11.06.2018

Nach dem Billigbieterprinzip

Die öffentliche Wahrnehmung der privaten Sicherheitswirtschaft –
Teil 2

Nach dem Billigbieterprinzip

Die öffentliche Wahrnehmung der privaten Sicherheitswirtschaft –
Teil 2

Stimmt im Bewachungsgewerbe das Verhältnis von Risiko und Bezahlung? | © M. Schuppich-fotolia.com
Stimmt im Bewachungsgewerbe das Verhältnis von Risiko und Bezahlung? | © M. Schuppich-fotolia.com

Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage ist es mehr denn je von Bedeutung, dass Sicherheitsunternehmen und ihre Mitarbeiter von der Gesellschaft anerkannt und respektiert werden. Welche positiven und negativen Einflussfaktoren es gibt, die die öffentliche Wahrnehmung der privaten Sicherheitsdienstleister bestimmen, lesen Sie in loser Folge in der Reihe „Öffentliche Wahrnehmung der privaten Sicherheitswirtschaft. Teil 2 der Reihe befasst sich mit der Bezahlung der Dienstleistung.

Werkschutz, Alarmverfolgung und Kurierdienste

Das Tätigkeitsfeld hat sich in den letzten 20 Jahren verändert, indem mehr und mehr hochspezialisierte Tätigkeiten hinzugekommen sind. Zu den Dienstleistungsaufgaben des Bewachungsgewerbes zählen heute unter anderem Werk- und Objektschutz, Revierdienst, Alarmverfolgung und Notrufserviceleitstelle, Veranstaltungsdienste, Diskotheken, Warenhausdetektive, Shopguards, Kurierdienste, Begleitung von Öffentlichem Nah-, Fern- und Flugverkehr, Zugbegleitung, Fahrkartenkontrolle, Citystreife, Personenschutz sowie die Bewachung von Kernkraftwerken, militärischen Objekten, Kliniken, Asylbewerberheimen, Justizvollzugsanstalten, Gleisbereichen usw.

Verantwortlich für die Tätigkeitserweiterung ist, dass sich die Menschen vom Staat alleine nicht ausreichend beschützt fühlen, wodurch die privaten Sicherheitsdienstleister immer bedeutsamer werden. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen ist der Staat alleine nicht mehr dazu in der Lage, das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und der Wirtschaft zu befriedigen. Früher wurden ausschließlich die staatlichen Sicherheitsbehörden verantwortlich für die Sicherheit gemacht. Diese Ansicht hat sich mittlerweile geändert und die Aufgabe der Sicherheit wird nun einerseits von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie andererseits von Sicherheitsunternehmen übernommen. Aufgrund der polizeilichen Überforderung mit der Kriminalität sieht auch die Mehrheit der befragten Personen die privaten Sicherheitsdienstleister als wichtiges Instrument zur Unterstützung und Entlastung der Polizei. Die innere Sicherheit wird demnach erheblich von privaten Sicherheitsdienstleistern unterstützt und aufrechterhalten.


Zunehmende Privatisierung der Sicherheit

Besonders kritisch für die Beeinflussung der öffentlichen Wahrnehmung des Bewachungsgewerbes ist jedoch genau die zunehmende Privatisierung der Sicherheit. Immer mehr Aufgaben werden an private Sicherheitsdienstleister übertragen, damit die Sicherheit Deutschlands gewährleistet werden kann. Demzufolge ist in den letzten 20 Jahren die Zahl der privaten Sicherheitsfirmen auf über 5.500 Unternehmen angestiegen.

Insbesondere hoheitliche Aufgaben werden an günstige private Sicherheitsdienstleister ausgelagert und diese Unternehmen beauftragen oftmals Subunternehmen, um die Aufgaben erfüllen zu können. Jedoch führt das zu einem Weiterreichen des Auftrages, bis zuletzt die Tätigkeit bei polizeibekannten Schlägertypen landet, wenn man sich auf Aussagen jüngster und vergangener Medienberichte stützt (Beitrag # 5: Einflussfaktoren auf die Wahrnehmung für private Sicherheitsdienstleister: Berichtserstattung der Medien).

Vergabe nach dem Billigstbieterprinzip

Schon vor 8 Jahren machte eine durchgeführte Studie deutlich, dass die Nachfrage an privaten Sicherheitsdienstleistern zunimmt. Dieser Trend ist nicht zurückgegangen; im Gegenteil: Die Nachfrage wird immer stärker. Aufträge werden jedoch häufig nach dem Billigstbieterprinzip vergeben und es besteht die Sorge, dass folglich nach und nach die Qualität der Arbeit nachlässt und unseriöse Unternehmen den Auftrag erlangen.

