23.02.2017

Neue Entwicklungen im Polizeirecht: Body-Cams

Kurz- bis mittelfristig weitere umfassende Änderungen des Polizeirechts notwendig

Neue Entwicklungen im Polizeirecht: Body-Cams

Kurz- bis mittelfristig weitere umfassende Änderungen des Polizeirechts notwendig

Polizeivollzugsbedienstete sollen beim Einsatz vor gewalttätigen Angriffen mit Bo-dy-Cams besser geschützt werden. | © animaflora - Fotolia
Polizeivollzugsbedienstete sollen beim Einsatz vor gewalttätigen Angriffen mit Bo-dy-Cams besser geschützt werden. | © animaflora - Fotolia

Die Polizei des Bundes und verschiedener Länder setzt derzeit im Rahmen von Pilotversuchen körpernah getragene Kameras (sog. Body-Cams) ein, um die Zahl von Angriffen auf Einsatzkräfte zu reduzieren. Hierfür bedarf es einer speziellen gesetzlichen Eingriffsbefugnis. Auch im Hinblick auf die Umsetzung der EU-Datenschutzreform (Datenschutz-Richtlinie Polizei/Justiz sowie Datenschutz-Grundverordnung vom 27.04.2016) in das nationale Polizeirecht sind die Gesetzgeber von Bund und Ländern gefordert. Sie haben dabei namentlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Befugnissen des Bundeskriminalamtes nach dem Bundeskriminalamtsgesetz (BKAG) zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus vom 20.04.2016 (BGBl. I 2016, S. 1136) zu berücksichtigen. Die folgenden Ausführungen befassen sich mit dem polizeilichen Einsatz von Body-Cams. In einem Folgebeitrag geht es um die Umsetzung der EU-Datenschutzreform in das nationale Polizei- und Ordnungsrecht. Beide Themen sind Gegenstand eines vertiefenden Aufsatzes, der –  voraussichtlich im Spätfrühjahr 2017 – in den Verwaltungsblättern für Baden-Württemberg (VBlBW) erscheinen wird.

Seit Jahren zunehmende Gewalt gegen Polizeivollzugskräfte

Polizeivollzugs-, Justizbedienstete und Rettungskräfte sehen sich in zunehmendem Maße gewalttätigen Angriffen ausgesetzt. Dieser Entwicklung muss der Staat aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht und im Interesse seiner Funktionsfähigkeit mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Dies geschieht vorzugsweise durch Maßnahmen, die sich unmittelbar auf die Einsatzbedingungen beziehen wie etwa Einsatztrainings, in denen deeskalierende Kommunikationsstrategien sowie der sichere Umgang mit Führungs- und Einsatzmitteln eingeübt werden. Hierzu zählt aber auch eine verbesserte Ausstattung. Zu den neueren Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Polizeivollzugsbediensteten vor gewalttätigen Angriffen gehören von polizeilichen Einsatzkräften sichtbar getragene Body-Cams, die zur Dokumentation des Einsatzgeschehens (Handlungen von Bürgern und Polizeibeamten) mit oder ohne Tonaufzeichnung eingesetzt werden.

Einsatz von Body-Cams – Sachstand

Der Einsatz von Body-Cams ist in Deutschland – außerhalb öffentlicher Versammlungen i. S. d. Art. 8 GG – überwiegend nur in öffentlich zugänglichen Bereichen erlaubt. Lediglich in Nordrhein-Westfalen ist jüngst eine Regelung in Kraft treten, welche den Kameraeinsatz auch in Wohnungen zulässt. Zur Begründung wird ausgeführt, die weitaus größere Notwendigkeit für einen besseren Schutz gegen gewalttätige Übergriffe bestehe bei alltäglichen Einsatzsituationen der Doppelstreifen im Streifendienst (z.B. Wohnungsverweisungen bei häuslicher Gewalt, Randalieren, Ruhestörungen). Teils ist der Kameraeinsatz allgemein bei Maßnahmen zur Gefahrenabwehr oder zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zulässig, so in Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Schleswig-Holstein (auf Bundesebene liegt ein Referentenentwurf vor, der eine entsprechende Regelung für die Bundespolizei vorsieht.). Teils ist er nur unter engeren Voraussetzungen wie etwa bei Durchsuchungen, so in Rheinland-Pfalz, oder in Anhalte- und Kontrollsituationen, so in Bremen, Hessen und Sachsen-Anhalt, statthaft (in Niedersachsen hat die Landesregierung einen Entwurf u. a. zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in den Landtag eingebracht, der u. a. eine vergleichbare Regelung beinhaltet.). Aktuell finden Body-Cams Verwendung im Rahmen von Pilotversuchen in Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und bei der Bundespolizei. In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt sind Erprobungsversuche geplant. Bisherige Erfahrungen vor allem aus Hessen deuten darauf hin, dass Body-Cams ein ergänzendes Einsatzmittel sein können, um die Gewalt gegen die Polizei zu reduzieren.


