15.06.2015

Hinterm Horizont gehts weiter!

Stark mit Kraft-Wärme-Kopplung – Stadtwerke fordern Novelle

Hinterm Horizont gehts weiter!

Stark mit Kraft-Wärme-Kopplung – Stadtwerke fordern Novelle

Die „Gronauer Erklärung” hat viele Unterstützer für ihre Forderung nach Förderung von KWK-Anlagen gefunden. | © Matthias Krttgen - Fotolia
Die „Gronauer Erklärung” hat viele Unterstützer für ihre Forderung nach Förderung von KWK-Anlagen gefunden. | © Matthias Krttgen - Fotolia

Was hat Udo Lindenberg mit Kraft-Wärme-Kopplung zu tun? Auch seine Songs setzen Energie frei und sorgen zugleich für etwas mehr Wärme und Herzlichkeit in der Welt.

Aber da gibt es noch einen anderen Zusammenhang: In seiner Geburtsstadt Gronau in Westfalen trafen sich Ende Februar 2015 die Geschäftsführer der ARGE Gas Westfalen, um eine „Gronauer Erklärung” zu verabschieden, die immer weitere Kreise zieht und die eine zügige Novelle des Gesetzes zur Kraft-Wärme-Kopplung fordert. Sie dürfte mit dafür gesorgt haben, dass der Bundesrat am 8. Mai 2015 auf Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen eine Entschließung zur dringenden Notwendigkeit einer KWK-Novelle verabschiedet hat.

Weiterbetrieb der KWK-Anlagen kaum noch wirtschaftlich

Die ARGE Gas Westfalen ist eine Informationsplattform von knapp 50 Stadtwerken in Westfalen, die sich auf der Führungsebene, aber auch auf Fachebene in Arbeitsgruppen regelmäßig austauscht und gemeinsame Projekte entwickelt. Daneben pflegt die ARGE Gas Westfalen einen regelmäßigen Kontakt zur Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, um auf direktem Weg auf problematische Entwicklungen für Stadtwerke hinzuweisen. Bei dem Treffen in Gronau war es wieder einmal so weit: Mehrere Geschäftsführer schilderten ihren Kollegen eindrucksvoll, wie stark die Benutzungsstunden ihrer hocheffizienten KWK-Anlagen in letzter Zeit zurückgegangen sind und dass ein Weiterbetrieb der KWK-Anlagen kaum noch wirtschaftlich ist.


Die Anwesenden hatten die große Befürchtung, dass eine Novelle des KWK-Gesetzes angesichts der grundlegenden und tiefgreifenden Diskussion um ein neues Strommarktdesign so stark verzögert wird, dass mögliche Potenziale für eine Kraft-Wärme-Kopplung nach Abschluss dieser Diskussion kaum noch gehoben werden können. Die Mitglieder der ARGE Gas Westfalen fanden das umso weniger verständlich, als doch die politischen Kräfte händeringend nach konkreten Möglichkeiten suchen, um die europäischen Vorgaben zur Steigerung der Energieeffizienz in Deutschland nachweisbar zu erfüllen. Als Mittel dafür liege der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung eigentlich so nahe wie kaum ein anderes Instrument, zumal der Evaluierungsbericht aus dem Jahr 2014 gezeigt habe, dass die eigentlich von allen Seiten gewünschten Ziele für einen KWK-Ausbau nach aktuellem Stand deutlich verfehlt werden, wenn nicht zeitnah gegengesteuert wird.

Kurzerhand entschlossen sich die Teilnehmer, mit einer „Gronauer Erklärung” ihre Forderungen gegenüber der Energiepolitik zu verdeutlichen und zugleich möglichst viele weitere Unterstützer für ihre Forderungen zu suchen. Denn gerade vor dem Hintergrund der Energiewende bedarf es einer Stärkung und nicht einer Vernichtung der Kraft-Wärme-Kopplung: Stromgeführte KWK-Anlagen sind die ideale und klimaschonende Ergänzung bei der Stromerzeugung für den Fall, dass kein Wind weht bzw. keine Sonne scheint und damit eine entsprechende Stromerzeugung aus volatilen Erneuerbaren Energien nicht zur Verfügung steht.

