20.01.2025

Polizeikosten: Bremen obsiegt im Streit gegen die DFL

Bei Hochrisikospielen dürfen die Kosten vom Veranstalter eingefordert werden

Polizeikosten: Bremen obsiegt im Streit gegen die DFL

Bei Hochrisikospielen dürfen die Kosten vom Veranstalter eingefordert werden

Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen verursachen teilweise hohe Kosten. | © fotosr52 - stock.adobe.com
Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen verursachen teilweise hohe Kosten. | © fotosr52 - stock.adobe.com

In dem nunmehr zehn Jahre währenden Streit um die Kosten für Polizeieinsätze bei gefahrenträchtigen Großveranstaltungen wurde das Land Bremen nunmehr von Karlsruhe in seinem Vorgehen bestätigt.

Es begann vor mehr als zehn Jahren wie eine typische David gegen Goliath – Episode. Auf der einen Seite das kleinste Bundesland Bremen, auf der anderen der mächtige und finanzstarke Ligaverband des deutschen Profifußballs DFL (Deutsche Fußballliga). Hintergrund waren explodierende Polizeieinsatzkosten bei sogenannten ‚Hochrisikospielen‘, wie dem Nordderby Werder Bremen gegen den HSV.

Die Vorgeschichte

Um Sicherheit und Ordnung rund um die Stadien für alle zu gewährleisten, fielen alleine in der Saison 2023/24 in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga fast 1,6 Millionen Polizei-Arbeitsstunden an. In Deutschland werden die entstandenen immensen Kosten auf den Steuerzahler abgewälzt. Dies geschehe zu Recht, da die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung eine Kernaufgabe des Staates sei, so die DFL.


Im Jahr 2014 entschied sich Bremen jedoch, die DFL bei Hochrisikospielen künftig mit zur Kasse zu bitten. In § 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes, BremGebBeitrG, hieß es seitdem:

‚Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen gleichzeitig teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird.‘

Am 19. April 2015 erließ Bremen beim Nordderby erstmals einen Gebührenbescheid über 425.718,11 Euro an den Inhaber der Vermarkungsrechte und Veranstalter DFL. Die DFL wehrte sich gegen den Bescheid durch alle Instanzen, bis 2019 das Bundesverwaltungsgericht  (BVerwG) die Auferlegung der Kosten dem Grunde nach für rechtmäßig erklärte.

In der nachfolgenden Verfassungsbeschwerde der DFL stellte die Klägerin erneut die Grundsatzfrage, ob die Staatsaufgabe ‚öffentliche Sicherheit‘ nicht automatisch aus Steuermitteln zu finanzieren sei. Schließlich handele es sich um eine Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols im Allgemeininteresse.

Zudem sei die DFL als Organisationsverband des deutschen Profifußballs weder direkt noch indirekt an der Schaffung eines Hochrisikobereichs beteiligt und trage somit keine zurechenbare Verantwortung. Allenfalls die Heimvereine wiesen ein Näheverhältnis zu den Geschehnissen auf, so dass die DFL nicht in Anspruch genommen werden könne. Das bremische Gebührengesetz sei auch zu unbestimmt, weil Umfang und Höhe der Gebühren zu unbestimmt seien und die Einstufung als Hochrisikospiel einseitig und ohne Mitwirkung der in Anspruch genommenen DFL erfolgten.

Insgesamt folge die bisherige gerichtliche Aufarbeitung nicht den Vorgaben des Verursacher- und Verhältnismäßigkeitsprinzips, sondern nehme eine Dachorganisation aus der sachfremden Erwägung in Anspruch, dass die DFL mit der Vermarktung des deutschen Profifußballs erheblich Einnahmen und Gewinne generiere und ihr so derartige Veranstaltungen als Nutznießerin zugutekämen, ohne dass sie dafür auch einen Verantwortungsanteil tragen müsse. Diese Argumentation sei verfassungsfremd und damit rechtswidrig.

Verfassungsbeschwerde der DFL

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) urteilte am 14. Januar 2025, dass die Verfassungsbeschwerde der DFL erfolglos bleibt. Zwar greife der bremische Gebührenbescheid und seine Rechtsgrundlage in die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit ein, Art. 12 I GG, aber die inkriminierte Gebührennorm sei formell und materiell verfassungsgemäß. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 I GG liege nicht vor.

Mit der Inrechnungstellung eines Mehraufwandes an Polizeikräften werde eine Geldleistungspflicht in Form einer nichtsteuerlichen Gebühr verhängt, deren Adressat die Stelle ist, bei der die Gewinne aus der Veranstaltung anfallen. Es wurden mithin Mehrkosten auf einen Veranstalter abgewälzt, um einen Nutznießer der Veranstaltung und nicht die Gesamtheit der Steuerzahler in Anspruch zu nehmen. Das sei ein legitimes Ziel, so das BVerfG.

