01.06.2017

Großer Wurf gelungen

Reform des Bauvertragsrechts tritt am 01.01.2018 in Kraft

Großer Wurf gelungen

Reform des Bauvertragsrechts tritt am 01.01.2018 in Kraft

Die Reform des Bauvertragsrechts bringt viele Verbesserungen, lässt aber auch Wünsche offen. | © Björn Wylezich - Fotolia
Die Reform des Bauvertragsrechts bringt viele Verbesserungen, lässt aber auch Wünsche offen. | © Björn Wylezich - Fotolia

Im März 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung beschlossen. Nachdem auch der Bundesrat am 31.03.2017 dem Gesetzesvorhaben entsprochen hat, treten die Neuregelungen am 01.01.2018 in Kraft. Mit der geplanten Neugestaltung schafft der Gesetzgeber Abhilfe, überwindet die rudimentäre Ausgestaltung der werkvertraglichen Regelungen und schafft die lang erwartete Grundlage für ein zeitgemäßes Bauvertragsrecht. Neben der Einführung des Architekten- und Ingenieurevertrages – der Planer hat nun in einer Zielfindungsphase die Grundlagen für seine Planungsleistung mit dem Besteller zu erarbeiten – ergeben sich zahlreiche Neuerungen. Die folgende Darstellung gibt einen ersten Überblick über den Kern der Reform.

Verbesserung der Rechtsposition des ausführenden Werkunternehmers

Die Änderung des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts, die mit der Reform einhergehen wird, bringt eine erhebliche Verbesserung der Rechtsposition des ausführenden Werkunternehmers. Während nach derzeit gültigem Recht der Werkmangel den ausführenden Werkunternehmer dazu verpflichtet, erforderliche Vor- und Nacharbeiten zur Mangelbeseitigung vorzunehmen, d.h. insbesondere die Ein- und Ausbaukosten zu tragen, ergibt sich für den Werkunternehmer als Käufer eines mangelhaften Baustoffs ein gravierendes Problem: Als Gewährleistungsschuldner haftet zwar der Baustofflieferant und muss eine mangelfreie Sache liefen. In bestimmten Fallkonstellationen blieb jedoch der ausführende Werkunternehmer – der den Mangel allein wegen des unzureichenden Baustoffs verursacht hat – auf den Ein- und Ausbaukosten sitzen. Nach dem neuen Recht wird gelten, dass der ausführende Werkunternehmer von seinem Baustofflieferanten im Regresswege die Ein- und Ausbaukosten erstattet verlangen kann.

Fiktive Abnahme vorgesehen

Ferner sieht das reformierte Werkvertragsrecht im Bereich der allgemeinen werkvertraglichen Vorschriften eine fiktive Abnahme vor. Nach Fertigstellung kann der Unternehmer dem Besteller eine angemessene Frist zur Abnahme setzen. Verweigert der Besteller nicht unter Angabe von Mängeln die Abnahme, gilt das Werk als abgenommen. Ist der Besteller ein Verbraucher, dann treten die Rechtsfolgen der fiktiven Abnahme nur dann ein, wenn der Unternehmer den Besteller zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme in Textform auf die Folgen der verweigerten Abnahme hinweist. Das bedeutet: Sind die vertraglich vereinbarten Leistungen – unabhängig davon, ob Mängel vorliegen – abgearbeitet, kann der Unternehmer selbst die Abnahmewirkungen herbeiführen.


Bauvertrag als eigenständiger Vertragstyp

Als wesentliche Neuregelung kann weiterhin die gesetzliche Normierung eines Bauvertrages als eigenständiger Vertragstyp gelten. Ist ein Werkvertrag als Bauvertrag zu qualifizieren, greifen eine Reihe von Spezialregelungen, die ein Sonderrecht für Bauverträge in Abgrenzung zu sonstigen Werkverträgen begründen. Bei der Herstellung, der Wiederherstellung, der Beseitigung oder dem Umbau eines Bauwerkes sowie einer Außenanlage ist der Werkvertrag als Bauvertrag zu qualifizieren. Soweit lediglich Teile der vorbezeichneten Varianten betroffen sind, qualifiziert dies ebenfalls den Werkvertrag zum Bauvertrag. Betrifft der Vertrag die Instandhaltung, qualifiziert dies den Werkvertrag ebenfalls als Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist.

