15.07.2014

Rettungsdienst in Not

Die neue EU-Richtlinie: Gestaltungsmöglichkeiten bis zur Umsetzung

Rettungsdienst in Not

Die neue EU-Richtlinie: Gestaltungsmöglichkeiten bis zur Umsetzung

Rettungsdienst in Not: ruinöser Wettbewerb zu Lasten derer, die von der Dienstleistung profitieren sollen. | © bilderstoeckchen - Fotolia
Rettungsdienst in Not: ruinöser Wettbewerb zu Lasten derer, die von der Dienstleistung profitieren sollen. | © bilderstoeckchen - Fotolia

Am 15. Januar 2014 hat das Europäische Parlament neue Richtlinien für das Vergaberecht beschlossen, die von den Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Zwar ist der Bund bei der fristgerechten Transformation von EU-Richtlinien in nationale Gesetze bislang keineswegs als Musterschüler aufgetreten. Dennoch wird es wohl bald wieder zulässig sein, Rettungsdienstleistungen außerhalb des formstrengen Vergaberechts vergeben zu dürfen.

Die neuen Richtlinien sehen für die Vergabe von Leistungen des Rettungsdienstes eine Ausnahme vor: Laut der „Bereichsausnahme Rettungsdienst“ darf diese Dienstleistung nach Umsetzung in nationales Recht künftig wieder außerhalb der europäischen Vorgaben beauftragt werden. Denn in den vergangenen Jahren hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass gerade hier ein ruinöser Wettbewerb um Aufträge zu Lasten derer geführt wird, die eigentlich von der Dienstleistung profitieren sollen. Sowohl die Qualität des Rettungsdienstes als auch die Motivation der Rettungsdienst-Mitarbeiter leiden unter dem hohen Preisdruck. Ausschließlich den Preis zum Hauptkriterium der Vergabeentscheidung zu machen, zahlt sich für Kommunen langfristig gerade nicht aus.

Da allerdings bislang noch nicht feststeht, wann die neuen Vergaberichtlinien und die „Bereichsausnahme Rettungsdienst“ in Deutschland umgesetzt werden, ist es Kommunen angeraten, bis dahin bei Ausschreibungen weiterhin das EU-Vergaberecht zu berücksichtigen. Hierbei gibt es durchaus Gestaltungsmöglichkeiten, neben dem Preis auch weitere Kriterien bei der Auftragsvergabe anzuwenden.


Konsequente Eignungsprüfung

Das Vergaberecht sieht vor, dass öffentliche Aufträge nur an geeignete Bieter vergeben werden dürfen. Die sog. „Eignungsprüfung“ erfolgt vor der eigentlichen Bewertung des Angebotes. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass auch im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehende Kriterien in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden dürfen. Parallel darf der Bundes- und/oder Landesgesetzgeber Vorgaben für die Vergabeentscheidung unterbreiten. In Nordrhein-Westfalen erfolgte dies beispielsweise insbesondere durch den Erlass des Tariftreuegesetzes. Erst nachdem diese Anforderungen durch einen Rettungsdienst-Anbieter erfüllt werden, wird sein Angebot in wirtschaftlicher Sicht Gegenstand der Zuschlagsentscheidung.

Die in § 97 GWB vorgesehene Eignungstrias

  • Zuverlässigkeit,
  • Leistungsfähigkeit und
  • Fachkunde

ermöglicht es bereits, ausschließlich diejenigen Anbieter bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen, die hinreichende Gewähr dafür bieten, über den ausgeschriebenen Zeitraum die beste Leistung zu erbringen.

Was als Eignungskriterium zulässigerweise definiert werden darf, ist bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen in der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) geregelt. Um einen qualitativ hochwertigen Rettungsdienst zu erhalten, können daher angemessene Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten formuliert werden.