Aufgrund der gleichzeitigen Nutzung zur Wärmeerzeugung leisten KWK-Anlagen auch einen wesentlichen Beitrag zur Wärmewende und zur klimaschonenden Wärmeerzeugung, was häufig in den Hintergrund gerät. KWK-Anlagen sind in ihrer Stromerzeugung zudem nicht auf die Zeiten beschränkt, in denen zugleich ein Wärmebedarf besteht. Werden Wärmespeicher eingesetzt, ist der Einsatz von KWK-Anlagen auch ohne akuten Wärmebedarf zur Stromerzeugung möglich. Der Energieeinsatz wird trotzdem effizient genutzt, weil die zunächst erzeugte Wärme gespeichert und später genutzt werden kann. Darüber hinaus können Wärmespeicher bzw. Wärmenetze auch dazu dienen, überschüssigen Strom aus volatilen Erneuerbaren Energien, der zu Zeiten erzeugt wird, in denen nicht genügend Strom-Abnahme-Bedarf besteht, sinnvoll als Wärme zwischenzuspeichern, um die Nutzung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zu verbessern (Power-to-Heat-Modelle).

Die Gronauer Erklärung fordert deshalb eine angemessene Investitionssicherheit, den weiteren Ausbau von Wärmenetzen, die Anhebung des Förderdeckels von derzeit 750 Mio. Euro pro Jahr für den Neubau und die Modernisierung von KWK-Anlagen, eine Unterstützung für erdgasbetriebene Bestandsanlagen in der öffentlichen Versorgung sowie die verbesserte Förderung von Wärmespeichern und die Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen für Power-to-Heat-Modelle.

Innerhalb weniger Wochen nach Verabschiedung der Gronauer Erklärung wuchs die Zahl der unterstützenden Stadtwerke bis Ende März auf über 130 Unternehmen, noch jetzt gehen weitere Unterstützungserklärungen auch seitens industrieller Unternehmen oder von Kommunen ein, die in ihrer Stadt gerne verstärkt auf eine klimaschonende und umweltfreundliche Strom- und Wärmeversorgung setzen würden. Ende März wurde die Erklärung mit einer Liste der Unterstützer den für die Energiepolitik zuständigen Ministerien und Abgeordneten zugeleitet. Offenbar hat die Gronauer Erklärung auch Gehör gefunden. Denn sowohl von Seiten der energiepolitischen Vertreter als auch von der Presse wurde große Sympathie für die erhobenen Forderungen geäußert und eine zügige Behandlung der Fragen zugesichert.

Eine Chance für die Kraft-Wärme-Kopplung

Zuletzt hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 8. Mai 2015 auf Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen mit deutlicher Mehrheit eine Entschließung zur dringenden Notwendigkeit des KWK-Gesetzes verabschiedet. Darin wird die Förderung hocheffizienter Bestandsanlagen ebenso verlangt wie die Anhebung der Fördersätze für den Neubau und die Modernisierung von KWK-Anlagen sowie eine verstärkte Förderung von Wärmenetzen und Wärmespeichern. Zusätzlich wird die Einführung von Vorbescheiden des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für mehr Sicherheit bei den Investitionen angeregt.

Seitens des Bundeswirtschaftsministeriums liegen derzeit erste Eckpunkte für eine solche KWK-Novelle vor, die zum Teil diese Forderungen aufgreifen, aber natürlich damit längst noch keine beschlossenen gesetzlichen Regelungen sind. Gasbetriebene, hocheffiziente Bestandsanlagen sollen danach allerdings erst ab einer Leistung von mehr als 10 MW für die Zeit bis 2019 unterstützt werden. Gegen diese Grenze gibt es bereits deutlichen Widerstand. Die Diskussionen um eine KWK-Novelle (auch mit der Europäischen Kommission) sind in vollem Gange. Selbst Optimisten rechnen aber vor der Sommerpause nicht mehr mit einem Inkrafttreten der KWK-Novelle, sondern frühestens wohl eher zum 1. Januar 2016.

Die Unterstützer der Gronauer Erklärung wünschen sich jedenfalls, dass die Kraft-Wärme-Kopplung auch in Zukunft eine Chance erhält und damit die Energiewende und den Klimaschutz nachhaltig unterstützen kann. Gelingt das, könnte man mit Udo Lindenberg bei leichter Textänderung folgenden Refrain anstimmen: „Hinterm Horizont gehts weiter! Mit KWK sind wir stark!

Christian Held

Christian Held

Rechtsanwalt, Partner Becker Büttner Held, Berlin
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