05.03.2018

Reform der Grundsteuer aus kommunaler Sicht

Finanzielle Ausfälle werden Städte und Gemeinden unter Druck setzen

Reform der Grundsteuer aus kommunaler Sicht

Finanzielle Ausfälle werden Städte und Gemeinden unter Druck setzen

Die geltenden Bewertungsregeln könnten als unvereinbar erklärt werden | © magele-picture - stock.adobe.com
Die geltenden Bewertungsregeln könnten als unvereinbar erklärt werden | © magele-picture - stock.adobe.com

Am 16. Januar hat beim Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung zur Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung für die Zwecke der Grundsteuer stattgefunden. Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist bereits im 2. Quartal 2018 zu rechnen. Es ist anzunehmen, dass das Gericht die geltenden Bewertungsregeln für zukünftige Besteuerungszeiträume für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklären wird. Zudem ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nur eine kurze Frist für eine Gesetzesreform erhält.

Kommunen drohen hohe Steuerausfälle

Daraus resultiert für Städte und Gemeinden ein massives Einnahmenrisiko für die nähere Zukunft. Die Länder schätzen den Zeitbedarf für eine gesetzliche Neuregelung und die anschließende Umsetzung in der Steuerverwaltung auf sechs bis zehn Jahre. Eine so lange Übergangsregelung wird das Bundesverfassungsgericht kaum gewähren. Deshalb droht den Kommunen in der Zeit zwischen dem Auslaufen der Übergangsfrist und dem Abschluss der Neubewertung ein Totalausfall der Einnahmen aus der Grundsteuer.

Die Grundsteuer-Einnahmen belaufen sich derzeit bundesweit auf rund 14 Milliarden Euro jährlich. Ein Steuerausfall dieser Größenordnung würde alle bisherigen kommunalen Finanzkrisen in den Schatten stellen. Der Höhe nach entsprechen diese Einnahmen in etwa den gesamten Ausgaben, die eine Gemeinde für ihre freiwilligen, also frei gestaltbaren Aufgaben zur Verfügung hat. Deshalb könnten die Kommunen schon bald zu massiven Ausgabenkürzungen bei den freiwilligen Aufgaben gezwungen sein. Dazu gehören unter anderem die Wirtschaftsförderung, der Wohnungsbau, Musik- und Volkshochschulen, Bibliotheken, Museen, Theater, die Sport- und Vereinsförderung, der Unterhalt von Grün- und Parkanlagen und viele soziale Einrichtungen beispielsweise in der Altenpflege bis hin zu Jugendhäusern und Suchtberatungsstellen.


Hoher Zeitbedarf für Reform

Der lange Zeitraum von sechs bis zehn Jahren für eine Umsetzung der Reform wird benötigt, weil alle rund 35 Millionen Grundstücke neu bewertet werden müssen. Zugleich fehlen aber noch für die meisten Grundstücke die notwendigen Datengrundlagen, um eine solche Neubewertung durchzuführen. Diese Daten fehlen entweder gänzlich, sind völlig veraltet oder liegen nur in Papierform vor. Das gilt selbst für Basisdaten wie die dem Grundstück zuzuordnenden Flurstücks-Nummern, die Größen und Nutzungsarten der Grundstücke oder die Baujahre der Gebäude.

Eine Neubewertung aller Grundstücke kann zudem nur mit einem hohen Grad an Automationsunterstützung gelingen. Bisher existiert in den Finanzämtern aber keine geeignete IT-Infrastruktur für eine solche weitgehend automationsgestützte Veranlagung zukünftiger Grundsteuer-Erklärungen. Zeitaufwendig ist insbesondere die für eine Automation stets notwendige Verknüpfung der Datenverarbeitungsprozesse von Finanzämtern, kommunalen Steuerämtern, Bauverwaltungen, Katasterverwaltungen und Gutachterausschüssen.

Schneller Reformstart notwendig

Eine Gesetzesreform der bewertungsrechtlichen Grundlagen der Grundsteuer duldet daher keinen Aufschub.

Der Reformprozess startet nicht am Nullpunkt. Auf Drängen der Kommunen hatte der Bundesrat bereits im November 2016 mit breiter Mehrheit ein Gesetzespaket für eine Grundsteuer-Reform (= Bundesratsmodell) auf den Weg gebracht. Dieser Regelungsvorschlag der Länder wurde auch von den kommunalen Spitzenverbänden unterstützt. Das Gesetzgebungsverfahren konnte jedoch in der vergangenen Legislaturperiode des Bundes nicht mehr zum Abschluss gebracht werden. Es ist der Diskontinuität unterfallen. Das Gesetzespaket könnte aber sofort wieder reaktiviert werden. Mit Blick auf den Zeitbedarf einer Reform erscheint ein solcher Schritt sogar notwendig. Ob allerdings der Bund oder die Länder noch vor der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts aktiv werden, bleibt offen.