Pre-Recording

Neben Aufzeichnungen, die erst nach manueller Auslösung gestartet werden, lassen die Regelungen einiger Länder, so Baden-Württembergs, Hessens und des Saarlands auch Vorabaufnahmen (sogenanntes „Pre-Recording“) zu. Für die Bundespolizei ist ebenfalls eine entsprechende Befugnis vorgesehen. Beim Pre-Recording wird mit kurzem zeitlichen Vorlauf die Situation im Vorfeld der Gefahrensituation aufgezeichnet, allerdings automatisch und fortlaufend überschrieben und damit – bspw. nach 60 Sekunden (§ 21 Abs. 8 PolG BW) – unwiederbringlich gelöscht. Eine endgültige Speicherung erfolgt nur bei manueller Aufzeichnungsauslösung. Das Pre-Recording ist gerade unter dem Aspekt der Eigensicherung von Bedeutung, da in der unübersichtlichen Phase, in der eine Standardsituation in eine besondere Gefahrensituation für Leib oder Leben umschlägt, der Beamte vordringlich die Gefahrensituation, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Einsatzes von Zwangsmitteln, zu beurteilen hat.

Body-Cam-Einsatz: Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

Unstreitig stellt der Body-Cam-Einsatz durch die Polizei einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dies gilt auch für das Pre-Recording. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die auf einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage beruhen. Dies betrifft insbesondere die Gesetzgebungskompetenz, die Normenbestimmtheit und Normenklarheit sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da die Rechtsgrundlagen der Länder für den Body-Cam-Einsatz sich teilweise erheblich unterscheiden, kann auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen im Rahmen dieses Beitrags nicht näher eingegangen werden. An dieser Stelle mögen die folgenden Hinweise zur Gesetzgebungskompetenz der Länder genügen.

Die Länder haben nach Art. 70 Abs. 1 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das Polizei- und Ordnungsrecht, soweit die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht als Teil einer bundesgesetzlich geregelten Sachmaterie gesetzlich bestimmt, sondern der alleinige und unmittelbare Gesetzeszweck ist. Die Regelung des Einsatzes von Body-Cams kann auf diese Gesetzgebungskompetenz gestützt werden, da sie nach ihrem Schwerpunkt der Abwehr allgemeiner, nicht spezialgesetzlich geregelter Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung dient. Die mit dem Einsatz von Body-Cams angestrebten präventiven Wirkungen lassen sich nicht erreichen, wenn eine Speicherung der durch die Kameras getätigten Aufnahmen unterbliebe. Dies gilt auch im Hinblick auf das Pre-Recording. Sowohl die Regelungen zum Einsatz körpernah getragener Kameras als auch diejenigen für das verfassungsrechtlich sehr umstrittene Pre-Recording genügen nach Meinung des Verfassers – je nach Ausgestaltung im Einzelnen – den Anforderungen an eine verfassungsmäßige gesetzliche Grundlage zur Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das letzte Wort in dieser Frage werden aber vermutlich die Verfassungsgerichte von Bund und Ländern sprechen.

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob der Einsatz von Body-Cams die in ihn gesetzten hohen Erwartungen erfüllen kann, oder ob und ggf. welche Nachbesserungen geboten sind. So liegt es etwa nahe, dem Beispiel Nordrhein-Westfalens folgend, ihn auch bei polizeilichem Einschreiten gegen häusliche Gewalt zuzulassen. Zu bedenken bleibt auch, dass es sich bei den Kameras nur um einen einzelnen Baustein handeln kann, um der gegen Einsatzkräfte gerichteten Gewalt zu begegnen. Hierzu hat das BMJV mittlerweile den (Referenten-)Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften vorgelegt.

 

Dr. jur. Matthias Strohs

Ministerialrat a.D., Berlin
n/a