15.03.2018

Trügerische Sicherheit – Die hohen Hürden der Rechtsprechung im Disziplinarrecht

Beamte können aus ihrem Dienst- und Treueverhältnis entfernt werden

Trügerische Sicherheit – Die hohen Hürden der Rechtsprechung im Disziplinarrecht

Beamte können aus ihrem Dienst- und Treueverhältnis entfernt werden

Beamtinnen und Beamte stehen zu ihrem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. | © nmann77 - stock.adobe.com
Beamtinnen und Beamte stehen zu ihrem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. | © nmann77 - stock.adobe.com

»Einmal beim Daimler – immer beim Daimler« – Was in der freien Wirtschaft nicht selten die Ausnahme ist, ist für Staatsdiener die Regel: Das Eingehen eines eheähnlichen Beschäftigungsverhältnisses, das auf Lebenszeit angelegt ist. Mit der Ernennung zum Beamten wird ein komfortabler Schirm an Leistungen aufgespannt: eine sichere Stelle mit Besitzstandsgarantien, pünktliche Gehaltszahlungen nebst Sonderleistungen, hohe Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung, eine unbegrenzte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder eine gegenüber den Sozialversicherungsleistungen exorbitant umfangreichere Altersvorsorge. Wenn auch der Leistungsgedanke im vergangenen Jahrzehnt im öffentlichen Dienst gestärkt wurde, so gilt nach wie vor die sprichwörtliche Prämisse, dass »der Rock des Beamten nicht sehr lange ist, aber sehr gut wärmt.«

Die Kehrseite der Rundum-Verwöhngarantie – Entfernung mittels Disziplinarklage

Diese Rundum-Verwöhngarantie verlangt natürlich eine Gegenleistung. So verpflichten die Beamtengesetze ihre Staatsdiener dazu, ihre ganze Schaffenskraft dem Amtserfolg zu widmen. § 1 BeamtStG formuliert es so: »Beamtinnen und Beamte stehen zu ihrem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis (Beamtenverhältnis).« Diese Pflicht gilt nicht nur dienstlich, sondern auch außerdienstlich. Zwar wurde die früher vertretene These, der Beamte sei immer im Dienst, weitgehend aufgegeben. Dies entbindet ihn aber nicht davon, sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten »mit vollem persönlichen Einsatz« (§ 34 Satz 1 BeamtStG) auf das Wohl des Dienstherrn auszurichten. Sein Verhalten muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die das Amt erfordert (§ 34 Satz 2 BeamtStG). Bestimmte Berufsgruppen genießen ein besonderes berufsbezogenes Vertrauen in der Öffentlichkeit im Sinne einer Garantenstellung (BVerwG, Urteil v. 18.06.2015, 2C 9/14). Nach neuester Rechtsprechung stellt das Bundesverwaltungsgericht in Abkehr von bisherigen Urteilen nun nicht mehr auf die konkrete Funktion des Beamten ab, sondern auf das Statusamt an sich.

Kommt er diesen Pflichten nach, so hat der Dienstherr grundsätzlich keine Kündigungsmöglichkeit, das Instrument der Kündigung ist dem Beamtenrecht völlig fremd. Nur in wenigen Ausnahmefällen kommt eine Entfernung aus dem Dienst in Betracht, beispielsweise bei vorsätzlich unrichtigen Angaben bei der Begründung des Dienstverhältnisses oder der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr. In letzter Zeit hat die obergerichtliche Verwaltungsgerichtsbarkeit diesen ausdrücklich erwähnten Tatbeständen einige verallgemeinerbare Fallgruppen hinzugefügt. Voraussetzung ist für den Ausspruch des schärfsten Schwerts des Disziplinarrechts stets ein verwaltungsgerichtliches Urteil, das der Dienstherr im Rahmen einer Disziplinarklage durchstreiten muss. Nicht selten wird eine Herabstufung zu einer (bloßen) Zurückstufung im Amt oder eine Kürzung der Dienstbezüge vorgenommen (so jüngst das VG Ansbach, Urteil v. 18.07.2016, Az. AN 13b D 16.00620). Dies ist auf das weite Ermessen zurückzuführen, dessen Ausübung eine Wertung der Schwere des Fehlverhaltens erfordert (vgl. § 13 BDG).


