06.02.2017

Wann ist Unterstützung europarechtskonform?

Beihilferechtliche Fragen rund um die Finanzierung von Messe- und Kongresszentren sind in den Fokus der Europäischen Kommission gerückt.

Wann ist Unterstützung europarechtskonform?

Beihilferechtliche Fragen rund um die Finanzierung von Messe- und Kongresszentren sind in den Fokus der Europäischen Kommission gerückt.

Die Finanzierung von Messe- und Kongresszentren muss europarechtskonform sein. | © Pixelot - Fotolia
Die Finanzierung von Messe- und Kongresszentren muss europarechtskonform sein. | © Pixelot - Fotolia

Mehrere Beschlüsse der Europäischen Kommission (Kommission) der jüngeren Vergangenheit (siehe z.B. Katowice, SA.35606 und Vilnius, SA.43206) zeigen, dass beihilferechtliche Fragen rund um die Finanzierung von Messe- und Kongresszentren in den Fokus der Kommission gerückt sind. Städte, Kommunen und Messegesellschaften sollten sich daher verstärkt beihilferechtlich sensibilisieren, um rechtlich auf der sicheren Seite zu stehen. Im besten Falle geschieht dies so frühzeitig, dass ein möglicher Förderansatz ohne staatliches Beihilfeelement und daher mit maximaler Rechtssicherheit verfolgt werden kann. Bei Infrastrukturvorhaben ist dabei sorgfältig zwischen den verschiedenen Ebenen von Beteiligten zu unterscheiden. Etwaige staatliche Beihilfen für solche Vorhaben können der Förderung des Baus (einschließlich Ausbau oder Verbesserung), des Betriebs oder der Nutzung der Infrastruktur zukommen. Dieser Artikel bietet eine erste Hilfestellung bei der Beurteilung, ob und wann Maßnahmen beihilferechtlich relevant sind und wie sie entsprechend beihilferechtskonform gestaltet werden können.

Voraussetzungen einer staatlichen Beihilfe

Das Beihilfeverbot ist in Art. 107 Abs. 1 AEUV geregelt. Eine Maßnahme fällt hierunter, wenn sie kumulativ folgende Tatbestandsmerkmale erfüllt (EuGH, C-279/08 P, Rn. 61 – Kommission / Niederlande):

  • Ein Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts ist der Zuwendungsempfänger.
  • Die Zuwendung wird aus oder mit staatlichen Mitteln gewährt.
  • Der Zuwendungsempfänger erhält hierdurch einen wirtschaftlichen Vorteil („Begünstigung“).
  • Die Zuwendung kommt nur ausgewählten Unternehmen oder Produktionszweigen zugute („Selektivität“).
  • Die Zuwendung verfälscht den Wettbewerb oder droht ihn zu verfälschen und der Handel zwischen den Mitgliedstaaten wird durch die Zuwendung beeinträchtigt.

Im Regelfall muss jede Beihilfe vor Gewährung durch die Kommission genehmigt werden (vgl. Art. 108 Abs. 3 AEUV, sog. Notifizierungsgebot). Vertritt die Kommission die Auffassung, es handele sich um eine illegale Beihilfe, dann leitet sie ein förmliches Prüfverfahren ein. Stellt sich heraus, dass die Beihilfe nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, so muss diese grundsätzlich zurückgefordert werden.


Wie kann die Finanzierung von Messe- und Kongresszentren strukturiert werden? – Beihilferechtlich zulässige Optionen

Bei staatlichen Zuwendungen im Messe- und Kongressbereich ist zunächst zu klären, ob aufgrund der allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen einer staatlichen Beihilfe das Vorliegen derselben ausgeschlossen werden kann. Daneben kann auch das jeweils gewählte Finanzierungsinstrument eine beihilfefreie Ausgestaltung ermöglichen. In der Beschlusspraxis der Kommission noch nicht geklärt worden ist die Frage, inwiefern Messe- und Kongresszentren sog. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) erbringen (s.u. 5.).

