15.08.2016

„Neuschwanstein” schutzwürdig

EuG ermöglicht Markenschutz zur Finanzierung von Kulturgut

„Neuschwanstein” schutzwürdig

EuG ermöglicht Markenschutz zur Finanzierung von Kulturgut

Das EuG-Urteil zum Markenschutz „Neuschwanstein” kommt Eigentümern von Sehenswürdigkeiten entgegen. | © JFL Photography - Fotolia
Das EuG-Urteil zum Markenschutz „Neuschwanstein” kommt Eigentümern von Sehenswürdigkeiten entgegen. | © JFL Photography - Fotolia

Der Bau von Schloss Neuschwanstein hat einst seinen Erbauer König Ludwig II. in den finanziellen Ruin und damit in die Arme Bismarcks getrieben. Heute ist es für das bayerische Tourismusgewerbe eine lukrative Quelle. Da erscheint es nur gerecht, wenn der Freistaat Bayern als Unterhaltspflichtiger am Gebrauch des Namens „Neuschwanstein” partizipieren will.

Die Entscheidung des BPatG (Beschl. v. 04. 02. 2011, 25 W [pat] 182/09; besprochen in BayVBl 2011, 756), die dem Wort „Neuschwanstein” Markenschutz generell versagt hat, hätte dies unmöglich gemacht.

Keinen Markenschutz gewährte das BPatG insbesondere, soweit entsprechende Bezeichnungen für das Reiseziel oder die Lage eines Restaurants etc. beschreibend wirken. Weder das EuG noch der BGH hatten über die Dienstleistungen der Klassen 39 (Reiseveranstaltungen) und 43 (Verpflegung und Beherbergung) zu entscheiden, sodass diese Schutzversagung rechtskräftig wurde.


Kein Ausschluss von Kulturgut vom Markenschutz

Weitergehende Vermarktungschancen hat aber die Rechtsbeschwerde-Entscheidung des BGH (BGH, GRUR 2012, 1044) zu „Neuschwanstein” eröffnet. Dabei verwarf der BGH die noch vom BPatG vertretene Meinung, es bestehe im Allgemeinin-teresse an der Bewahrung kultureller Zeichen ein umfassendes originäres Eintragungshindernis oder ein zur öffentlichen Ordnung (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG) gehörender Grundsatz, wonach Kulturgüter nicht als Marke benutzt werden dürften.

Das heißt aber auch: Niemand kann sich mehr darauf verlassen, dass ihm Namen von Schlössern und anderen Denkmälern, Wahrzeichen etc. als „gemeinfrei” schrankenlos zur Verfügung stehen. Um nicht von anderen behindert zu werden, gilt es also, selbst rechtzeitig tätig zu werden und eine Marke anzumelden, bevor dies ein anderer tut.

Dabei stellt sich die Frage, für welche Waren und Dienstleistungen Markenschutz möglich ist. Hier ist dem Anmelder nicht zur Selbstbeschränkung zu raten, weil womöglich ein anderer mutiger ist und die vermeintlich schutzunfähige Marke dann auch für Waren und Dienstleistungen eingetragen bekommt, die man selbst nicht angemeldet hatte.

Schutz ist aber wichtig, will man nicht Gefahr laufen, dass plötzlich ein anderer die Verwendung eines Bildes oder Namens verbietet, weil er das entsprechende Markenrecht erworben hat.

Dass das Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) oft weitgehenden Markenschutz gewährt, beruht auf der sehr markenfreundlichen Rechtsprechung (BPatG, Beschl. v. 15. 01. 2010, 27 W [pat] 250/09, BeckRS 2010, 06996 – In Kölle jebore; GRUR-Prax 2010, 174 – In Kölle doheim; BGH, GRUR 2010, 1100 – Tooor!; GRUR 2010, 825 – Marlene-Dietrich-Bildnis II). So kam es beispielsweise zu Marken für Stadien (BPatG, Beschl. v. 15. 11. 2010, 27 W [pat] 218/09, BeckRS 2011, 03279 – Ruhstadion; BPatG, Beschl. v. 30. 05. 2001, 32 W [pat] 11/01, BeckRS 2009, 26921 – Bodensee-Arena), für das Konstanzer Konzil als Gebäude (MarkenR 2010, 403), das Ulmer Münster (BPatG, Beschl. v. 02. 03. 2005, 26 W [pat] 258/03, BeckRS 2009, 02905), das Münchner Hofbräuhaus (BPatG, Beschl. v. 23. 01. 2008, 26 W (pat) 110/06, BeckRS 2008, 05291) sowie für die Kölner Domfront (BPatG, Beschl. v. 18. 07. 2012, 27 W (pat) 539/12, BeckRS 2012, 17027).

Für Waren und Dienstleistungen, die typischerweise als Reiseandenken und zur Deckung des Bedarfs der Touristen im Umfeld touristischer Sehenswürdigkeiten vertrieben bzw. angeboten werden, sah der BGH, wie schon das BPatG, keine Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Dass allgemeine Angebote im Umfeld einer Sehenswürdigkeit vertrieben oder erbracht werden, hat aber der BGH – anders als das BPatG – nicht als ausreichend gesehen, dem Namen „Neuschwanstein” dafür jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen.

