21.06.2018

Pre-Employment-Screening

Vor Abschluss eines Arbeitsvertrags kann Pre-Employment-Screening aufwendig und zugleich sinnvoll sein.

Pre-Employment-Screening

Vor Abschluss eines Arbeitsvertrags kann Pre-Employment-Screening aufwendig und zugleich sinnvoll sein.

Risikobeurteilung beim Bewerbungsgespräch – sind noch Fragen offen?
Risikobeurteilung beim Bewerbungsgespräch – sind noch Fragen offen?

Ausgangsfall mit Folgen

Stellen Sie sich vor, Sie treten eine Kreuzfahrt an, werden an Bord krank und gehen zum Schiffsarzt. Was Sie jedoch nicht wissen (sonst wäre die Urlaubsfreude gänzlich dahin): Der Herr Doktor ist ein Hochstapler, der nie eine Prüfung an einer medizinischen Fakultät abgelegt hat. So geschehen bei einem deutschen Anbieter von Kreuzfahrten. Mit Hilfe gefälschter Papiere konnte sich ein Bewerbungsbetrüger die Stelle als Schiffsarzt erschwindeln. Ein Jahr lang behandelte der Möchte-Gern-Arzt kranke und verletzte Urlauber, 1376 Patienten insgesamt. Dass dabei nichts Gröberes passierte, ist nur auf Glück zurückzuführen. Hätte die Kreuzfahrtgesellschaft den Vorfall verhindern können? Ja! Der Schwindel wäre aufgeflogen, hätte man die Approbationsurkunde überprüft. Zivilrechtlich gesehen sind hier Schadensersatzansprüche der Patienten gegen den Anbieter entstanden. Der Behandlungsvertrag kommt zwischen den Patienten und dem Anbieter als Betreiber der Krankenstation zustande. Nach § 280 Abs. 1 BGB – unterstellt deutsches Recht ist anwendbar – ist in der mangelhaften Überprüfung des Bewerbers eine Pflichtverletzung zu sehen, die auch kausal für einen eventuellen Schaden der Patienten ist. Hinzu kommt, dass das Verschulden vermutet wird und bei einem nicht ordnungsgemäßen Bewerbungsverfahren der Anbieter hier auch den Gegenbeweis nicht erbringen können wird. Darüber hinaus ist eine nicht korrekte Überprüfung von Bewerbern grundsätzlich als Organisationsverschulden zu werten. Das bedeutet, dass sich die verantwortliche Geschäftsleitung ebenfalls der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig machen könnte, da nicht die erforderliche Sorgfalt beachtet wurde. In diesem besonderen Fall könnten sogar strafrechtliche Konsequenzen angedacht werden. Jeder ärztliche Eingriff stellt eine Körperverletzung dar, die durch eine entsprechende ordnungsgemäße Einwilligung gerechtfertigt wird. Eine Rechtfertigung kommt hier von vornherein nicht in Betracht, da der Eingriff wegen der fehlenden Approbation nicht de lege artis ist. Jetzt hat der Anbieter natürlich selbst die Körperverletzung nicht begangen, man kann ihn aber als Beschützergarant werten, sodass hier eine Körperverletzung durch Unterlassen in Betracht käme. Diese Strafbarkeit trifft das Unternehmen selbst nicht, aber die Strafbarkeit würde dem Vertretungsorgan über § 14 StGB zugerechnet.

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Pre-Employment-Screening

USA macht es vor

Wie häufig in Deutschland Bewerbungen ge- oder verfälscht werden, lässt sich nicht verlässlich belegen. In den USA ist das Überprüfen von Bewerbern – im Englischen Pre-Employment-Screening genannt – gang und gäbe, weshalb es einige Erfahrungswerte gibt. Die US-amerikanische Society for Human Ressource Management beziffert in einer 2003 durchgeführten Studie den Anteil an Bewerbungen mit unkorrekten Angaben mit 53 %. Deloitte erhob im Jahr 2012 den Status Quo in Sachen Pre-Employment-Screening in Deutschland bei DAX- und MDAX-Unternehmen. Der Befund verwundert. Nur schlappe 13% führen tatsächlich Screenings durch. Gleichzeitig vertrat der Löwenanteil von 80% der befragten Unternehmen die Ansicht, Screenings zumindest gelegentlich für sinnvoll zu erachten. Der widersprüchliche Befund lautet demnach, obwohl Screenings sinnvoll erscheinen, werden sie häufig nicht durchgeführt. Ein Grund dafür mögen die rechtlichen Rahmenbedingungen sein, die Pre-Employment-Screening zum heiklen Unterfangen werden lassen.

