07.01.2025

Videoüberwachung unter der Lupe

Einsatz von Kameras nur an Kriminalitätsschwerpunkten zulässig

Videoüberwachung unter der Lupe

Einsatz von Kameras nur an Kriminalitätsschwerpunkten zulässig

Videoüberwachung kann insbesondere mit einer Vielzahl von Straftaten begründet werden. | © minzpeter - Fotolia
Videoüberwachung kann insbesondere mit einer Vielzahl von Straftaten begründet werden. | © minzpeter - Fotolia

Polizei Köln muss Videoüberwachung nach Urteilen des Verwaltungsgerichts in grundrechtssensiblen Bereich einschränken.

Every step you take …

Mit noch nicht rechtskräftigen Urteilen vom 28. November 2024 gab das Verwaltungsgericht Köln zwei Klägern teilweise Recht, sodass das Land Nordrhein-Westfalen durch die Polizei Köln die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes einschränken muss. Gleichzeitig betont das Gericht, dass eine Videoüberwachung bei Vorliegen der gesetzgeberischen Voraussetzungen im öffentlichen Raum grundsätzlich rechtmäßig ist.

In Nordrhein-Westfalen erlaubt das Polizeigesetz unter kumulativen Voraussetzungen den Einsatz von optisch-technischen Mitteln zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung an einem Ort, der Schwerpunkt der Straßenkriminalität ist.


Nach § 15a Abs. 1 PolG NRW ist die Polizei befugt, einzelne öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung zu beobachten und die übertragenen Bilder aufzuzeichnen, wenn sie unverzüglich zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung eingreifen kann und nach Nr. 1 an diesem Ort wiederholt Straftaten begangen wurden und die Beschaffenheit des Ortes die Begehung von Straftaten prognostisch begünstigt oder nach Nr. 2 Straftaten von erheblicher Bedeutung nach § 8 Abs. 3 PolG NRW verabredet, vorbereitet oder begangen werden.

… every move you make

Nach eigenen Angaben setzt die Polizei in Köln inzwischen seit 8 Jahren die stationäre Videobeobachtung mittels 106 fest installierten Videokameras zur Verhinderung von Straftaten sowie zu deren Aufklärung an inzwischen sieben Örtlichkeiten ein. Es handelt sich um die linksrheinischen Bereiche Dom / Hauptbahnhof, Kölner Ringe (Hohenzollernring), Breslauer Platz, Ebertplatz und Neumarkt sowie die rechtsrheinischen Bereiche Wiener Platz und Straßenzüge im Stadtteil Kalk.

Die Entscheidung über den Einsatz an sich und das Ausmaß an den einzelnen Kriminalitätsschwerpunkten trifft die Behördenleitung, hier also der Polizeipräsident als Leiter der Kreispolizeibehörde Köln. Grundlage für eine Entscheidung für die Videoüberwachung ist die Kriminalstatistik, durch welche die Häufigkeit und Intensität von Straftaten an einzelnen Orten zueinander ins Verhältnis setzen lassen.

Die Polizei beobachtet die Videobilder live durch qualifizierte Beamte und speichert die Aufnahmen für einen Zeitraum von maximal 14 Tagen. Vor Ort erfolgt eine Information über die Videoüberwachung durch eine entsprechende Beschilderung und ein Piktogramm, wenn sich Bürger und Bürgerinnen in den videoüberwachten Bereich begeben.

Gericht verteilt Veilchen

Die optisch-technischen Mittel begegnen den Klägern in Form von Videokameras, die in den streitgegenständlichen Einzelfällen nicht nur den Straßenraum, sondern auch eine Außengastronomiefläche und einen Hauseingang zu einer klägerischen Wohnung filmten. Da sie sich dadurch in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung und Versammlungsfreiheit eingeschränkt sahen, suchten die sie vor Gericht Rechtschutz.

Die 20. Kammer hat entschieden, dass die Außengastronomiefläche wie ein Privatbereich in einem Gebäude zu behandeln sei, und den Einsatz von optisch-technischen Mitteln dort untersagt. Dies gelte erst recht für den von der Videoüberwachung umfassten Hauseingang zu einer klägerischen Wohnung. Zudem müssten die Videokameras eine Stunde vor Beginn einer Versammlung und 30 Minuten nach Ende einer Versammlung im gesamten Videoüberwachungsbereich und nicht nur am Versammlungsort selbst abgeschaltet werden.