Das BVerfG macht sich die Argumentation des Landes Bremen zu eigen, dass die Verfassung an keiner Stelle fordere, den Bereich staatlicher Kernaufgaben ausschließlich über Steuern zu finanzieren. Die DFL als Inanspruchgenommene erhalte für die Gebühr eine Gegenleistung, nämlich den reibungslosen Ablauf eines von ihr veranstalteten Spiels. Daraus entstehe ein bezifferbarer wirtschaftlicher Vorteil. Geminderte Risiken durch einen erhöhten Polizeieinsatz korrelierten mit diesem bei der DFL entstehenden wirtschaftlichen Vorteil, ohne dass es darauf ankomme, dass die DFL für Gewalthandlungen nicht verantwortlich sei.

Die Gebührenpflicht genüge den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und dem Bestimmtheitsgebot und sei zur Erreichung des gesetzten Ziels auch geeignet und erforderlich.

Zwischen der DFL und der erhobenen Gebühr bestehe nach dem Veranlasserprinzip ein hinreichendes Näheverhältnis. Der Veranstalter DFL nehme bei Hochrisikospielen in erkennbar übermäßigem Umfang staatliche Sicherheitsleistungen in Anspruch, so dass eine quantitative Sondernutzung vorliege, die nicht der Allgemeinheit zuzuordnen sei, auch wenn die Realisierung von Gewalthandlungen erst durch das – rechtswidrige – Verhalten Dritter realisiert werde. Dieses vorsätzliche Dazwischentreten Dritter führe nicht zu einer Unterbrechung der Zurechenbarkeit des Mehraufwandes eines Polizeieinsatzes, wenn die Veranstaltung in Kenntnis ihrer Gefahrträchtigkeit durchgeführt werde. Die Planung von Hochrisikospielen berge eine abstrakte Gewaltgefahr, die sich später konkretisiert, ohne dass sich die Veranlassungsparameter ändern oder die Kausalitätskette unterbrochen wird.

Eine unangemessene Belastung der DFL entstehe nicht, weil die Gebührenerhebung auf wenige kommerzielle Veranstaltungen und auf den Risikomehraufwand beschränkt bleibe. Die Gebührenerhebung genüge auch dem Bestimmtheitsgebot, das keine Vorab- Bezifferbarkeit von Mehraufwendungen verlange.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG sei ebenfalls nicht verletzt. Zwar differenziere § 4 IV BremGebBeitrG wann, wem und warum Gebühren aufzuerlegen seien aber die relevanten Ungleichbehandlungen erfolgten aus nachvollziehbaren sachlichen Erwägungen. Das Verhältnis des durch die Ungleichbehandlung beabsichtigten Gemeinwohlsinns sei angemessen zu der damit verbundenen Ungleichheit. Zweck der Mehraufwandsgebühr für Hochrisikospiele sei die Verlagerung des Mehraufwandes dorthin, wo die Gewinne aus der Veranstaltung entstehen. Damit werden nicht gewinnorientierte Veranstaltungen von Gebühren aus sachlichem Grund ausgenommen. Auch die Verknüpfung der Gebühr mit kommerziellen Veranstaltungen von mehr als 5.000 Personen dient dem Zweck, einen deutlichen polizeilichen Mehraufwand von einem Minimalstandard aus zu quantifizieren.

Alles in allem sei die Gebührenerhebung Bremens verfassungsmäßig nicht zu beanstanden.

DFL kündigt Regressforderungen gegenüber den Fußballclubs an

Die DFL hat in einer ersten Stellungnahme angekündigt, sie werde für den Fall, dass weitere Bundesländer vergleichbare Gebührenmodell auflegen und mit Gebührenforderungen bei Hochrisikospielen an die DFL herantreten, für geleistete Zahlungen Regress bei den entsprechenden Fußballclubs nehmen, so dass es zu einer Kostenverlagerung komme.

Auch eine gemeinsam getragene Fondslösung für in Rechnung gestellte Mehraufwände ist in der Diskussion.

An anderer Stelle dürfte dieser durch das BVerfG erzeugte ‚alea iacata sunt‘-Moment weitaus höhere Wellen schlagen und bisher nicht gekannte Diskussionen auslösen. Erste Stimmen deuten an, dass mit diesem Urteil der Rubikon hin zu neuen Gebührenerhebungsmodellen überschritten sein könnte.

Weitere Anwendungsfälle

Man denke an Parteiveranstaltungen und Versammlungen, die ob ihrer Umstrittenheit exorbitante Schutzaufwendungen generieren. Wird man in Zukunft auch von Hochrisiko-Parteitagen, Hochrisiko-Versammlungen und gewaltgeneigten Hochrisiko-Demonstrationen sprechen, die es rechtfertigen, Polizeieinsätze, die das Normalmaß überschreiten, bei den Veranstaltern in Rechnung zu stellen?

Möglicherweise steht uns in vielen Bereichen ein Paradigmenwechsel bevor, der erneut die Gerichte beschäftigen dürfte.

 

Professor Achim Albrecht

Westfälische Hochschule, Gelsenkirchen
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