Rechtlicher Rahmen

Gerade die Vielzahl von Gesetzen schreckt viele Unternehmen ab, da sie Sorge haben, sich nicht gesetzeskonform zu verhalten. Beachtet man aber den gesetzlichen Rahmen, ist das Risiko des PES selbst gegenüber den Folgerisiken eines nicht ordnungsgemäßen Bewerbungsverfahrens minimal. Wichtig ist, dass das Bewerbungsverfahren transparent für den Bewerber ist. Er muss im Einzelnen wissen, was auf ihn zukommt. Daher steht am Anfang die Einwilligung des Bewerbers, da ja personenbezogene Daten erhoben werden. Nach § 4 Abs. 1 i.V.m. § 4 a BDSG ist eine Erhebung personenbezogener Daten dann zulässig, wenn der Betroffene einwilligt. Dies gilt auch bezüglich der besonderen Daten des § 3 Abs. 9 BDSG. Einwilligung bedeutet vorherige Zustimmung. Dies hat bei einer Bewerbung zur Folge, dass, bevor das PES durchgeführt werden kann, die Einwilligung einzuholen ist. Allerdings ist Schriftform erforderlich. Bei einer Online-Bewerbung ist dieses Formerfordernis nicht gegeben. Das bedeutet, dass die Einwilligungserklärung zum Download bereitgestellt werden muss, die der Bewerber sodann unterschrieben übermittelt. Eine PDF-Datei oder Faxrücksendung reicht nicht aus. Der Bewerber muss im Einzelnen wissen, in was er einwilligt. Daher müssen die vorhandenen Informationen ausreichend sein, um die Bewerber in die Lage zu versetzen, die verlangte Erklärung einordnen und deren Bedeutung überblicken zu können. Die Bewerber sind also auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, die Verarbeitung oder die Nutzung sowie – soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen – auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Es müssten also insbesondere Intensität und Reichweite einer Recherche in Social Media dargestellt und erläutert werden. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und den Grundprinzipien des Datenschutzes und dem Grundsatz der Zweckbindung müssen die Daten, die erhoben werden, dem Zweck angemessen und für ihn erheblich sein. Diese Datensparsamkeit und Datenminimierung sollten die Leitplanken des PES darstellen. Die Datenerhebung anlässlich des PES erfolgt im eigenen Interesse des Unternehmens. Daher sind die erhobenen Daten der Bewerber, sobald der Einstellungsprozess beendet ist, nach § 35 BDSG zu löschen. Die Daten des „erfolgreichen“ Bewerbers müssen – zumindest während der Laufzeit des Arbeitsvertrages – nicht gelöscht zu werden. Sollte PES abstrakt-generell im Unternehmen eingeführt werden, ist auch der Betriebsrat einzubinden, da Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen gemäß § 95 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind.


Internationale Normen und angemessenes Verfahren

Ungeachtet rechtlicher Bedenken und Einschränkungen fordert das internationale Normenumfeld Pre-Employment-Screening von Unternehmen ein. ISO 37001 Anti-Bribery Management System, die „Fit and Proper“ Best-Practice-Empfehlungen der IOSCO, die Empfehlungen der FATF zur Geldwäscheprävention und die EU-Antiterror-Verordnungen beinhalten die Überprüfung von Bewerbern als Maßnahme zur Risikoreduktion. Um auf der einen Seite den Vorgaben internationaler Normen gerecht zu werden und auf der anderen Seite Bewerbern keine überzogene Offenlegung ihres Privatlebens zuzumuten, muss das Screening angemessen durchgeführt werden. Ausgangspunkt der Überlegungen, in welchem Umfang und mit welcher Tiefe die „Durchleuchtung“ von Bewerbern angemessen erscheint, sind die Befugnisse der zu besetzenden Stelle. Diese sind auf den Prüfstand zu stellen und dahingehend zu beurteilen, welche Risiken sie bergen.

Welche Risikodimensionen sind von Bedeutung?

Aus Security-Management-Sicht können folgende Risikodimensionen aus dem Privatleben eines Bewerbers Bedeutung aufweisen:

  • Politischer oder religiöser Extremismus
  • Finanzielle Verhältnisse des Bewerbers
  • Identitäts-/Wohnsitzverschleierung
  • Falschangaben zu Ausbildung oder Berufserfahrung
  • Suchtmittelkonsum
  • Integritätsmangel

Um den Screening-Prozess angemessen zu gestalten, ist zu überprüfen, welche der oben genannten Risikodimensionen für die zu besetzende Stelle relevant sind. Konkret ausgedrückt, stellt das Security-Management die Frage, ob negative Auswirkungen zu erwarten sind, wenn der Mitarbeiter in der betreffenden Position extremistische Einstellung aufweist, finanzielle Probleme hat, die Identität oder den Wohnsitz verschleiert usw.
Wurde festgelegt, welche der oben genannten Risikodimensionen von Bedeutung sind, folgt die Einstufung der Relevanz. Hier lautet die Frage, ob der identifizierte Bereich von geringer, mittlerer oder hoher Relevanz ist, also in welchem Ausmaß Schaden durch einen Mitarbeiter verursacht werden kann, der extremistisch eingestellt ist, mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat usw.
Die auf diesem Weg ermittelte Risikobeurteilung der offenen Stelle dient als Grundlage der operativen Screeningaktivitäten, anders ausgedrückt der Informationsermittlung. Abgeleitet aus den als relevant ermittelten Risikodimensionen werden Maßnahmen zur Informationsbeschaffung/Überprüfung des Bewerbers gesetzt. Dabei werden Bereiche mit hoher Relevanz intensiver untersucht als jene mit mittlerer Relevanz. Auf die Untersuchung von Risikodimensionen geringer Relevanz sollte aus Risikomanagement-Sicht verzichtet werden, da geringes Risiko üblicherweise als akzeptiertes Risiko gilt. Abhängig vom Risikoappetit des Unternehmens kann dies auch auf Risikodimensionen mittlerer Relevanz zutreffen.