Weitere Spezialvorschriften für den Verbraucherbauvertrag

Zum Verbraucherbauvertrag wird der Werkvertrag, wenn der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Die letztgenannte Alternative soll jedoch nur dann betroffen sein, soweit die Umbaumaßnahme erheblich ist im Sinne einer «Sanierung bis auf die Grundmauern». Für Verbraucherbauverträge gelten dann weitere Spezialvorschriften. Zu nennen sind hier ein spezielles Widerrufsrecht sowie die Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen. Welche Qualität diese Baubeschreibung haben muss, wird ebenfalls gesetzlich geregelt werden.

Weitere Spezialvorschriften für den Verbraucherbauvertrag betreffen den Bereich der Abschlagszahlungen, die für den Unternehmer gesetzlich reglementiert werden, die Erstellung und Herausgabe von Unterlagen, die der Verbraucher gegenüber Behörden benötigt sowie die Unabdingbarkeit der Verbraucherschutzvorschriften. Klarstellend hervorzuheben ist ausdrücklich: Der geschlossene Bauvertrag mit einem Verbraucher begründet allein noch keinen Verbraucherbauvertrag. Als Verbraucherbauvertrag gelten allein Verträge mit Verbrauchern über die Errichtung eines kompletten Hauses oder über erhebliche Umbaumaßnahmen von gleichem Gewicht für das Gebäude. Daher wird nur ein Bruchteil der mit Verbrauchern geschlossenen Verträge als Verbraucherbauverträge zu qualifizieren sein. Damit ergibt sich für die Baupraxis die Situation, dass unter der neuen gesetzlichen Regelung die mit Verbrauchern geschlossenen Verträge zumeist als Bauverträge zu qualifizieren sein werden.

Anordnungsrecht des Bestellers

Künftig wird im Bereich des Bauvertragsrechts dem Besteller ein Anordnungsrecht eingeräumt. Nach Vertragsschluss kann der Besteller einseitig das Leistungsprogramm bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen abändern. Bedeutsam ist hier, dass dieses Anordnungsrecht wie auch die hierzu bestehenden Vergütungsregelungen deutlich von den Regelungen der VOB/B abweichen. Nach der geplanten gesetzlichen Regelung kann der Besteller eine Änderung des vereinbarten Werkerfolges verlangen oder eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolges notwendig ist.

In einem solchen Fall ist der Unternehmer verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Minderkosten zu erstellen. Bei einer Änderung des Werkerfolges greift diese Pflicht jedoch nur dann, wenn die Ausführung für den Unternehmer zumutbar ist. Bedeutsam ist hierbei, dass in den Fällen, in denen die Planung von dem Besteller vorgegeben wird, die Pflicht zur Erstellung eines Angebotes nur dann greift, wenn der Besteller die für die Änderung erforderliche Planung vorgenommen hat.

Die Praxis jedenfalls im Bereich der VOB/B sieht bekanntermaßen anders aus. Hier trifft den Auftragnehmer eine Pflicht zur Ausführung von Leistungsänderungen und – als wäre das nicht genug – es wird dem Auftragnehmer hierbei regelmäßig auch die Planungsleistung zu dieser Leistungsänderung abgenötigt. In dieser Hinsicht führt das neue gesetzliche Leitbild tatsächlich zu einer spürbaren Verbesserung für die Auftragnehmerseite. Nach dem Begehren der Leistungsänderung läuft eine Frist von 30 Tagen. Wird in dieser Zeit keine einvernehmliche Regelung getroffen, dann kann der Besteller die Änderung in Textform anordnen. Der Unternehmer ist verpflichtet, dieser Anordnung nachzukommen, was für den Fall der Änderung des vereinbarten Werkerfolges nur gilt, wenn die Ausführung zumutbar ist.

