arbeitnehmer auf die Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Wann ein Verstoß gegen dieses Gebot einen Kündigungsgrund darstellt, ist im Einzelfall abzuwägen. Generell gilt, dass die Privatsphäre des Arbeitnehmers weitgehend zu achten ist. Dennoch gibt es eine Reihe von Urteilen, die den Ausspruch einer Kündigung von Arbeitsverhältnissen innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes gestützt haben. Dies gilt für die Zahnarzthelferin als »private« Pornodarstellerin gleichermaßen wie für Fälle des Führerscheinentzugs oder der Unterschlagung oder Untreue im Privatleben. Voraussetzung scheint zu sein, dass – wie bei Beamten – ein Vertrauensverlust eingetreten und eine Weiterbeschäftigung unzumutbar sein muss. Dabei wird ein genereller Ansehensverlust des Arbeitgebers berücksichtigt, was sich in der Regel in der Stellung des Mitarbeiters im Unternehmen widerspiegelt.

Wird der Beschäftigte strafrechtlich belangt, bestehen Mitteilungspflichten nach der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra), die erst 2016 überarbeitet wurde. § 16 MiStra enthält besondere Vorschriften über Strafsachen gegen Personen in einem Arbeitnehmer- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst. Danach haben die Strafverfolgungsbehörden, soweit es um den Vorwurf eines Verbrechens geht, den Erlass und den Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls, die Klageerhebung und Strafurteile mitzuteilen. Adressat der Mitteilung ist der Leiter der Beschäftigungsbehörde oder dessen Vertreter im Amt. Vorgesehen ist eine Kennzeichnung als »vertrauliche Personalsache«. Durch die Beschränkung auf den Tatbestand eines Verbrechens fällt hier die Kenntniserlangung des Arbeitgebers hinter die des Dienstherrn beim Beamten zurück.

Fazit

Sowohl Beamte als auch Beschäftigte im öffentlichen Dienst müssen im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung dienst- und arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten. In jedem Fall wird die Dienstbehörde zunächst das Ergebnis der Strafjustiz abwarten. Gleiches gilt für die für Disziplinarklagen zuständigen Kammern und Senate der Verwaltungsgerichte. Durch die Milderung der Strafurteile und Beschränkungen wird die harte Wirkung einer »doppelten Bestrafung« abgemildert. Die tatsächlichen Feststellungen der Strafgerichte binden grundsätzlich die Disziplinarrichter. Insbesondere das Bundesverwaltungsgericht hat in letzter Zeit durch eine Reihe von grundlegenden Entscheidungen den Entscheidungsrahmen der Instanzgerichte konkretisiert, um den »Gleichklang« beider Gerichtsbarkeiten (BVerwG, Urteil v. 25.03.2010, Az. 2 C 83.08 und Urteil v. 25.02.2012, Az. 2 B 133.11) sicherzustellen.

 

Prof. Dr. Matthias Werner Schneider

Fachhochschule Schmalkalden
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