Welche Informationsquellen sind zulässig?

Mit welchen Mitteln, also unter Zuhilfenahme welcher Informationsquellen das Security-Management die Untersuchungen durchführt, bleibt offen, solange die Vorgaben der Risikobeurteilung beachtet werden. Bei der Wahl von Informationsquellen sind natürlich die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Rechtlich unbedenklich ist die Anfrage bei öffentlich zugänglichen Registern, wie z.B. Einwohnermeldeamt, Handelsregister oder aber auch sogenannte Bonitätsdatenbanken. Eine Schufaabfrage ist jedoch nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Bewerbers möglich. Ebenso ist es unproblematisch den früheren Arbeitgeber zu kontaktieren, der allerdings nicht verpflichtet ist, zu antworten.
Bei dem Einsatz von Suchmaschinen ist jedoch Vorsicht geboten. Allgemein zugänglich sind Informationen, die über Suchmaschinen ohne Anmeldung gefunden werden können. Soweit der Bewerber diese Daten selbst ins Netz gestellt hat, verzichtet er implizit auf den Vertraulichkeitsschutz. Es sind aber auch Informationen im Internet frei zugänglich, die der Bewerber selbst nicht eingestellt hat. Daher ist es fraglich, ob hier von einem Verzicht der Vertraulichkeit im obigen Sinne ausgegangen werden kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich nicht erkennen kann, wer diese Informationen verbreitet hat. In der heutigen Zeit muss aber von Jedem verlangt werden können, sich selbst um Daten seiner Person im Internet zu kümmern. Es ist auch möglich und zumutbar, die Verfügbarkeit seiner Daten im Internet zu steuern und seinen eigenen Auftritt im Internet zu beobachten und auf Fehlentwicklungen zu reagieren. Dies bedeutet aber grundsätzlich, dass Vorsicht geboten ist, wenn Suchwerkzeuge oder Data-Mining-Techniken eingesetzt werden, die Informationen zu Tage fördern, die der Bewerber so nie offenlegen wollte. Auch kommerzielle Dienste, die Daten zusammenführen, stehen Bewerbern regelmäßig nicht zur Verfügung. Sein Profil kann der Bewerber insofern auch nicht kontrollieren. Stößt der potenzielle Arbeitgeber bei der Suchmaschinenrecherche auf solche Daten, dürfen diese weder gespeichert noch verwertet werden. Bei den sogenannten Sozialen Netzwerken muss differenziert werden. Bei reinen Freizeitplattformen, wie z.B. Facebook, Instagram usw. ist offensichtlich, dass es sich hier um die Privatsphäre der jeweils Betroffenen handelt und somit die Nutzung dieser Daten per se ausgeschlossen ist. Zu einer anderen Bewertung muss man bei den beruflich ausgerichteten Netzwerken, wie Xing oder LinkedIn kommen. Hier handelt es sich gerade nicht um die reine Privatsphäre, sondern um einen Austausch über beruflich relevante Informationen. Daher sind die hier gefundenen Erkenntnisse – natürlich in den Grenzen der Abwägung – zulässig und auch verwertbar.

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, prospektiven Arbeitgebern sind beim Sammeln von Informationen über Bewerber rechtliche Grenzen gesetzt. Aus Security-Sicht kann das zu Lücken bei der Überprüfung von Bewerbern führen. Trotz dieses Mangels stellt Pre-Employment-Screening eine sinnvolle Maßnahme zur Risikoreduktion dar, da es eine psychologische Komponente gibt. Der US-amerikanische Psychologe Dan Ariely stellte fest, dass der bloße Appell an die Ehrlichkeit in vielen Fällen Früchte trägt. Bewerber von Beginn an zu wahrheitsgetreuen Angaben zu ermutigen und gleichzeitig die Überprüfung in Aussicht zu stellen, erhöht demnach bereits die Ehrlichkeit. Somit wirkt Pre-Employment-Screening risikoreduzierend, ehe es überhaupt durchgeführt wurde.

Dieser Beitrag stammt aus dem Wirtschaftsführer.

 

Mag. Bernhard Maier

MA, Berufsdetektiv und Risikomanager, Wien
 

Ass. iur. Holger Berens

Studiengangsleiter Wirtschaftsrecht Rheinischen Fachhochschule Köln
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