15.08.2016

Von Interreg profitieren

Lokale Erfolge durch transnationale Zusammenarbeit

Von Interreg profitieren

Lokale Erfolge durch transnationale Zusammenarbeit

Lokale Erfolge durch transnationale Zusammenarbeit | © Rainer Sturm
Lokale Erfolge durch transnationale Zusammenarbeit | © Rainer Sturm

Kommunen, Verbände, Kammern, Hochschulen und Unternehmen, die auf der Suche nach Fördermöglichkeiten für Vorhaben der Regionalentwicklung sind, sollten momentan Augen und Ohren offen halten: Denn nach einer langen Vorbereitungsphase sind die Förderprogramme der europäischen Strukturfondsperiode 2014 bis 2020 nun in vollem Gange und veröffentlichen regelmäßig Aufrufe zum Einreichen von Projektvorschlägen.

Eine gute Option: Transnationale Zusammenarbeit

Eine Möglichkeit, für europäische Projekte Unterstützung einzuholen, sind die Programme der territorialen Zusammenarbeit, auch bekannt unter der Bezeichnung „Interreg”. Diese werden aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziert und gliedern sich auf in die drei Ausrichtungen der grenzüberschreitenden, der transnationalen und der interregionalen Zusammenarbeit. Der Schwerpunkt der Programme liegt allerdings nicht auf Investitionen – vielmehr geht es darum, länderübergreifend innovative Arbeitsweisen und Strategien zu gemeinsamen Themen und Problemen zu entwickeln. Das hört sich zunächst relativ abstrakt an. Wieso sollten sich öffentliche oder private Einrichtungen bei den Kooperationsprogrammen bewerben? Wie können sie profitieren? Und vor allem: Welche Vorteile hat eine Projektteilnahme für die Bewältigung lokaler Herausforderungen? Dies soll am Beispiel der transnationalen Zusammenarbeit (Interreg B) im Folgenden erläutert werden.

Gemeinsame Herausforderungen auch gemeinsam angehen

Die Folgen des Klimawandels, Umwelt- und Ressourcenschutz, neue Formen und Strukturen der Mobilität, die Energiewende, Daseinsvorsorge in abgelegenen Regionen, unsere älter, bunter und individueller werdende Gesellschaft – dies sind Themen, die alle Regionen in Europa betreffen und die nicht vor Verwaltungs- oder Landesgrenzen Halt machen. Genau hier setzt die transnationale Zusammenarbeit an. Interreg bringt Regionen, Kommunen, öffentliche Dienstleister, Hochschulen, Kammern und Verbände, Organisationen der Wirtschaftsförderung und Unternehmen aus verschiedenen Ländern im Rahmen thematischer Projekte zusammen. Die Projektpartner tauschen sich aus, entwickeln gemeinsam neue Konzepte und Strategien und setzen diese in Pilotvorhaben vor Ort um. Hintergrund ist der Gedanke, dass das Rad nicht ständig neu erfunden werden muss – vielmehr kann man vom Wissen anderer profitieren. Damit werden Entwicklungen und Investitionen angestoßen, von denen Regionen und Institutionen im besten Fall lange über die Projektlaufzeit hinaus profitieren.


Vergleichsweise hohe Förderung

Für die transnationale Zusammenarbeit stehen zwischen 2014 und 2020 insgesamt 1,39 Milliarden Euro zur Verfügung. Deutschland ist an sechs Interreg B-Programmräumen beteiligt (Alpenraum, Donauraum, Mitteleuropa, Nordseeraum, Nordwesteuropa, Ostseeraum). Für jeden dieser Räume gibt es ein eigenes Kooperationsprogramm, das die Themen fördert, die den geografischen, ökonomischen und sozialen Hintergründen seiner Regionen bestmöglich entsprechen. Im Vergleich zur Regionalförderung übernimmt die EU bei den Interreg-Projekten einen erheblichen Anteil der Projektkosten: je nach Programmraum sind es bis zu 85 Prozent. Den Rest muss der jeweilige Partner selber tragen („Kofinanzierung”). Investitionen sind allerdings nur bedingt förderfähig: Denn der Schwerpunkt bei Interreg liegt darauf, gemeinsam Dinge „neu zu denken”. Projekte sollen die Chance eröffnen, innovative, vielversprechende Ideen gemeinsam zu entwickeln und beispielhaft umzusetzen. Auf die Aufrufe zum Einreichen von Projektvorschlägen, die ein bis zweimal pro Jahr in den jeweiligen Programmräumen veröffentlicht werden, bewerben sich die interessierten Institutionen stets in einem transnationalen Partnerverbund, wobei ein Partner die Federführung übernimmt.

Zusätzlich unterstützt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur deutsche Partner, deren Interreg-Projekte von besonderem Bundesinteresse sind, im Rahmen des Bundesprogramms Transnationale Zusammenarbeit. Voraussetzung dafür ist, dass die Projekte mit integrierten Ansätzen der Raumordnung arbeiten. Des Weiteren sollte nicht ein spezieller Themenbereich, sondern die nachhaltige Entwicklung von Regionen im Vordergrund stehen.

