15.06.2015

Verbandslösung für Wirtschaftswege

Ein Verband kann Kommunen Finanzierung und Bürgern Beteiligung bieten

Verbandslösung für Wirtschaftswege

Ein Verband kann Kommunen Finanzierung und Bürgern Beteiligung bieten

Wirtschaftswege sind für die tatsächlichen Belastungen oft nicht ausreichend gerüstet. | © countrypixel - Fotolia
Wirtschaftswege sind für die tatsächlichen Belastungen oft nicht ausreichend gerüstet. | © countrypixel - Fotolia

In ländlich strukturierten Gebieten hat jede Kommune im Außenbereich neben den klassifizierten Straßen ländliche Wege (Wirtschaftswege), deren Ausbau und Unterhaltung sicherzustellen ist. Diese Wege bilden oft ein Netz von weit über 100 Kilometern.

Unabhängig von ihrer Entstehung stellen die Wirtschaftswege kommunales Vermögen mit allen haushaltsrechtlichen Belastungen durch Unterhaltung und Ausbau dar. Gleichzeitig fallen die Wege aufgrund fehlender Widmung bzw. nur öffentlich-rechtlicher Entschließung nicht unter die Straßengesetze der Länder. Das macht eine Refinanzierung schwierig.

Veränderung tatsächlicher Belastungen

Durch Entwicklung der Landwirtschaft treten heute neue Probleme für den Wegebau auf. Intensivierung der Landwirtschaft und die neuen Geschäftsfelder der Erneuerbaren Energien führen dazu, dass größere und schwerere Maschinen eingesetzt werden. Eine Zunahme der Tonnagen auf dafür nicht ausgelegten Wegen versetzt deren Unterbau zusehends in einen schlechten Zustand. Dies hat auch für die Tragschicht und damit den Verkehr Folgen. Gleichzeitig nutzen die Kommunen ihre Wege auch zur Erschließung und für touristische Angebote. Daher ist die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Wegenetzes und dessen Unterhaltung für Kommunen von großer Bedeutung. In Zeiten knapper Kassen sind viele Kommunen aber gezwungen, Wirtschaftswegebau und Unterhaltungsmaßnahmen als freiwillige Leistungen zu reduzieren. Eine Alternative ist die finanzielle Beteiligung der Bürger am Aufwand.


Finanzierungsalternativen im Wegebau

Einige Kommunen im westlichen Münsterland etablierten schon vor einigen Jahren ein sog. „Grundsteuer A-Modell”. Dabei wurden auf die vom Land benannten fiktiven Hebesätze der Grundsteuer A Prozentpunkte aufgeschlagen, um dieses Geld dann zweckgebunden für den ländlichen Wegebau zu verwenden. Bedenken gegen ein solches Modell ergeben sich schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass Steuern einer Zweckbindung fern liegt und diese nach den Gemeindeordnungen in der Regel nur „nachrangig” erhoben werden sollen. Aber vor allem das geringe und zum Teil volatile Aufkommen des zugrunde zu legenden Betriebsgrundvermögens der Grundsteuer-A-pflichtigen Landwirte lassen dieses Modell als unzureichende Notlösung erscheinen.

Auf der anderen Seite stehen sich mit dem Modell eines Beitrags nach den Kommunalabgabengesetzen (KAG) und dem Verbandsmodell nach dem Wasser- und Bodenverbandsgesetz (WVG) zwei verschiedene Beitragssysteme gegenüber. Möglich wäre eine Veranlagung über eine Satzung auf Basis der Länder-KAG. Die Wege würden wie im kommunalen Innenbereich von den direkten Anliegern durch Beitragsaufkommen nach festgesetzter Quote refinanziert. Für Kommunen ist dabei die bekannte Anwendung des KAG reizvoll. Andererseits existiert hierzu eine äußerst komplexe Rechtsprechung, die schon viele Satzungen hat scheitern lassen.

Problematisch erscheint bei einer KAG-Lösung vor allem, dass ein unmittelbarer „Vorteil” vorliegen muss, sodass Beitragspflichtige direkt eine Verbesserung erfahren müssen. Zudem wären die Beiträge (abhängig vom Landes-KAG) meist in voller Höhe und direkt nach dem Ausbau zu zahlen. Zu erwartende hohe Beiträge träfen einzelne Anlieger bis zu einer zu definierenden Grundstückstiefe im Außenbereich hart. Ein weiterer Nachteil ist, dass eine KAG-Lösung den Unterhalt der Wege und damit die Hauptlast der Kommunen nicht erfasst. Diese Leistung bliebe einer Refinanzierung entzogen. Damit bliebe ein wesentlicher Kostenfaktor gegenüber einer Finanzierungsbeteiligung der Bürger erhalten.

Als attraktives, alternatives Beitragsmodell hierzu ist die Übernahme der Wegeunterhaltung und des Wegebaus im Rahmen eines Verbandsmodells nach dem WVG zu sehen. Ein Wirtschaftswegeverband kann danach die „Herstellung und Unterhaltung von ländlichen Wegen und Straßen” als Aufgabe übernehmen. Das Eigentum an den Wegen bleibt nach Aufgabenübertragung dennoch bei den Kommunen. Das Instrument eines Verbandes nach dem WVG hat sich im Sinne der Subsidiarität dabei für Wasserverbände bewährt. Die Verbände regeln die Gewässerunterhaltung in Eigenregie. Der Staat begnügt sich mit der Rechtsaufsicht durch Kreis und Land.