  1. Messe- und Kongresszentren sind in aller Regel „Unternehmen“

Wenig Gestaltungsspielraum bietet im Regelfall das sehr weite Tatbestandsmerkmal des „Unternehmens“ als Zuwendungsempfänger. Ein Unternehmen im Sinne des Beihilferechts ist jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung, unabhängig von der Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (EuGH, C-180/98 bis C-184/98, Rn. 74 – Pavlov u.a.). „Unternehmen“ können daher auch der auf einem Markt tätige Staat (Bund, Länder, Kommunen), öffentliche oder gemeinnützige Einrichtungen, öffentliche Unternehmen sowie Regie- und Eigenbetriebe sein. Sowohl staatliche als auch private Messe- und Kongressgesellschaften werden demnach regelmäßig dem Unternehmensbegriff unterfallen. Selbiges gilt für staatliche Zweckgesellschaften, wie z.B. städtische Tochter- und Beteiligungsgesellschaften für die Planung und Realisierung von Bauvorhaben. Denn seit dem Urteil Leipzig/Halle des Europäischen Gerichtshofs wird bereits der Bau und Betrieb wirtschaftlich genutzter Infrastruktur wie Messe- und Kongresszentren als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen.

  1. Wird ein beihilferechtlich relevanter Vorteil gewährt?

Auch die Hürde, um das Tatbestandsmerkmal der Vorteilsgewährung auszuschließen, liegt bei der Finanzierung im Messe- und Kongressbereich regelmäßig hoch. Entscheidend für die Frage der Vorteilsgewährung ist nämlich, ob eine wirtschaftliche Transaktion der öffentlichen Hand zu marktüblichen Bedingungen durchgeführt wurde (EuGH, C-39/94, Rn. 60 und 61 –  SFEI u.a.). Solange sich der Staat wie ein marktwirtschaftlich handelnder privater Wirtschaftsbeteiligter von vergleichbarer Größe in ähnlicher Lage verhält, gewährt er keinen Vorteil („Private Investor Test”, siehe u.a. EuGH, C-305/89, Rn. 19 – Alfa Romeo). Bei dem Vergleich sind demnach aus der ex ante-Perspektive des Staates nur solche Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen, die mit seiner Rolle als Wirtschaftsbeteiligter zusammenhängen, nicht hingegen solche, die an seine Rolle als Träger öffentlicher Gewalt knüpfen (Bekanntmachung der Kommission (2016/C 262/01) „Mitteilung zum Beihilfebegriff“, Rn. 77). Je nach Art und Ausgestaltung der Transaktion ist jedoch das Bestehen des Private Investor Tests auch bei der staatlichen Förderung von Messe- und Kongresszentren nicht ausgeschlossen. So kann z.B. bei der Vergabe von Konzessionen oder Miet- und Pachtverträgen sowie bei Grundstückstransaktionen eine Vorteilsgewährung regelmäßig dann ausgeschlossen werden, wenn ein wettbewerbliches, transparentes, diskriminierungsfreies und bedingungsfreies Ausschreibungsverfahren durchgeführt wird. Selbiges gilt für eine Vorteilsgewährung für die Endnutzer einer Infrastruktur, wenn die Nutzungsgebühren im Wege eines entsprechenden Ausschreibungsverfahrens ermittelt wurden. Hilfsweise können auch ein Benchmarking- oder allgemeines Standardbewertungsverfahren den Nachweis bezüglich der Marktkonformität einer Transaktion erbringen.

  1. Wann liegen Auswirkungen auf den Wettbewerb und den zwischenstaatlichen Handel vor?

Eine Vorteilsgewährung muss sich dabei auch auf den Wettbewerb und zwischenstaatlichen Handel auswirken. Die Anforderungen an die Tatbestandsmerkmale „Wettbewerbsverfälschung“ und „Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels“ waren nach der ständigen Rechtsprechung bislang sehr gering: Eine Beeinträchtigung wird bereits vermutet, wenn der gewährte Vorteil die Stellung des Empfängers gegenüber Wettbewerbern stärkt (EuGH, C- 494/06 P, Rn. 52 – Kommission / Italien und Wam u.a.).

Von Bedeutung für Messe- und Kongresszentren sind jedoch folgende neuere Entwicklungen: Die Kommission hat angekündigt, dem Merkmal „Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels“ mehr praktische Bedeutung zumessen zu wollen und hat dies durch zahlreiche Beschlüsse entsprechend in die Tat umgesetzt (Kommission, Pressemitteilungen vom 29.04.2015 (IP/15/4889) und vom 21.09.2016 (IP/16/3141)). So können Vorhaben als „rein lokal“ eingestuft werden, wenn sie sich voraussichtlich weder auf Nachfrageseite noch auf Angebotsseite auf den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten auswirken. Beispielhaft nennt die Kommission unter anderem den Bau von lokalen Freizeitanlagen (Mitteilung zum Beihilfebegriff, Rn. 196, 210 ff.). Dies schafft Argumentationsspielräume, soweit beispielsweise rein lokale Veranstaltungen (wie örtliche Schülerschachwettbewerbe) betroffen sind, die ggf. bei der beihilferechtlichen Betrachtung außen vor bleiben („herausgerechnet“)  können.

