15.07.2014

Grünes Licht für Rundfunkfinanzierung

Bayerns Verfassungsgerichtshof billigt Rundfunkbeitragstaatsvertrag

Grünes Licht für Rundfunkfinanzierung

Bayerns Verfassungsgerichtshof billigt Rundfunkbeitragstaatsvertrag

Früher war das einfach: Die Zahlungspflicht entstand bei Vorhalten eines empfangstauglichen Gerätes. | © poplasen - Fotolia
Früher war das einfach: Die Zahlungspflicht entstand bei Vorhalten eines empfangstauglichen Gerätes. | © poplasen - Fotolia

„Solide finanziert“: Diese Feststellung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof zum Rundfunkbeitragstaatsvertrag in der Fassung der Bekanntmachung vom 07. 06. 2011 (GVBl S.258, ber. S.404, BayRS 2251-17-S) vom 15. 05. 2014 (Vf. 8-VI-12; Vf. 24-VII-12) getroffen. Er entschied damit über die Popularklagen eines Jurastudenten und eines großen Filialunternehmens, die all die Fragen aufgeworfen hatten, die auch im Vorfeld und während der Vertragsverhandlungen die entscheidende Rolle – auch in der politischen Diskussion – bei der Reform der Rundfunkfinanzierung gespielt hatten. Hintergrund der Reform war die zunehmende Verbreitung multifunktionaler Geräte und die Erosion der Gebührenerträge. Ziele waren Beitragstabilität und Aufkommensneutralität, faire Beteiligung des privaten und nicht-privaten Bereichs sowie ein verringerter Verwaltungsaufwand.

Das Urteil – mit einer gewagten Anleihe aus dem Strafrecht: Ein Freispruch für den Gesetzgeber wegen erwiesener Unschuld, nicht nur mangels an Beweisen.

Der Verfassungsgerichtshof hält sämtliche angegriffenen Bestimmungen für mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Es liege weder ein Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) noch gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) vor.


Das Gericht musste sich bei der Beurteilung des Zustimmungsbeschlusses des Bayerischen Landtags vom 17. 05. 2011 zum Staatsvertrag im Wesentlichen mit vier Fragen beschäftigen:

Handelt es sich tatsächlich um einen Beitrag?

Die Kläger, und mit ihnen bedeutende Rechtsexperten, qualifizieren den „Rundfunkbeitrag“ als Steuer, für die den Ländern die Gesetzgebungskompetenz fehle. Ein kompetenzwidriger Gesetzgebungsakt – die Staatsverträge gelten mit dem jeweiligen Ratifizierungsakt der Landesparlamente als Landesgesetz – würde das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) verletzen. Die Zuständigkeit der Länder für die Rundfunkgesetzgebung nach Art. 70 Abs. 1 GG umfasst Auftrag, Organisation und Finanzierung des Rundfunks. Die von der Verfassungsrechtsprechung postulierte Finanzierungsgarantie rechtfertigt die Neuregelung also, wenn die Leistung nicht „voraussetzungslos“ geschuldet wird. Reicht dazu die Existenz des Rundfunkangebotes aus? Das Gericht bejaht einen „strukturellen“ Vorteil: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk fördere den demokratischen Meinungsbildungsprozess, ermögliche Teilhabe der Bürger an politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Vorgängen – die wesentliche Grundlage der Informationsgesellschaft. Die Vorteile kämen selbst denen zugute, die auf unmittelbare Nutzung verzichten. Anders ausgedrückt: Die Institution öffentlich-rechtlicher Rundfunk als Basis allgemein verfügbarer Informationen tritt neben den konkreten Vorteil aus dem Konsum einzelner Angebote. Die Nutzungsmöglichkeit reichte auch bisher, es war keine „Rundfunkgebühr“ für die konkrete Inanspruchnahme des Programms.

Ein Beitrag ohne Endgerät?

Bisher galt die Zahlungspflicht bei Vorhalten eines empfangstauglichen Gerätes. Definiert man den Vorteil weiter, so muss nicht zwingend an das Gerät angeknüpft werden. Es kommt für die Ausgestaltung des Tatbestandes nur auf die „Eignung“ des Anknüpfungspunkts an. Gibt es Alternativen, hat der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum. Er muss sich zudem an Beitragsgerechtigkeit, gleichmäßiger Erfassung und vertretbarem Aufwand orientieren. Das Gericht bejaht die Eignung des Merkmals „Raumeinheit“ – mit Blick auf die Konvergenz der Endgeräte und das erweiterte öffentlich-rechtliche Angebot, verbreitet über Internet-Technologie. Kommt es nicht darauf an, ob der Pflichtige das Angebot nutzen will, verliert die Anknüpfung am Gerät seinen Wert. Ursprünglich wurde die „Gebühr“ an die Post für die Gerätezulassung gezahlt, später indizierte das Vorhalten von Radio oder Fernseher die Nutzungsmöglichkeit.