Weitergehender Schutz nach Unionsrecht

Das Wort „Neuschwanstein” stand jedoch nicht nur als deutsche Marke im Feuer, sondern auch als Unionsmarke. Als solche ist es nämlich für den Freistaat Bayern für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 8, 14, 15, 16, 18, 21, 25, 28, 30, 32, 33, 34, 35, 36, 38 und 44 eingetragen und genießt damit innerhalb Europas einen weitergehenden Schutz als die deutsche Marke. Den wollte der Bundesverband Souvenir/Geschenke/Ehrenpreise mit seinem Antrag auf Nichtigerklärung gemäß Art. 52 Abs. 1 UMV erschüttern. Er vertrat dabei die Ansicht, die Marke sei eine geografisch beschreibende Angabe. Außerdem sei sie nicht unterscheidungskräftig, da sie die Waren als Andenken kennzeichne. Ferner sei die Anmeldung bösgläubig erfolgt, weil es bereits viele Anbieter von Waren mit der Bezeichnung „Neuschwanstein” gebe und der Anmelder diese behindern oder zum Abschluss von Lizenzverträgen zwingen wolle.

Der Antrag scheiterte auf allen administrativen Ebenen, und nun hat auch das EuG mit Urteil vom 05. 07. 2016 (EuG T-167/15, BeckRS 2016, 81444) die weitgehenden Schutzmöglichkeiten bestätigt und kommt damit den Eigentümern und Baulastträgern von Sehenswürdigkeiten entgegen. Das EuG hat dabei u. a. auf die Eigentumsverhältnisse abgestellt und so die Vermarktungsmöglichkeiten für den, der die Erhaltungslast an Kulturgut trägt, deutlich gegenüber der deutschen Handhabung erweitert.

Das EuG hat nämlich festgestellt, dass „Neuschwanstein” keine beschreibende Angabe i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Buchst. c UMV ist. Nach dieser Vorschrift sind u. a. Zeichen, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft dienen können, von der Eintragung als Unionsmarke ausgeschlossen. Die Vorschrift steht der Eintragung von geografischen Bezeichnungen aber nur entgegen, wenn wegen der Eigenschaften des bezeichneten Ortes anzunehmen ist, dass die Waren bzw. Dienstleistungen von dort stammen oder dort erbracht werden.

Ein Schloss hat jedoch als musealer Ort weder die Herstellung oder Vermarktung von Souvenirartikeln noch die Erbringung von Dienstleistungen zur Hauptfunktion, sondern die Bewahrung des Kulturerbes.

Das Schloss Neuschwanstein kann zwar geografisch lokalisiert, aber nicht als geografischer Ort im Sinn von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c UMV angesehen werden, weil dort Waren nicht hergestellt sondern nur vermarktet werden. Zudem ist das Schloss Neuschwanstein nicht wegen dort verkaufter Souvenirartikel oder dort angebotener Dienstleistungen bekannt, sondern wegen seiner architektonischen Einzigartigkeit.

Der Kläger hatte geltend gemacht, dass die angegriffene Marke beschreibend sei, weil sie über die Vermarktung von Souvenirartikeln bei den maßgeblichen Verkehrskreisen angenehme Empfindungen auslöse. Das Publikum bringe seinen Besuch des Schlosses positiv mit einem Souvenirartikel in Verbindung, der es an diesen erinnere. Das EuG hat dem entgegengehalten, dass die betreffenden Waren für den täglichen Verbrauch bestimmt seien und keine besonderen Merkmale aufwiesen.

In „Neuschwanstein” sah das EuG einen originellen Namen, der das Schloss als Bauwerk bezeichne, ohne eine Verbindung mit Waren und Dienstleistungen herzustellen. Der Phantasiename gilt deshalb als unterscheidungskräftig im Sinn von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b UMV. Er erlaubt es, die betriebliche Herkunft zu unterscheiden und anzunehmen, alle damit bezeichneten Waren und Dienstleistungen würden unter der Kontrolle des Markeninhabers hergestellt, vertrieben bzw. erbracht, der für ihre Qualität verantwortlich sei und diese direkt oder indirekt im Rahmen von Lizenzverträgen kontrollieren könne.

Sicherung der Vermarktung ist nicht bösgläubig

Das EuG hat es auch verneint, dass die Anmeldung der Marke bösgläubig im Sinn von Art. 52 Abs. 1 Buchst. b UMV erfolgt sei. Das Schloss vermarkte ebenso wie andere Kultureinrichtungen Souvenirartikel neben dem Eintrittskartenverkauf als eine weitere Einnahmequelle. Der Eigentümer verfolge also das berechtigte Ziel der Erhaltung des musealen Ortes.

Auch die große Zahl der beanspruchten Waren und Dienstleistungen war dem EuG kein Indiz dafür, dass die Anmeldung bösgläubig erfolgt wäre.

Das EuG betonte, dass das System der Eintragung einer Unionsmarke auf dem Grundsatz des „ersten Anmelders” beruht und die bloße Benutzung einer nicht eingetragenen Marke durch einen Dritten der Eintragung einer ähnlichen Marke nicht entgegensteht.

Die Möglichkeit, an der Unionsmarke eine Lizenz an Dritte zu vergeben, ist für sich kein Indiz einer bösgläubigen Absicht, sondern in Art. 22 Abs. 1 UMV ausdrücklich vorgesehen. Sich diese Möglichkeit durch eine Markenanmeldung zu sichern, entspricht den Grundsätzen des fairen Wettbewerbs.

Besonders begrüßenswert ist es aus Sicht der Eigentümer von Baudenkmälern etc., dass das EuG darauf abgestellt hat, dass das Schloss Neuschwanstein Eigentum des Landes Bayern ist, der es mit dem Verkauf von Souvenirartikeln und der Erbringung von Dienstleistungen, mit denen dem relevanten Publikum ein qualitätvoller kultureller Besuch garantiert werden soll und die dem Funktionieren des Schlossbetriebs dienen, bewirtschaftet. Auch wenn das Land in bedeutendem Umfang von der Bekanntheit des Schlosses profitiert, verfolgt es dabei doch ein berechtigtes Ziel.

 

Dr. Friedrich Albrecht

Vorsitzender Richter am Bundespatentgericht a. D., München
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