Auf erster Stufe haben die Verwaltungsrichter praktisch den Strafrahmen, auf zweiter Stufe das Maß des Strafgerichts und erst auf dritter Stufe die Umstände des Einzelfalls, z. B. die objektiven und subjektiven Handlungsmerkmale oder die Folgen der Tat zu werten (BVerwG, Urteil v. 10.12.2015, Az. 2 C 50.13).

Privates Verhalten als »Scheidungsgrund«

Die höchsten Ansprüche gelten bei der »Zurechnung« privaten Verhaltens, das auf das Beamtenverhältnis übergreift. Zwar ist einsichtig, dass ein Amtsträger in seiner Persönlichkeit über die behördliche Anwesenheit hinaus dem Amt gerecht werden soll. Dennoch stellt die Rechtsprechung fest, dass die Unabhängigkeit der Amtsausübung in unmittelbarer Korrelation zur Sicherheit, die das Dienstverhältnis bietet, steht. In welchen Fällen kann aber dann ein Fehlverhalten privater Natur zu einer gänzlichen und endgültigen Entfernung führen? Voraussetzung für jede disziplinarische Maßnahme ist das Begehen eines Dienstvergehens, namentlich eine schuldhafte Verletzung der Amtspflichten. Ein privates Verhalten kann hierunter nur subsumiert werden, »wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.« (§ 47 Satz 2 BeamtStG).

Für eine Entfernung fordert die Rechtsprechung, dass der Beamte für den Dienstherrn »untragbar« geworden ist. In die ordnungsgemäße Amtsausübung dürfe keinerlei Vertrauen mehr bestehen (BVerwG, Urteil v. 27.02.2014, Az. 2 C 1.13). Bei der Begehung »privater« Straftaten muss hierfür nicht zwingend ein Bezug zum Dienst herstellbar sein. In Fällen des Besitzes und des Tausches kinderpornografischen Materials hat das OVG Weimar jüngst von einem »vollständigen Ansehensverlust« gesprochen (ThürOVG, Urteil v. 08.08.2017, Az. 8 DO 568/16), der prognostisch nicht wettzumachen ist, z. B. auch nicht durch eine psychotherapeutische Behandlung. Auch bei Prostitution und Teilnahme einer öffentlich gestellten »Gang-Bang-Party« einer Beamtin im Gerichtsvollzug war die weitgehenste Rechtsfolge als angemessen angesehen worden (BVerwG, Beschluss v. 11.02.2014, Az. 2 B 37.12). Auch der strafwürdige Umgang mit Betäubungsmitteln oder die Hinterziehung von Steuern kann zum Ausspruch der »Höchststrafe« führen. Während einige Delikte generell als verachtenswert und final schädlich angesehen werden, werden andere Sachverhalte unter Würdigung der konkreten Dienststellung des Beamten beurteilt. Gerade bei Steuerstraftaten von Finanzbeamten oder vorsätzlichen Gewaltdelikten von Polizisten (vgl. BayVGH, Beschluss v. 19.02.2016, Az. 16a DZ 13177) erscheint dies unvermeidbar. In den allermeisten Fällen geht der disziplinarischen Folge eine Ahndung durch die Strafverfolgungsbehörden voraus.

Im Rahmen der Gesamtbeurteilung und Abwägung sind die Disziplinarrichter gehalten, alle Minderungsgründe zugunsten des Beamten zu würdigen. Erforderlich ist eine positive Prognose hinsichtlich der Persönlichkeit. Zugunsten des Beamten sind beispielsweise ein Geständnis, eine geringe Schadenshöhe, ein mögliches einmaliges Fehlverhalten oder eine verminderte Schuldfähigkeit zu werten.

Rechtsfolgen der Entfernung samt beamtenrechtlicher »Nachsorge«

Kommt es zum Ausspruch einer derartigen »Strafe«, verliert der Beamte alle Rechte, die mit dem Dienstverhältnis verbunden sind. Die Gehaltszahlungen werden mit Ende des Monats eingestellt, in dem das Disziplinarurteil rechtskräftig wird (was konsequent ist, denn bei Beamten erfolgt die Überweisung der Bezüge Ende des vorangegangenen Monats für den kommenden Monat). Dies gilt für alle Ämter, die er bei Ausspruch des Urteils innehat. Dem Beamten ist es dann verwehrt, zukünftig die Amtstitel zu tragen. Auf Lebenszeit wird es ihm ohne weitere Anordnung verwehrt sein, ein neues Beamtenverhältnis zu begründen. Die Tür in den öffentlichen Dienst im Übrigen ist ebenso nahezu geschlossen, nachdem ein entsprechendes Beschäftigungsverhältnis nicht begründet werden soll.

