15.08.2016

Anwerbungsversuche in Flüchtlingsheimen

Geflüchtete Menschen im Visier von Islamisten und kriminellen Clans

Anwerbungsversuche in Flüchtlingsheimen

Geflüchtete Menschen im Visier von Islamisten und kriminellen Clans

Alternativtext
Geflüchtete Menschen stellen eine Zielgruppe für islamistische und kriminelle Interessen dar. | © Jonathan Stutz - Fotolia

In den ersten Wochen und Monaten der Flüchtlingskrise wurde eine beispiellose Hilfsbereitschaft in Flüchtlingsunterkünften in den Medien gelobt und auch mit positiver Überraschung aufgenommen. Allerdings verloren Träger der Unterkünfte in dem anfänglichen Chaos schnell den Überblick. Diese Situation nutzen Salafisten für sich aus, um unter den Flüchtlingen neue Anhänger zu gewinnen. Doch auch andere muslimische Gemeinden und ebenso kriminelle Akteure arabischer Clans engagieren sich in besorgniserregender Art und Weise.

Muslimische Seelsorger und Dolmetscher

Schon lange ist bekannt, dass die Unkenntnis über islamische Religionsgemeinden und eine falschverstandene Toleranz zu jahrelanger Rekrutierung in deutschen Gefängnissen durch islamistische „Seelsorger” geführt hat. Bekannte Salafisten, wie beispielsweise der frühere, verurteilte Linksterrorist Bernhard Falk (er nennt sich nun Muntasir bi-llah), betreiben diese Seelsorge. Viele Gefängnisse haben, vor allem in der Vergangenheit, solche Personen nicht überprüft, sondern waren dankbar für das Angebot für muslimische Häftlinge. Obwohl dies mittlerweile kritischer hinterfragt wird, sind auch hauptamtliche Helfer in den Aufnahmelagern regelmäßig nicht gut genug informiert. So kam es in mehreren Erstaufnahmelagern dazu, dass dort salafistische Anhänger nicht nur Gebetsteppiche, Korane und insbesondere für Frauen „islamisch konforme” Bekleidung abgeben konnten, sondern dass sie selbst in die Lager eintreten und mit den Menschen dort sprechen durften. In anderen Lagern postierten sie sich vor den Eingängen, nahmen dort das Gespräch mit den geflüchteten Menschen auf und verteilten auch an sie ihre Geschenke und Kontaktdaten. In Darmstadt haben sich ausgehend von der salafistischen Al-Rahma-Gemeinde mehrere Hilfsvereine gegründet, die in der Innenstadt mit Hilfe von zum Beispiel Essensständen an den Wochenenden Spenden für Flüchtlinge sammeln dürfen. Bevor die Strukturen bekannt waren, wurden sie sogar durch die Stadt gefördert.

Doch auch Mitglieder arabischer Großclans, die vor allem durch multiple Kriminalität auffallen, engagieren sich als Dolmetscher in den Einrichtungen. Die Problematik wurde publik, nachdem das Mitglied eines solchen Clans, der Syrer Lukman L. als Dolmetscher Flüchtlingen für Geld den Aufenthalt in Berlin versprochen und dafür sogar Mitarbeiter des Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) bestochen haben soll. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Vorteilsgewährung. Weiterhin wurde bekannt, dass das LaGeSo mehrere Clanmitglieder mit diversen Vorstrafen sogar entgeltlich beschäftigt hat. Staatsanwälte und der Bund Deutscher Kriminalbeamter forderten Sozialbehörden und Träger der Unterkünfte auf, Dolmetscher besser zu überprüfen und zumindest ein Führungszeugnis anzufordern.


Zwielichtige Haltung islamischer Religionsgemeinden

Es sind nicht nur Salafisten, die unter den Flüchtlingen neue Anhänger suchen. Auch andere islamische Verbände sehen in der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik eine Chance, neue Mitglieder zu finden. Dabei handelt es sich regelmäßig um konservative Sunniten, sowohl türkische und arabische einerseits, als auch Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ). Letztere sind eine sunnitische Reformbewegung und gelten als in der pakistanischen Heimat durch andere Sunniten verfolgt, weswegen sie aufgrund der Gemeindezugehörigkeit ein Anrecht auf Asyl besitzen. Genau damit werben sie unter den Flüchtlingen, dies allerdings schon seit Jahren und nicht erst im Zuge der gegenwärtigen Flüchtlingskrise. Aufgrund dieser Praxis wurden sie bereits im Jahr 2014 heftig kritisiert. Unbenommen dessen, dass sie im Land Hessen körperschaftsrechtlichen Status besitzen und den Religionsunterricht an staatlichen Schulen mitbestimmen, stehen sie regelmäßig in der Kritik, weil jedes Mitglied – auch Bezieher sozialer Leistungen (nach dem AsylG, dem SGB II, o.a.) – ca. ein Drittel seines Geldes der Gemeinde geben müsse. Sie gelten unter den übrigen Muslimen als Sektierer mit Eroberungsbestrebungen. Zudem besitzt die streng hierarchisch organisierte Gemeinde ein Frauenbild, das Frauen die freie Partnerwahl verweigert, sie mindestens aber einschränkt. Stattdessen, so die Kritik, herrschten in den Gemeinden arrangierte Ehen und Kontrolle bis in die Privatsphäre (z. B. Wahl von Ausbildung/Studium) vor.