Neuland betritt die Kommission mit ihrer bislang nicht durch die EU-Rechtsprechung gestützten neuen Sichtweise (Mitteilung zum Beihilfebegriff, Rn. 211), dass beim Bau einer Infrastruktur Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und Wettbewerbsverfälschungen ausgeschlossen sein dürften, wenn eine Infrastruktur in der Regel keinem unmittelbaren Wettbewerb ausgesetzt ist, in dem betreffenden Wirtschaftszweig und dem betreffenden Mitgliedstaat nur marginale private Finanzierungsmittel aufgebracht werden und die Infrastruktur für die Gesellschaft von Nutzen ist. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob diese Auffassung tragfähige Lösungen für Messe- und Kongresszentren bieten kann, da so gut wie alle solche Infrastrukturen, soweit sie eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung haben, jedenfalls potenziell auch am grenzüberschreitenden Wettbewerb um Veranstaltungen etc. teilnehmen dürften.

  1. Ausgewählte Finanzierungsinstrumente

Neben den allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen einer Beihilfe kann auch das jeweils gewählte Finanzierungsinstrument die Möglichkeit einer beihilferechtskonformen Ausgestaltung eröffnen. Bei Kreditgeschäften der öffentlichen Hand, z.B. bei der Messe- und Kongressinfrastrukturfinanzierung, sollte der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten beachtet werden. Denn marktkonforme Kredite erfüllen nicht den Tatbestand einer Beihilfe. Derselbe Maßstab ist bei staatlichen Eigenkapitalzuführungen anzulegen: Solange sich der Staat marktkonform verhält, liegt keine Vorteilsgewährung und damit auch keine Beihilfe vor.

Weiterhin können auch staatliche Garantien wie Bürgschaften und sonstige Haftungsverpflichtungen Beihilfen darstellen (Mitteilung der Kommission (2008/C 155/02, „Bürgschaftsmitteilung“). Eine zentrale Voraussetzung für eine beihilfefreie Garantie ist jedenfalls, dass die Risikoträgerfunktion des Staates durch eine angemessene Prämie vergütet werden muss.

  1. Daseinsvorsorge durch Messe- und Kongresszentren?

Ob Messe- und Kongresszentren sog. DAWI erbringen, hat die Beschlusspraxis der Kommission bislang offengelassen. Je nach Tätigkeitsart und -umfang könnte ein möglicher Argumentationsansatz darin bestehen, dass jedenfalls bestimmte Tätigkeiten als DAWI einzustufen sind. Aufgrund der fehlenden Beschlusspraxis ist hier jedoch auf eine besonders sorgfältige Prüfung und belastbare Nachweise möglicher DAWI-Tätigkeiten zu achten. Eine zu extensive Auslegung, d.h. die Qualifikation überwiegend wirtschaftlicher Tätigkeiten als DAWI, beinhaltet das Risiko, einer beihilferechtlichen Überprüfung nicht standzuhalten.

Ausblick

Eine geplante staatliche Unterstützungsmaßnahme für Messe- und Kongresszentren ist daher unter der genauen Beachtung der dargestellten Voraussetzungen möglichst frühzeitig im Lichte des EU-Beihilferechts zu prüfen und soweit erforderlich beihilferechtskonform zu strukturieren. Sollte eine tatbestandliche Beihilfe vorliegen, dann wäre nach erfolgter Notifizierung bei der Kommission immer noch eine Genehmigung im Rahmen des Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV möglich. Dabei ist jedoch zu beachten, dass für die Vereinbarkeit von Beihilfen entscheidend sein kann, ob es sich um sog. Investitions- oder Betriebsbeihilfen handelt. Die Kommission sieht Betriebsbeihilfen grundsätzlich als eine stärker wettbewerbsverfälschende Art der Beihilfe an und will diese grundsätzlich nur unter außergewöhnlichen Umständen genehmigen. Bei sorgfältiger Strukturierung unter Beachtung und Zuhilfenahme des umfangreichen beihilferechtlichen Instrumentariums bestehen jedoch gute Chancen, im Ergebnis beihilfefreie oder jedenfalls mit dem Binnenmarkt vereinbarte staatliche Zuwendungen für Messe- und Kongresszentren zu gestalten.

 

Sarah Blazek

E.MA, Rechtsanwältin
 

Prof. Dr. Robin van der Hout

Rechtsanwalt / Advocaat, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
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