Das Disziplinarrecht sieht sogar Umstände vor, die dem Beamten den Übertritt in das »Zivilleben« erleichtern sollen. Für die Dauer von sechs Monaten erhält der Entfernte 50 % seiner letzten Dienstbezüge, jedenfalls solange diese Bevorteilung nicht unwürdig wäre oder der Beamte ohnehin nicht bedürftig ist. Die Frist kann sogar um weitere sechs Monate verlängert werden. Tatbestandsmäßig ist dies keine Frage der Verhältnismäßigkeit, sondern Ausdruck einer beamtenrechtlichen »Nachsorge«, die selbst dem eben in öffentlicher Verhandlung verschmähten Beamten zu Teil werden soll. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geht über das Beamtenverhältnis hinaus und soll dem Betroffenen nach dem Ausscheiden ein wirtschaftliches Weiterleben, zumindest für eine gewisse Zeit, ermöglichen.

Möglichkeiten und Grenzen vorläufigen Handelns

Eine lange Verfahrensdauer lässt sich durch vorläufige Maßnahmen überbrücken. Gerade bei schwerem Fehlverhalten, das wahrscheinlich zu einer Beendigung des Beamtenverhältnisses führen wird, kann eine vorläufige Entlassung aus dem Dienst mittels Verfügung der Beschäftigungsbehörde ausgesprochen werden (§ 38 BDG). Dies setzt voraus, dass eine Beeinträchtigung der Amtstätigkeit oder eine wesentliche Beeinträchtigung der Ermittlungen zu befürchten ist und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt bleibt.

Konkret ermittelt die Kammer, ob nach dem Kenntnisstand im Eilverfahren die Möglichkeit einer Entfernung aus dem Dienst überwiegend wahrscheinlich ist (VG Ansbach, Beschluss v. 23.06.2016, Az. AN 13 b DS 16.00859). Diesen Anforderungen wird Genüge getan, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass das Dienstvergehen schuldhaft begangen wurde (VG Wiesbaden, Urteil v. 29.07.2015, Az. 28 K 148/13 WI.D.). Schließlich muss feststehen, dass das Dienstvergehen für eine Entfernung aus dem Dienst ausreichen wird.

Gleichzeitig ist eine Kürzung der Dienstbezüge um bis zu 50 % denkbar, wenn eine Entfernung droht (in einem Fall des OVG Weimar jüngst 50 %, ThürOVG, Urteil v. 08.08.2017, Az. 8 DO 568/16). Für den Dienstherrn stellt das ein Risiko dar. Endet das Verfahren anders als mit der Entlassung, so droht die Nachzahlung der einbehaltenen Bezüge.

Zusammenfassung

Festzuhalten ist, dass im Beamtenverhältnis die Begehung von Straftaten für die Täter äußerst risikoreich ist, unabhängig davon, ob das Fehlverhalten einen Bezug zum Dienst hat oder nicht. Die Sicherheit des Beamtenverhältnisses kennt dort Grenzen, wo der Beamte selbst Straftaten begeht, sich also gegen die Rechtsordnung stellt, deren Wahrung und Beachtung er geschworen hat (§ 38 BeamtStG). Dies gilt aber nur, wenn damit ein endgültiger Vertrauensverlust in die ordnungsgemäße Amtsausübung einhergeht. Die Disziplinarkammern und -senate haben dies in einer Gesamtabwägung, auch unter Berücksichtigung von Milderungsgründen, im Einzelfall zu würdigen. Dass im Gegensatz zu anderen disziplinarischen Maßnahmen nur Richter die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis anordnen können, zeigt die hohe Hürde, die der Gesetzgeber gesetzt hat, um das «Lebenszeitverhältnis» aufzulösen. Die Verwaltungsrechtsprechung hat hierzu in jüngster Zeit klare Vorgaben gemacht, die für alle Beamten eine Warnung sein sollten.

 

Prof. Dr. Matthias Werner Schneider

Fachhochschule Schmalkalden
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