12.06.2017

Verbesserung der Gläubigersituation

Kommunen profitieren von der Änderung der Insolvenzordnung

Verbesserung der Gläubigersituation

Kommunen profitieren von der Änderung der Insolvenzordnung

Die geänderte Insolvenzordnung trägt den Interessen der Gläubiger besser Rechnung. | © nattanan - Fotolia
Die geänderte Insolvenzordnung trägt den Interessen der Gläubiger besser Rechnung. | © nattanan - Fotolia

Mit dem «Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz» vom 29.03.2017 (BGBl. I S.  654) hat der Bundesgesetzgeber u.a. die Situation der Gläubiger verbessert. Dem Gesetz, welches zum 05.04.2017 in Kraft getreten ist, kann für die Kommunen im Wesentlichen Folgendes entnommen werden:

Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen: § 133 Abs. 2 InsO n.F.

133 Abs. 2 InsO n.F. sieht für die Vorsatzanfechtung von (kongruenten und inkongruenten) Deckungshandlungen einen deutlich kürzeren Anfechtungszeitraum von vier Jahren vor. Damit wird das Risiko einer Anfechtung in dem in der Praxis bedeutsamen Bereich der Deckungshandlungen kalkulierbarer werden. Für alle sonstigen Rechtshandlungen verbleibt es bei dem bisherigen zehnjährigen Anfechtungszeitraum. Damit wird sichergestellt, dass etwa nachteilige Vereinbarungen gerade für den Insolvenzfall und Vermögensverschiebungen weit im Vorfeld der Krise nicht generell anfechtungsfest sind.

Vorsatzanfechtung von kongruenten Deckungshandlungen: § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO n.F.

Mit § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO n.F. wird für die Vorsatzanfechtung von kongruenten Deckungshandlungen die Vermutungsregel bei der Frage, ob der Anfechtungsgegner Kenntnis vom schuldnerischen Benachteiligungsvorsatz hatte oder nicht, abgeschwächt. Die gesetzliche Vermutung greift erst, wenn der Anfechtungsgegner zur Zeit der Handlung die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei Gewährung einer kongruenten Deckung eine geschuldete Leistung erbracht wird und dass der Schuldner vor Eintritt der Insolvenz grundsätzlich frei ist zu entscheiden, welche Forderungen er erfüllt. In diesem Fall rechtfertigt die Kenntnis der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit daher den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht.


Vermutung bei Zahlungserleichterungen: § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO n.F.

133 Abs. 3 Satz 2 InsO n.F. enthält eine wichtige Klarstellung für die Behandlung der praktisch bedeutsamen Fallgruppe der Zahlungserleichterungen: Hatte der Anfechtungsgegner mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Die in Teilen der Wirtschaft verbreitete und bewährte Praxis, mit Schuldnern bei vorübergehenden Liquiditätsschwierigkeiten einen Zahlungsaufschub oder Ratenzahlungen zu vereinbaren und diesen damit eine Art Überbrückungsfinanzierung zu gewähren, wird so auf rechtssicheren Boden gestellt. Darüber hinaus wird denjenigen Gläubigern Rechtssicherheit verschafft, die im Rahmen der Durchsetzung ihrer Forderung auf eine gütliche Erledigung bedacht sind und auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen (vgl. etwa § 802b ZPO, §§ 222, 258 AO, § 76 SGB Abs. 4, § 42 StGB, § 459a StPO) mit dem Schuldner Zahlungsvereinbarungen treffen oder diesem in anderer Weise Zahlungserleichterungen gewähren. Hinter der Regelung steht der Gedanke, dass die mit einer Stundungs- oder Ratenzahlungsbitte dem Gläubiger offenbar werdende Liquiditätslücke mit Gewährung der Stundung respektive Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung regelmäßig beseitigt sein wird. Bei der Feststellung der Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit sind Forderungen, die rechtlich oder tatsächlich gestundet sind, nicht zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12 Rn. 29). Ein Gläubiger, der einer Stundungs- oder Ratenzahlungsbitte seines Schuldners entspricht, hat daher grundsätzlich keinen Anlass, von der Insuffizienz des schuldnerischen Vermögens auszugehen.

Zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO n.F. muss der Insolvenzverwalter konkret Umstände darlegen und ggf. beweisen, die darauf schließen lassen, dass dem Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlung doch bekannt war. Die Vermutung hat vor diesem Hintergrund die Wirkung, dass der Insolvenzverwalter den ihm ohnehin obliegenden Beweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die dieser Gewährung typischerweise zugrundeliegenden Bitte des Schuldners stützen kann. Umstände, die hierüber hinausgehen, kann der Verwalter hingegen uneingeschränkt geltend machen.

Solche Umstände können im Verhältnis des Schuldners zum Anfechtungsgegner angelegt sein, wie es z. B. der Fall ist, wenn der Schuldner die geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung nicht einhält oder anderweitig, etwa mit neu entstandenen Forderungen, in erheblichen Zahlungsrückstand gerät. In Betracht kommen ferner Umstände, die darauf hindeuten, dass der Schuldner gegenüber weiteren Gläubigern erhebliche fällige Verbindlichkeiten hat, die er nicht, auch nicht ratenweise, bedienen kann. Zu denken ist dabei an die eigene Erklärung des Schuldners, alle oder einen erheblichen Teil seiner fälligen Zahlungspflichten nicht mehr erfüllen zu können, oder an dem Anfechtungsgegner bekannte erfolglose Vollstreckungsversuche durch andere Gläubiger. Von Bedeutung kann insoweit auch sein, ob der Anfechtungsgegner Grund zur Annahme hat, der Schuldner werde bis zuletzt nur seine Forderung (und nicht die anderer Gläubiger) bedienen. So kann es etwa liegen, wenn der Anfechtungsgegner in einem persönlichen Näheverhältnis zum Schuldner steht, er Großgläubiger des Schuldners ist oder ihm bekannt ist, dass die Nichterfüllung seiner Forderung für den Schuldner strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen würde. Sucht der Schuldner in einem solchen Fall um die Anpassung einer gewährten Zahlungserleichterung oder um weitere Zahlungserleichterungen nach, ohne seine grundsätzliche Zahlungsfähigkeit plausibel zu erläutern, liegt die Annahme nahe, dass der Schuldner auch fällige Zahlungspflichten, die er gegenüber anderen Gläubigern hat, nicht (mehr) erfüllen kann.

 

Volkmar Kuhne

Leitender Rechtsdirektor, Augsburg
n/a