Satzungsgestaltung eines Wegeverbandes

Die Verbandslösung lässt sich auch auf die Unterhaltung und den Ausbau von Wirtschaftswegen übertragen. Der Verband ist Körperschaft des öffentlichen Rechts. Mitglieder sind die Grundstückseigentümer. Fakultatives Mitglied sollte auch die jeweilige Kommune sein. Der Verband wird durch die Organe Verbandsversammlung und Vorstand gelenkt. Alternativ zur Verbandsversammlung ist auch ein kleinerer Verbandsausschuss möglich. Dem Vorstand obliegt das operative Geschäft, wie Entscheidung über Ausbaustufen und Zeiträume. Die Mitglieder kontrollieren den Vorstand nach Maßgabe der Satzung.

In der Satzung kann geregelt werden, dass auch die Kommune mit mindestens einer Person im Vorstand vertreten ist. Dies gewährleistet eine sachgerechte kommunale Anbindung. Insgesamt ist es ratsam, dass kommunal neben einem Finanzbeitrag auch Verwaltungskompetenz zur Verfügung gestellt wird. Praktikabel erscheint, dass z. B. ein Tiefbauingenieur dem Verband zu technischen Fragen zur Seite steht. Auch die Übernahme der Beitragserhebung beugt verwaltungsrechtlichen Verfahrensfehlern vor. Ein Vetorecht der Gemeinde bei Entscheidungen ist jedoch rechtlich unzulässig. Zumindest eine Konsultation oder Anhörung der Kommune sollte in der Verbandssatzung aber verankert werden.

Durch diese Struktur kann der Verband letztlich Subsidiarität im besten Sinne praktizieren. Die Entscheidungen über den Ausbauzustand des ländlichen Wegenetzes werden von den Betroffenen selbst gefällt. Da Grundstückseigentümer dann selbst und nur unter Beteiligung der Verwaltung agieren, sind die Maßnahmen auch von diesen zu verantworten. Zu dieser Verantwortung kann auch die Erstellung und Festlegung eines Wegekonzeptes gehören. In einem solchen Konzept kann der Verband festlegen, welche Teilstücke nicht weiter unterhalten werden oder welche Teile des Wirtschaftswegenetzes zurückgebaut werden. Diese Entscheidungen fallen Gemeinderäten aufgrund der politischen Widerstände der Anwohner meist extrem schwer und führen so zum Stillstand bei der Verkleinerung des Wegenetzes.

Finanzbeteiligung der Bürger als zweite Säule

Als weiteren Pluspunkt für die Lösung über ein Verbandsmodell spricht vor allem eine breite Beteiligung der Betroffenen an der Finanzierung. Über die Erhebung eines Verbandsbeitrages kann der Verband so eine Steigerung seiner Finanzmittel realisieren. Neben einem kommunalen Finanzbeitrag kommt damit eine zweite Säule der Wegefinanzierung hinzu. Dabei orientiert sich der Beitrag im einfachsten Modell an einem reinen nach Hektar bemessenen Flächenmaßstab. Satzungsrechtlich sind aber auch ein Grundbeitrag zur Erlangung eines höheren Beitragsaufkommens oder ein Mindestbeitrag zur Vereinfachung der Veranlagung von Kleinstflächen zulässig. Rechtlich anspruchsvoller ist die Ausgestaltung eines Erschwernisbeitrages. Bei diesem wird anknüpfend an das Verursacherprinzip eine besonders starke Wegeinanspruchnahme für z. B. eine Biogasanlage mit einem höheren Beitrag belegt. Hierbei können sich allerdings Probleme in der Festlegung eines geeigneten Maßstabs für die Anknüpfung des Beitrags ergeben, da gewerbliche und landwirtschaftliche Anlagen nach unterschiedlichen Steuertatbeständen behandelt werden.

Zwei wesentliche Vorteile der Beitragserhebung nach dem WVG gegenüber dem KAG bestehen darin, dass die Beiträge kontinuierlich von den Grundstückseigentümern zu zahlen sind und keine direkte Verbindung des einzelnen Beitragspflichtigen zum konkreten Ausbau eines Weges bestehen muss. Zudem sind diese für Landwirte als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar. Aus der größeren Masse der Zahler und den jährlichen Zahlungen ergibt sich, dass die Flächen- eigentümer nur moderate Jahresbeiträge pro Hektar bezahlen. Insgesamt spricht also vieles für die Etablierung von Wirtschaftswegeverbänden.

Stand des Verfahrens in NRW

In NRW stehen mehrere Kommunen nun vor dem Problem, dass das Land „rechtliche” Bedenken angemeldet hat und durch ein eigens in Auftrag gegebenes Gutachten die Zulässigkeit der Verbandserrichtung prüfen lässt. Hinter den Bedenken mag vor allem auch die fiskalische Überlegung stehen, dass das Land als Eigentümer zahlreicher Naturschutzflächen von einem Verbandsbeitrag betroffen wäre. Aufgrund der bereits vorhandenen Verbände in Niedersachsen und Hessen und dem WVG als Bundesgesetz dürfte sich die Position des Landes NRW jedoch letztlich nicht halten lassen.

Thomas Kerkhoff

Thomas Kerkhoff

Mag.rer.pupl., Dipl.-Verwaltungswirt (FH), Rechtsanwalt, Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Hamm
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