Das Gericht bestätigte den Gesetzgebers: Inhaber einer Raumeinheit können herangezogen und verschiedene Lebenssachverhalte wie Familien und Wohngemeinschaften zusammengefasst werden. Dabei wird die Typisierung auf die Frage der Zuordnung einer Nutzung und deren Erfassung bezogen, nicht – wie Gutachter Professor Kirchhof – auf die Nutzung medialer Angebote typischerweise in Raumeinheiten (der Bezug Raumeinheit rechtfertigt im Folgenden auch die Erfassung des KfZ). Wichtig sind dem Gericht weitere Aspekte: die statistisch nachgewiesen hohe Durchdringung mit empfangstauglichen Geräten, die Verringerung von Erhebungsdefiziten nebst Vereinfachung des Verfahrens und der erhöhte Schutz der Privatsphäre durch Wegfall des Kontrollerfordernisses. Der Kläger hatte die Heranziehung auch „allein lebender Medienverweigerer“ und das Fehlen einer Befreiungsmöglichkeit bemängelt. Damit hätte er nur Erfolg gehabt, wenn man im Gerätebezug den einzigen zulässigen Anknüpfungspunkt sieht.

Heranziehung von Unternehmen in der gewählten Ausgestaltung?

Das Gericht sieht darin eine angemessene Verteilung der Beitragslast. Eine Gleichheitsverletzung rügten die Kläger in drei Punkten: Gleichsetzung von Wohnung und Betriebsstätte, Staffelung des Beitrages nach Zahl der Beschäftigten und degressive Ausgestaltung des Tarifs. Aufgrund der allgemeinen Fassung des abzugeltenden Vorteils hält sich das Gericht mit der Frage nach der Beitragspflicht des nichtprivaten Bereichs nicht lange auf. Trotz unterschiedlicher Strukturen dürfe auch im nichtprivaten Bereich die Raumeinheit für die Typisierung genutzt werden. Somit entfällt die Diskussion, ob die Beitragspflicht für KfZ nicht ein Rückfall in den Gerätebezug bedeute. Entscheidungsrelevant war, dass das erste KfZ abgegolten ist und erst die zusätzlichen Raumeinheiten zählen, parallel also zu Hotel- und Gästebetten. Dies indiziere eine gesteigerte Nutzung. Wegen der unterschiedlichen Vorteilslage verneint das Gericht knapp eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber der Privatwohnung.

Ebenso fallen auch die Ausführungen zur degressiven Staffelung des Beitrags aus. Derartige Regelungen seien üblich, der Gesetzgeber habe seinen Gestaltungsspielraum angemessen genutzt. Die Merkmale „Betriebsstätte“, „Beschäftigte“ und „Kraftfahrzeuge“ und die daraus entwickelten Kriterien seien „hinreichend realitätsgerecht und ausreichend differenziert“, sie bildeten den Vorteil der Unternehmen ab. Das gelte auch für das gegenüber Privaten verringerte Einstiegsniveau für kleine Unternehmen und die Abflachung des Tarifs für Großunternehmen. Die angebliche Benachteiligung von Filialbetrieben oder Betriebsstätten mit zahlreichen Zusatz-KfZ wird als zwangsläufige Folge der zulässigen Typisierung nach Raumeinheiten verstanden. Dies überzeugt schon deshalb, weil nur so sichergestellt ist, dass der Bäcker mit einer Betriebsstätte das Gleiche zahlt, wie die Filiale des Großbäckers.

Verletzung der informationellen Selbstbestimmung durch Umfang und Art der Datenerhebung?

Das Gericht sieht keinen Verfassungsverstoß: Es würden mit strenger Zweckbindung nur die notwendigen Daten erhoben. Die Gemeinwohlbelange – der gleichmäßige Einzug und die ausreichende Finanzierung des Rundfunks – würden überwiegen. Da der Beitrag gerechtfertigt sei, gebe es kein schutzwertes Interesse, seine Daten nicht zu Verfügung zu stellen. Der Aufwand, so das Gericht, sei zumutbar. Hier muss ergänzt werden, dass die Datenerhebung im wesentlichen dem bisherigen System entspricht, neu ist nur Bezugspunkt Wohnung und der einmalige Datenabgleich. Letzterer schafft erstmalig eine sichere Datenbasis. Zudem war die Regelung eng mit den zuständigen Datenschützern abgestimmt worden.

 

Dr. Klaus-Peter Potthast

Ministerialdirigent, Abteilungsleiter Medien und Internet, Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und
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