Dem Grunde nach sei der Einsatz von Videoüberwachungstechnik jedoch ein mit den Grundrechten in Einklang stehendes Mittel sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung, wie bereits das Oberverwaltungsgericht NRW im Jahr 2022 entschied.

Durch die Autorenbrille betrachtet

Die Entscheidung des Gerichts ist zu begrüßen.

Sie bringt die grundrechtlich geschützten Interessen des Einzelnen mit dem Bedürfnis nach effizienter Gefahrenabwehr und Strafverfolgung in Einklang. Das Verwaltungsgericht Köln schließt sich dem Grunde nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts an, schärft aber für den konkreten Fall in puncto Außengastronomiefläche und Versammlungen das judikative Okular.

Die Voraussetzungen für den Einsatz von Videoüberwachungstechnik im öffentlichen Raum sind sowohl räumlich, zeitlich, als auch sachlich restriktiv. So verwendet das PolG NRW in § 15a Abs. 1 erste Tatbestandsalternative lediglich den Singular „Ort“ und engt durch ihn durch den Zusatz „dieser“ hinsichtlich seiner Ausdehnung zusätzlich ein. Ferner braucht es zudem in der Vergangenheit bereits erfolgte Straftaten und eine negative Prognose, dass weiterhin eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor Ort gegeben sein wird.

In der zweiten Tatbestandsalternative müsste die Verabredung, Vorbereitung oder Begehung von Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ nach § 8 Abs. 3 PolG NRW auf Tatbestandsebene zu bejahen sein, um auch ohne bereits gegangene Straftaten einen Ort videopolizeilich zu beobachten. Bei Straftaten von erheblicher Bedeutung handelt es sich u.a. um banden- oder gewerbsmäßig begangenen Vergehen z.B. Betrugsfälle oder Diebstähle oder Vergehen gegen das Waffengesetz, sodass entweder eine Mehrzahl an Tatverdächtigen oder eine Mehrzahl an potenziellen Geschädigten zu befürchten ist. Ebenfalls erfasst ist die Nichtanzeige geplanter Verbrechen nach § 138 StGB.

Da der Gesetzgeber die Videoüberwachung im öffentlichen Raum unter strenge Voraus-setzungen gestellt hat, muss auch jede Einzelmaßnahme so grundrechtssensibel wie möglich ausgestaltet werden.

Die informationelle Selbstbestimmung spiegelt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) wider, nach dem es einer jeden natürlichen Person überlassen ist, über die Preisgabe und Verwendung personenbezogener Daten zu entscheiden. So ist auch das Passieren und Aufhalten in den videoüberwachten Bereichen vom sachlichen Schutzbereich des Grundrechts umfasst. Eine Beobachtung und Speicherung des eigenen Bildes schon bei Verlassen der Haustüre schränkt das Alltagsleben ein, ohne einen Mehrwert für die Vereitelung und Aufklärung von Straftaten zu schaffen. Vielmehr erzeugt es ein Gefühl der Überwachung.

Um die Prävention oder Repression zu stärken, gibt es bereits mildere Mittel, etwa die Strafandrohung als gesetzgeberische Abschreckung oder den Polizeinotruf, um Straftaten unverzüglich selbst zu melden. Mithin ist die Videoüberwachung des Haustürbereichs und damit außerhalb eines Kriminalitätsschwerpunktes nicht erforderlich, die Polizeiarbeit zu fördern.

Auch das Versammlungsgrundrecht, Art. 8 GG, steht einer durchgehenden Videoüberwachung entgegen. Auf dem Weg zu einer Versammlung und beim Verlassen derselben ist nicht von vornherein von der schwerpunktmäßigen Begehung von Straftaten auszugehen. Auch Hin- und Rückweg zu einer Versammlung unterfallen dem sachlichen Schutzbereich des Versammlungsgrundrechts.

Klare zeitliche Grenzen zu ziehen, in denen vor und nach der Versammlung die Videokameras ausgeschaltet werden müssen, schafft für alle – für die Polizei wie für Bürgerinnen und Bürger – Rechtssicherheit. So wird ein lebensnaher Ausgleich zwischen staatlichem Strafverfolgungsinteresse und bürgernahem Grundrechtsschutz erreicht.

Ob sich das Oberverwaltungsgericht NRW diesem Spruch im Fall einer Berufung anschließt, bleibt abzuwarten. Seine bisherige Rechtsauffassung, von der das Verwaltungsgericht nicht abweicht, spricht jedenfalls dafür.

 

Marco Schütz

Ass. jur., Köln
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