Referenzen einfordern

Da Rettungsdienstleistungen nahezu ausschließlich für öffentliche Auftraggeber erbracht werden, sollte bei Vergaben stets auch eine Bescheinigung über Referenzleistungen gefordert werden. Dass Qualifikationsnachweise der eingesetzten Rettungssanitäter und Rettungsassistenten erforderlich sind, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Leistungsbeschreibung konkretisieren

Etwas in Vergessenheit geraten ist die vergaberechtliche Möglichkeit, die mit der Neufassung des § 97 Abs. 4 GWB eingeführt wurde: Hiernach dürfen in der Leistungsbeschreibung zusätzliche Anforderungen an die Auftragsdurchführung aufgenommen werden. Sie sind an die Ausführung des Auftrags geknüpft und stellen konkrete Verhaltensanweisungen an das Unternehmen.

Diese zusätzlichen Anforderungen sind weder Eignungs- noch Zuschlagskriterien. Sie sind vielmehr Bestandteile der jeweiligen Leistungsbeschreibung. So können öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Rettungsdienst-Leistungen durch Konkretisierung des Leistungsgegenstandes ein hohes Maß von Innovations- oder Umweltschutzaspekten berücksichtigen. In Betracht kommt beispielsweise die Begrenzung des Schadstoffausstoßes bei den Einsatzfahrzeugen.

Zusätzliche Leistungsanforderungen dürfen ebenfalls an die Rettungsdienst-Mitarbeiter formuliert werden. Der Einsatz von Auszubildenden darf u. a. verlangt werden, um den Nachwuchs entsprechend zu fördern.

Spielraum bei Zuschlagsentscheidung nutzen

Auch bei der Zuschlagsentscheidung bestehen laut EU-Vergaberecht zahlreiche Gestaltungs- und Steuerungsmöglichkeiten. Dabei soll auch die wirtschaftliche Beschaffung unter Berücksichtigung monetärer Erwägungen nicht unberücksichtigt bleiben. Der Preis darf nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung keine untergeordnete Rolle spielen.

Diese Vorgabe lässt jedoch eine überwiegende qualitätsbezogene Zuschlagsentscheidung zu. Die Mindestgrenze für das Preiskriterium liegt bei zirka 30 %. Daher können Qualitäts- und Sonderbedarfsstrukturen bei der Vergabeentscheidung eine größere Rolle spielen. Bei Rettungsdienstleistungen bietet sich insbesondere die Abfrage konkret auftragsbezogener Betriebs- und Einsatzkonzepte an.

Ausblick: Freiwillige Anpassung an strenge EU-Regeln

Die „Bereichsausnahme Rettungsdienst“ hat zwar zunächst die Erwartung geweckt, dass rettungsdienstliche Aufgaben zeitnah außerhalb des europaweiten Vergaberechts durchgeführt werden dürfen. Ob dies in der Praxis tatsächlich der Fall sein wird, bleibt jedoch abzuwarten. Die fehlende „Umsetzungsfreude“ könnte sich auch bei der Reform der Vergaberichtlinien erneut zeigen.

Gleichwohl gilt, dass die Konkurrenz auf dem Markt aufgrund privater Unternehmen mittlerweile sehr hoch ist. Nur mit einem „guten Filter“ lässt sich hier eine Auswahl von wirklich leistungsfähigen Bewerbern treffen. So könnte sich allein schon aufgrund der Vielfalt der Anbieter unabhängig von einer „Bereichsausnahme Rettungsdienst“ eine Tendenz verfestigen, dass Kommunen das EU-Vergaberecht künftig freiwillig weiter anwenden.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass ein hochwertiger Rettungsdienst nur dann sichergestellt werden kann, wenn gesteigerte Qualitätsanforderungen bei leistungsgerechter Entlohnung Kern der Auswahlentscheidung sind. Das EU-Vergaberecht bietet ein umfangreiches Instrumentarium, um dieses Anliegen praxisgerecht umzusetzen. Dabei ist es letztlich unerheblich, ob es formstreng oder als freiwillige Selbstverpflichtung angewandt wird.

 

Achim Meier

Rechtsanwalt und Immobilienökonom (ebs), Partner, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Essen
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