Kompensationsmittel sind bereitzuhalten

Auch bei größten Reformanstrengungen auf Seiten der Gesetzgebung und der Finanzverwaltung ist zu befürchten, dass es zumindest temporär zu Einnahmen-Ausfällen bei der Grundsteuer kommt. Ein Steuereinbruch von 14 Milliarden Euro jährlich würde die Kommunen vor eine Finanzkrise riesigen Ausmaßes stellen. Einen derart großen Einnahmen-Ausfall könnten die Kommunen keinesfalls aus eigener Kraft bewältigen. Deshalb werden Bund und Länder mit Kompensationsmitteln einspringen müssen. Beide Ebenen stehen gemeinsam in der Pflicht, die finanziellen Folgen des ebenfalls gemeinsam zu verantwortenden Reformstaus bei der Grundsteuer aufzufangen.

Diese Zukunftsperspektive verursacht allerdings schon heute eine große Planungsunsicherheit. Alle Investitionen und längerfristigen Finanzierungszusagen der Kommunen müssen gegenwärtig auf den Prüfstand gestellt werden. Deshalb müssen sich Bund und Länder schnell positionieren, wie eine Kompensation erfolgen soll. Es ist daher zu begrüßen, dass sich die Koalitionspartner für die 19. Legislaturperiode darauf verständigt haben, die kommunalen Steuerquellen zu sichern und die Grundsteuer als unverzichtbare Einnahmequelle der Kommunen unter Beibehaltung des kommunalen Hebesatzrechts neu zu regeln. Das muss jetzt zügig umgesetzt werden.

Bundesratsmodell umsetzen

Vorschläge und Verprobungen für neue Grundsteuer-Reformmodelle gab es in den letzten Jahren viele. Als potenziell mehrheitsfähig und administrativ umsetzbar haben sich aber nur Modelle erwiesen, die eine wertorientierte Bemessungsgrundlage mit einem hohen Pauschalierungsgrad bei der Gebäudebewertung kombiniert haben.

Das Bundesratsmodell aus dem Jahr 2016 bewegt sich konsequent innerhalb der beiden Leitplanken: Für die Grundsteuer B (Grundstücke) ist vorgesehen, dass der Grund und Boden strikt wertorientiert anhand der Bodenrichtwerte der kommunalen Gutachterausschüsse bewertet wird. Die Gebäude werden ebenfalls wertorientiert – aber hochgradig pauschaliert – mit den durchschnittlichen Herstellungskosten des entsprechenden Gebäudetyps bewertet, und zwar nur in Abhängigkeit von Baujahr und Nutzungsart (= Kostenwert). Im Kern handelt es sich um ein pauschaliertes Sachwertverfahren. Reformbedingte Belastungsverschiebungen zwischen Grundstücksarten werden durch Gewichtungsfaktoren (= Messzahlen) abgemildert, soweit diese zu Mehrbelastungen für Wohngrundstücke führen. Bei der Grundsteuer A (Land- und forstwirtschaftliche Betriebe) wird dagegen wie bisher ein vereinfachtes Ertragswertverfahren zugrunde gelegt. Außerdem sind sich Bund, Länder und Kommunen einig, dass die Reform aufkommensneutral ausgestaltet werden soll.

Die bisherige Verwaltungsstruktur bei der Grundsteuer bleibt erhalten. Die Finanzämter sind weiterhin für die Bewertung der Grundstücke zuständig und setzen die Grundsteuer-Messbeträge fest. Die Gemeinden bestimmen weiterhin selbst über ihren individuellen Hebesatz und bleiben für Festsetzung und Erhebung der Steuer zuständig. Einzige Neuerung wäre, dass die Länder innerhalb bestimmter Bandbreiten von den bundesgesetzlich geregelten Steuermesszahlen abweichen dürfen (= Öffnungsklausel).

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte «Grundsteuer C», also die Möglichkeit, bei unbebauten, aber baureifen Grundstücken einen erhöhten Hebesatz anzuwenden, lässt sich in das Bundesratsmodell integrieren. Der Deutsche Städtetag hat diese Ergänzung des kommunalen Hebesatzrechts ausdrücklich begrüßt.

Mit diesen Eckpunkten ist das Modell langfristig fortschreibungsfähig und verfassungsrechtlich gut abgesichert.

Neue Modelldebatten vermeiden

Daher gibt es auch keinen Bedarf mehr für neue Modelldebatten. Innerhalb der genannten Leitplanken stellt der Pauschalierungsgrad bei der Gebäudebewertung ohnehin die einzige Stellschraube dar. Durch eine noch stärkere bzw. geringere Pauschalierung lassen sich jedoch kaum Verbesserungen bei der Qualität der Bewertungsergebnisse, dem Verwaltungsaufwand oder dem Zeitbedarf erzielen. Daher würde eine neue Debatte den Reformstart nur weiter hinauszögern.

Erfolgsaussichten bleiben ungewiss

Trotz des dringlichen Handlungsbedarfs lassen sich die Erfolgsaussichten des Reformprojektes derzeit schwer beurteilen. Für die Städte ist aber eine zeitnahe Neuregelung mehr als erforderlich. Die Grundsteuer muss zukunftsfest ausgestaltet werden. Ein auch nur temporärer Ausfall dieser bedeutenden Einnahmequelle ist nicht verkraftbar und muss durch Bund und Länder kompensiert werden.

 

 

Verena Göppert

Deutscher Städtetag, Ständige Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers und Beigeordnete für Finanzen
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