Europa als Marke

An einem Interreg-Projekt teilzunehmen bedeutet, ein lokales oder regionales Problem in einen europäischen Gesamtzusammenhang zu stellen. Das Projekt bzw. die EU fungieren somit als eine Art Marke oder Qualitätssiegel für das eigene Anliegen, denn es beweist, dass das Projektthema Relevanz für viele Akteure aus anderen Ländern sowie für die Europäische Union selbst hat. Das zieht eine gesteigerte Aufmerksamkeit auf allen Ebenen nach sich: Zum einen natürlich im eigenen Haus, aber auch auf Landes-, Bundes- und natürlich EU-Ebene. So hat die enge Zusammenarbeit mit den entsprechenden Ministerien ihres Bundeslandes für Projektpartner großes Potenzial: Sind das Projektthema und die zu erwartenden Ergebnisse etwa einem Ministerium selbst ein Anliegen bzw. entsprechen der Landesstrategie, so kommt es nicht selten vor, dass es den Projektpartner bei der Ko- finanzierung unterstützt und das Interreg-Projekt in die Öffentlichkeitsarbeit des eigenen Hauses einbezieht. Nicht zuletzt bedeutet die Interreg-Teilnahme natürlich auch ein gesteigertes Interesse der Medien. Letzten Endes kann die so entstehende Aufmerksamkeit für das Projektthema Entwicklungen beschleunigen und zum Imagegewinn der beteiligten Region oder Institution beitragen.

Blick über den eigenen Tellerrand

Abgesehen von einer gesteigerten Aufmerksamkeit und den beträchtlichen finanziellen Mitteln eröffnet die Teilnahme an Interreg-Projekten auch neue Perspektiven, Kenntnisse und einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus: In einem Projekt arbeiten mehrere Partner aus unterschiedlichen Ländern des Programmraumes in der Regel drei Jahren lang zusammen, diskutieren miteinander, erhalten eine neue Sicht auf eigene Probleme, lernen sich und die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort kennen, profitieren von Fachwissen und Erfahrungen der anderen. Dadurch wird „Europa gelebt”. Die Teilnehmer gewinnen Einblick – und damit auch Verständnis und Toleranz – für andere Länder und ihre Strukturen. Gerade angesichts einer in letzter Zeit spürbaren Europaskepsis ist dieser Aspekt wichtiger denn je. Zudem schweißt die jahrelange enge Zusammenarbeit die Projektbeteiligten auf fachlicher Ebene zusammen. So entstehen dauerhafte internationale Netzwerke, die in den meisten Fällen auch über die Projektlaufzeit hinaus Bestand haben.

Engagement lohnt sich!

Natürlich soll nicht verschwiegen werden, dass die Teilnahme an einem Interreg-Projekt auch mühsam sein kann und Nerven kostet. Sie erfordert Ausdauer, personelle Ressourcen, die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und zu lernen, genauso wie Engagement. Gerade was die Verwaltung und Budgetabwicklung der Projekte betrifft, müssen sich Neulinge erst eine gewisse Routine aneignen. Doch der Aufwand lohnt sich: Interreg-Projekte verbessern die Regionalentwicklung und leisten einen wichtigen Beitrag zum sozialen und territorialen Zusammenhalt sowie zum gegenseitigen Verständnis in Europa.

Interreg konkret – Projektbeispiele aus der aktuellen Förderperiode

SEMPRE: Soziale Dienstleistungen im ländlichen Raum vorbessern – das hat sich das Diakonische Werk Schleswig-Holstein mit dem Projekt SEMPRE zum Ziel gesetzt.

Ländliche Regionen sind oft geprägt von einer geringen Bevölkerungsdichte und einer schlechten Nahverkehrs-Anbindung. Gerade für Langzeitarbeitslose, ältere Menschen oder Migranten wächst dadurch die Gefahr der sozialen Ausgrenzung. Um dem entgegenzuwirken, möchte das Diakonische Werk Angebote wie Fahr- und Pflegedienste gemeinsam mit sozial Benachteiligten entwickeln. Schließlich wissen diese am besten, welche Dienstleistungen ihrer Lebenssituation optimal entsprechen. Mithilfe der Vorlauf- finanzierung aus dem Bundesprogramm konnte das Diakonische Werk SEMPRE entwickeln. Auch an der Kofinanzierung des Projektes beteiligt sich der Bund. Gemeinsam mit 15 transnationalen Partnern wird das Diakonische Werk das Projekt bis 2018 im Ostseeraum umsetzen.

BEA-APP: Bei „Baltic Energy Areas – A Planning Perspective” geht es um die raumplanerischen Herausforderungen der Energiewende.

Federführend ist das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern. Es erhält eine Kofinanzierung aus dem Bundesprogramm Transnationale Zusammenarbeit. Damit die Klimaschutz-Ziele erreicht werden können, müssen in der Ostseeregion zusätzliche Flächen für Wind- und Bioenergieeinheiten oder Photovoltaikanlagen ausgewiesen werden. Es gilt, geeignete Areale auszuwählen und Kompromisse für konkurrierende Nutzungsansprüche zu finden. Dafür fehlen Planungsinstrumente und Informationen. Zugleich sind Raumplaner oft mit lokalem Widerstand gegenüber Erneuerbare-Energie-Projekten konfrontiert. Die transnationalen Projektpartner setzen BEA-APP im Rahmen des Interreg-Ostsee-Programms um. Ziel ist eine verbesserte Regional- und Energieplanung.

Hinweis der Redaktion: Informationen rund um die transnationale Zusammenarbeit, zu Projektaufrufen sowie zur Bundesförderung für Interreg-Projekte finden Sie unter www.interreg.de

Brigitte Ahlke

Brigitte Ahlke

Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung, Referat I 3 „Europäische Raum und Stadtentwicklung“, Bonn
Jens Kurnol

Jens Kurnol

Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung, Referat I 3 „Europäische Raum und Stadtentwicklung”, Bonn
n/a