Bei Streitigkeiten über die Pflicht zur Ausführung der geänderten Leistung besteht dann nach dem neuen Recht die Möglichkeit, im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ohne das Erfordernis, eine besondere Dringlichkeit der Entscheidung glaubhaft zu machen, eine kurzfristige gerichtliche Entscheidung zu erlangen.

Vergütung der geänderten Leistung

Die Vergütung der geänderten Leistung erfolgt nicht im Wege der Fortschreibung der Vertragspreise, d.h. nicht im Wege der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung. Erneut weicht das Gesetz erheblich von der Tradition der VOB/B ab. Die Vergütung bestimmt sich nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn. Gleichzeitig vermutet das Gesetz, dass eine vereinbarungsgemäß hinterlegte Urkalkulation und eine auf dieser Basis vorgenommene, vorkalkulatorische Preisfortschreibung – das Preisfindungsmodell der VOB/B – der Vergütung «Ist-Kosten zuzüglich AGK nebst Wagnis und Gewinn» entspricht. Das bedeutet konkret: Vereinbart der Unternehmer die Hinterlegung seiner Urkalkulation, kann er bei geänderten Leistungen zunächst einmal das Vergütungssystem selbst wählen.

Kommt für ihn die Kalkulation über die Ist-Kosten nebst angemessenen Zuschlagssätzen zu einem günstigeren Ergebnis, kann er diese Preisbildung wählen. Vermittelt ihm seine Urkalkulation einen besseren Preis, kann er hierauf zurückgreifen. Insofern ist der Unternehmer gut beraten, in jedem Fall bei Vertragsschluss eine Kalkulation zu hinterlegen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Unternehmer – anders als im Geltungsbereich der VOB/B – im Nachhinein eine Urkalkulation nicht mehr erstellen kann, soweit er diese vor Vertragsschluss nicht erstellt und hinterlegt hat. Bei Streitigkeiten über den Preis bereits während der Bauausführung besteht ebenfalls die Möglichkeit der einstweiligen Verfügung. Einer besonderen Dringlichkeit bedarf es für die Erlangung der kurzfristigen, vorläufigen Gerichtsentscheidung nicht. Der Gesetzgeber beabsichtigt mit der oben skizzierten Abkehr von den seit Jahrzehnten in der Bauwirtschaft praktizierten baubetrieblichen Grundsätzen das Ende der Spekulation bei der Vergütung von Nachtragsleistungen.

Neuregelung bei den Abschlagszahlungen

Eine weitere beachtliche Neuregelung sieht das geplante Gesetz im Bereich der Abschlagszahlungen vor. Der Unternehmer kann 80 % einer im Nachtragsangebot genannten Mehrvergütung als Abschlag verlangen, wenn sich die Parteien nicht anderweitig geeinigt haben oder eine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergeht. Das bedeutet konkret, dass der Unternehmer 80 % der von ihm für berechtigt angesehenen Vergütung als Abschlagszahlung verlangen kann. Will der Besteller dies vermeiden, muss er zu dem Mittel der einstweiligen Verfügung greifen. Überzahlte Beträge sind im Rahmen der Schlussrechnung zurückzuzahlen sowie analog der gesetzlichen Verzugsregeln mit neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Zustandsfeststellung nach Fertigstellung

Eine weitere Neuerung stellt das Instrument der Zustandsfeststellung dar. Verweigert der Besteller die Abnahme unter Angabe von Mängeln, kann der Unternehmer verlangen, dass der Besteller an der Feststellung des Zustandes des Werkes mitwirkt. Bleibt der Besteller der Zustandsfeststellung fern, kann der Unternehmer diese grundsätzlich einseitig vornehmen. Diese Zustandsfeststellung sollte der Unternehmer unverzüglich nach Fertigstellung verlangen. Denn in der Zeit zwischen Fertigstellung und Abnahme trägt der Unternehmer die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung des Werkes. Wird die ausgeführte mangelfreie Leistung durch andere Gewerke vor der Abnahme beschädigt oder zerstört, ist der Unternehmer weiter dem Erfüllungsanspruch des Bestellers ausgesetzt. Er wird durch die Fertigstellung noch nicht frei von seiner Leistungspflicht. Die Zustandsfeststellung trägt dieser unbefriedigenden Situation Rechnung. Denn nach der vorgesehenen gesetzlichen Regelung gilt: Ist das Werk dem Besteller verschafft worden und ist in der Zustandsfeststellung ein offenkundiger Mangel nicht angegeben, wird vermutet, dass dieser nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Besteller zu vertreten ist. Damit kann der Unternehmer den Gefahrübergang vorziehen und auf diesem Weg erhebliche unternehmerische Risiken abwenden.