Das Problematische daran ist, dass durch das Billigbieterprinzip unqualifiziertes Personal beschäftigt wird, das der komplexen Aufgabe der Sicherheit nicht nachkommen kann. Zudem können die negativen Auswirkungen solcher Vergabeverfahren letztendlich das Ansehen der Branche in der Öffentlichkeit negativ beeinflussen. Es ist einfach unrealistisch, eine qualifizierte Sicherheitsdienstleistung mit ausgebildeten Sicherheitsmitarbeitern zu erwarten, wenn die Auswahl der Dienstleistung nach dem Billigbieterprinzip erfolgt und die Sicherheitsmitarbeiter nur einen Mindestlohn erhalten.

Unterbietung des Mindestlohns

Noch kritischer wird es, wenn Unternehmen selbst versuchen, den Mindestlohn zu unterbieten. Obwohl durch den Mindestlohn die Bezahlung in Deutschland angehoben wurde, kommt das Geld bei vielen Sicherheitsmitarbeitern nicht komplett an. Neben unzufriedenen Mitarbeitern, schlechten Arbeitsbedingungen wie 60-Stunden-Wochen oder zwei Wochen am Stück Zwölf-Stunden-Schichten kommen Methoden zum Einsatz, mit denen Firmen versuchen, verbindliche Löhne zu umgehen. Dazu gehören beispielsweise gesetzeswidrige Zwölf-Stunden-Schichten ohne Pause, wobei auf dem Gehaltszettel jedoch die Pausen abgezogen werden. Oder es werden Fahrzeiten von einem Einsatzort zum nächsten nicht bezahlt, obwohl diese zur Arbeitszeit gehören.

Bislang galt immer das Baugewerbe als Lohndumping-Hochburg, jedoch stellte sich 2012 nach polizeilichen Ermittlungen heraus, dass das Bewachungsgewerbe über der Quote des Baugewerbes liegt. Die Folge davon ist, dass das Bewachungsgewerbe als schlecht bezahlte Branche gilt und somit in der Gesellschaft einen schlechten Ruf erlangt hat. Selbst wenn die Unternehmen fair bezahlen, müssen gezielte Mammutschichten übernommen werden, weil der Lohn kaum zum Überleben reicht.

Das Risiko

Zudem kann bemängelt werden, dass in vielen Bereichen des Bewachungsgewerbes das Verhältnis von Risiko und Bezahlung nicht stimmt. Besonders die Überfälle auf Geldtransporte untermauern die Meinungsbildung enorm. Beispielsweise erschießt 2007 ein Räuber einen Wachmann, der gerade aus dem Geldtransporter aussteigt. Ebenso wird 2006 ein Wachmann erst mit der Waffe bedroht und danach erschossen. 2003 schießen maskierte Männer mit Maschinenpistolen auf einen Geldtransporter. Eines der Ereignisse geschah im Dezember 2014, wie eine Berliner Zeitung mit der Schlagzeile „Überfall auf Geldtransport-Firma – Täter machen Millionen Beute“, verkündet. Dass Sicherheitsmitarbeiter oft Situationen mit hohem Risiko ausgesetzt sind, ist ein weiterer Beleg für die negative Wahrnehmung und dies trotz der geringen Bezahlung sowie der erheblichen Risiken mit Konfrontationspotenzial.

Das negative Image

Eine selbstständig durchgeführte Umfrage von Lydia Limpach im Zuge ihrer Masterarbeit („Öffentliche Wahrnehmung der privaten Sicherheitswirtschaft -Eine empirische Untersuchung-“) macht die einflussreichsten Faktoren für die Entstehung eines negativ behafteten Images im Bewachungsgewerbe deutlich. Hier wird bestätigt, dass die geringe Bezahlung der privaten Sicherheitsdienstleistungen ausschlaggebend für ein negatives Image ist. Das Bewachungsgewerbe wird von dem überwiegenden Teil der Befragten als „Niedriglohnsektor mit Dumpinglöhnen“ wahrgenommen, der seine Mitarbeiter „in die Armut“ schickt. Zudem bekämen Mitarbeiter zu wenig Anerkennung für ihre Arbeit und müssen eine hohe Stundenbelastung ertragen, um eben dieser Armut zu entkommen.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt; er stammt aus einer 6teiligen Beitragsreihe, abgeleitet von der Masterarbeit mit dem Titel „Öffentliche Wahrnehmung der privaten Sicherheitswirtschaft – Eine empirische Untersuchung“ von Lydia Limpach.

 

Lydia Limpach

Prüferin bei der IHK Berlin. ProfilPASS-Beraterin
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