Auch die in Deutschland etablierte DITIB, die über 900 Moscheen in Deutschland unterhält, wirbt um neue Anhänger. Aus der Gemeinde sind konservative Muslima in einigen Lagern aufgefallen, die Frauen erklärten, dass die Bedeckung des Kopfes durch das Tuch (Hijab) und die Verhüllung des Körpers durch einen Mantel sie vor körperlichen Übergriffen schütze, denn sonst würden sie die Männer selbst anlocken. Solche Ansichten besitzen aktuelle Konjunktur in Deutschland. Der Freiburger Religionswissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi übt Kritik, denn DITIB vertrete ein Religionsverständnis, das vom Islam des 7. Jahrhunderts geprägt sei, also genau wie jenes der Salafisten oder der Muslimbrüder. Somit fischten sie am islamistischen Rand. Entsprechende Berührungspunkte existieren zu Themen wie Gewalt, Sexualität, sowie eben auch die Stellung von Mann/Frau. Gerade in Hinblick auf den Schutz von Frauen, gleich welcher Religion in diesen Lagern, muss also auch diese Art der Beeinflussung unterbunden werden.

Gegeninitiativen

Die Landesämter für Verfassungsschutz in Bayern und Nordrhein-Westfalen versuchten mit Broschüren und Flyern über salafistische Anwerbung aufzuklären. Die Salafisten stört das bislang wenig in ihren Aktivitäten. Haupt- und ehrenamtliche Helfer sind meist noch immer viel zu wenig über bedenkliche Inhalte islamisch-fundamentaler Ideologien aufgeklärt; zudem wollen sie nicht als intolerant oder gar islamophob stigmatisiert werden. In Hessen wurden nach offiziellen Angaben des Innenministeriums 39 Fälle von konkreten Anwerbeversuchen in Flüchtlingslagern erfasst. Die Polizei versucht nun entsprechend trotz knapper Personenressourcen weiter in die Präventionsarbeit einzusteigen und die Aufklärung nicht alleine Vereinigungen und Initiativen zu überlassen. In Südhessen beispielsweise spricht ein Polizist mit iranischen Wurzeln gezielt auf Informationsveranstaltungen über seine Fluchterfahrungen nach Deutschland und informiert über Rechte und Pflichten. Inwiefern dies von den Menschen angenommen werden kann, insbesondere, wenn sie aus anderen islamischen Regimen stammen und eine andere muslimische Konvention besitzen, bleibt abzuwarten. Sicher ist es ein guter Schritt, da sie die Geflüchteten in einen anderen Kontext mit der Polizei bringt, als sie ihn, auch aus ihrer Heimat her, kennen.

Fazit

Laut einer neuen Schätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat sich die Zahl der radikalen Salafisten in Deutschland in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Die Bestrebungen gehen weiter und nehmen auch Einfluss auf andere islamische Vereine, die sich ebenso religionstreu präsentieren wollen. Gerade unter den muslimischen Flüchtlingen versuchen nun mehrere fundamentalistische Strömungen weitere Anhänger zu rekrutieren. Und tatsächlich finden sie unter diesen diverse Personen, die die Auffassungen teilen. Ca. 75 % der 2015 angekommen Flüchtlinge sind Muslime, überwiegend Sunniten. Viele von ihnen stammen aus Regimen und Clanstrukturen, in denen Islam und Stammesrecht Gesetzesgültigkeit besitzen. Gerade sie sind anfällig für solche Ideologien, die das Aufnahmeland zum Feind erklären. Und auch kriminelle Strukturen arabischer Großclans in Deutschland sehen in den Flüchtlingen eine Chance zur weiteren Expansion. Entsprechend wichtig ist die Kon- trolle der Aufnahmelager und deren Mitarbeiter.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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