Fälligkeit der Vergütung

Schließlich enthält das neue Recht eine Anlehnung an die Regelung der VOB/B im Hinblick auf die Fälligkeit der Vergütung. Die Vergütung ist zu entrichten, wenn das Werk abgenommen bzw. dies entbehrlich ist und wenn weiter der Unternehmer dem Besteller eine prüffähige Schlussrechnung erteilt hat. Die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden gesetzlichen Regelung orientiert sich an § 14 VOB/B, sodass die hierzu ergangene Rechtsprechung als maßgeblich bei der Auslegung und Anwendung des neuen Rechtes herangezogen werden kann.

Fazit

Ein Fazit kann daher wie folgt gezogen werden: Anders als die Ausgestaltung der neuen gesetzlichen Regelung betreffend die Schlussrechnung – bei der hinsichtlich der Auslegung auf eine dezidierte höchstrichterliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann – steht die Praxis vor dem Problem, dass die Reform des Bauvertragsrechtes eine Reihe neuer abstrakt genereller Regelungen entstehen lässt. Viele unbestimmte Rechtsbegriffe müssen daher erst durch die Rechtsprechung Konturen erhalten. Doch dieses Manko geht einher mit jeder neuen Gesetzeslage, sodass ein wirklicher Schwachpunkt unter dem genannten Aspekt noch nicht zu sehen ist.

Vertan wurde jedoch die Chance, weitere für die Praxis brennende Problemstellungen zu regeln. Das Mangelbeseitigungsrecht vor der Abnahme, das – höchstrichterlich Anfang des Jahres 2017 bestätigt – im Bereich des gesetzlichen Werkvertragsrechtes grundsätzlich nicht existiert, wurde nicht normiert. Hier hätte der Reformgesetzgeber ebenfalls Abhilfe schaffen müssen. Dass die derzeit aus Treu und Glauben abgeleiteten Grundsätze bezüglich der Bedenkenhinweispflicht nicht behandelt werden, ist sicherlich ebenfalls als Schwachpunkt der Reform auszumachen. Ebenso wird die ungeklärte Frage des Anordnungsrechtes im Hinblick auf die Art der Ausführung oder die Bauzeit weiter kontrovers diskutiert werden.

In jedem Fall darf die nun gesetzlich normierte Herleitung der Nachtragspreise mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Denn der unzulässigen Spekulation hat die Rechtsprechung bereits Grenzen gezogen. Die hier geregelte Abwendung von der bisherigen Praxis erscheint zumindest unglücklich. Ungeachtet dieser Kritikpunkte ist es mit der geplanten Reform gelungen, für sämtliche Beteiligten in der Leistungskette Bau Verbesserungen zu erreichen. Der rudimentäre und in weiten Teilen für den Bereich des Bauens unbrauchbare gesetzliche Rahmen des Werkvertragsrechtes konnte deutlich modifiziert werden. Positiv zu bewerten ist in jedem Fall, dass für Verträge mit Verbrauchern ein gesetzlicher Rahmen geschaffen wurde, der Verbraucherschutzinteressen in wichtigen Punkten Rechnung trägt. In der Praxis liegt hier einiges im Argen. Abschließend heißt das: Trotz Schönheitsfehler ist der Politik der große Wurf tatsächlich noch gelungen.

Dr. Georg Klein

Dr. Georg Klein

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Becker & Klein Rechtsanwälte, Limburg an der Lahn
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