07.06.2018

Osmanen Germania wieder in den Schlagzeilen

Delinquenten mit politischen Verbindungen

Osmanen Germania wieder in den Schlagzeilen

Delinquenten mit politischen Verbindungen

Immer wieder geraten Mitglieder und ganze sog. Chapter des Osmanen Germania Box Clubs in die Schlagzeilen. | © fotomek - stock.adobe.com
Immer wieder geraten Mitglieder und ganze sog. Chapter des Osmanen Germania Box Clubs in die Schlagzeilen. | © fotomek - stock.adobe.com

Immer wieder geraten Mitglieder und ganze sog. Chapter des Osmanen Germania Box Clubs (OGBC) in die Schlagzeilen. Wegen diverser Formen von Kriminalität, ihrer Kampfansagen gegen andere Rockergruppen, ihres rapiden Wachstums und ihrer Beziehungen zur türkischen Regierungspartei AKP. Doch noch andere Verbindungen sind interessant.

Phänomen Box Club Osmanen Germania

Als „rockerähnliche“ Gruppierung wuchs der Box Club in kürzester Zeit nach offizieller Gründung im April 2015 und nach eigenen Angaben auf ca. 2.500 Mitglieder deutschlandweit an. Nötig dafür waren drei Bedingungen:

  1. Die Gründung wurde geplant und nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden bereits im Jahr 2014 vollzogen. Damit verfügten die Osmanen Germania bereits über Unterstützer und Verbindungen, die ihre Entstehung beschlossen haben, förderten und vermutlich auch gegenwärtig noch fördern.
  2. Der Box Club und sein Vorstand verfügten von Beginn an über hohe Geldsummen, um die Clubs vor Ort mit Logistik, Liegenschaften und Corporate Identity (Kutten etc.) ausstatten zu können. Auch hier zeigten sich diverse organisatorische Schritte, die bereits vor dem offiziellen Gründungdatum erfolgt sein mussten.
  3. Aufnahmeverfahren von Mitgliedern konnten bzw. mussten binnen kürzester Zeit erfolgen. Lange Bewährungszeiten zur endgültigen Aufnahme als Member blieben den Anwärtern (Prospects) vor allem in den ersten zwei Jahren somit erspart, denn die Osmanen wollten schnell mannstark auftreten können.

Diese drei Faktoren bedingen sich gegenseitig: Der Club war von Interessenten gewollt, geplant und ist nicht aus eigenem Antrieb des Gründungs- und „Worldpresident“ Mehmet Bagcı und seinem Stellvertreter Selçuk Can Sahin entstanden, um „Jugendliche von der Straße zu holen“, wie sie stets betonten, wobei ein Blick auf die heterogene Altersstruktur bis mindestens Ende 40 ohnehin etwas anderes suggeriert. Dem „Plan-Club“ wurden zudem finanzielle Mittel noch vor der Gründung zur Verfügung gestellt, um direkt personenstark und als erkennbare Einheit auftreten zu können. Es ging von Anfang an darum, sich bemerkbar zu machen, aufzufallen, zu provozieren und damit letztendlich Macht zu demonstrieren. Nicht nur gegenüber definierten Feinden im Rockermilieu.


Ziele und Reichweite

Der OGBC vertritt türkisch-nationalistische Tendenzen und besitzt ansonsten Interesse an üblichen Geschäftsfeldern, die auch von anderen Rockergruppen favorisiert werden. Lokal zeigen sich Kooperationen mit dem Lobbyverein „Union der Europäisch-Türkischen Demokraten“ (UETD), den Grauen Wölfen einerseits und Anhängern salafistischer Bestrebungen andererseits. Es bleibt die Frage nach der Motivation: Wer hat ein Interesse, einen solchen Club aufzubauen, der vor allem durch kriminelle Agitation und prollig vorgetragenes Kräftemessen gegen andere Rockerclubs bei gleichzeitigen Verbindungen zu solchen immer wieder in den Medien auffällt und aus seinen nationalistischen Tendenzen keinen Hehl macht?

Eine Art Werbevideo mit Sprechgesang im Stil des „Gangsta-Rap“ aus dem Jahr 2015 gibt hierzu nach wie vor die beste Auskunft. Mit der Passage: „Wir kommen und übernehmen das ganze Land“ ist an sich alles gesagt. Wer die Reichweite des Clubs nur auf die sichtbaren Akteure reduziert, häufig bereits vor Eintritt in den Box Club bereits mehr oder weniger erfolgreiche Kriminelle, vernachlässigt deren Verbindungen und die Motivation derer, die den Club überhaupt erst ermöglicht haben. Es geht eben nicht nur um die Übernahme rockertypischer Wirtschaftszweige. Der Territorialkampf bezieht sich auch gegen alle, die als Feinde der Türkei ausfindig gemacht werden.

Kritiker des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyib Erdogan, wie der ZDF-Moderator Jan Böhmermann, geraten schnell in das Visier der Osmanen Germania. Vor allem aber Kurden oder Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, die Erdogans Politik angreifen, werden gezielt eingeschüchtert und schnell zu Gülen-Anhängern deklariert. Verschiedene Medien betitelten den Box Club entsprechend als „Erdogans Schlägertrupp“. Gegen wen und mit wem der OGBC zusammenarbeitet, ist durchaus aufschlussreich. Zudem hat er mittlerweile Ableger in weiteren Sportvereinen, in denen tatsächlich und insbesondere Jugendliche angesprochen werden, während sich deren Vorstände als engagierte Jugendarbeiter präsentieren und Fördermittel beantragen.

Einschätzung des Bedrohungspotenzials

Eine Chance für die Sicherheitsbehörden besteht in der Netzwerkanalyse des Box Clubs zu anderen Gruppen, Personen, Einrichtungen und deren politischen Verbindungen. Auf der einen Seite treten sie gegen Rockergruppen an (z.B. offene Feindschaft mit den kurdischen Bahoz und Teilen der „alten“ Hells Angels), auf der anderen Seite pflegen sie Umgang und bisweilen freundschaftliche Verhältnisse, wie die Nähe zum türkischen Flügel der Hells Angels zeigt. Auch die Verbindungen zu den Grauen Wölfen sind lokal unterschiedlich zu bewerten. In Hamburg konnten unlängst Spannungen zwischen Mitgliedern des OGBC und den Grauen Wölfen beobachtet werden. Denn während sie der türkische Nationalismus eint, spaltet sie Einstellungen zu religiösen Pflichten des Islam und nicht zuletzt persönliche Antipathien, die zeitweise offen via Facebook ausgetragen wurden.

Solche Verbindungen zu kennen und an diesen anzusetzen, sollte aber nicht nur Aufgabe der Polizei und des Verfassungsschutzes sein. Längst ist der Box Club ein Politikum geworden, denn nicht nur stellen sie einen ausführenden Arm nationalistischer Interessen der Türkei dar, sondern sie besitzen ebenso Kontakte in die deutsche Politik. Zudem sind sie längst nicht nur in Kutte als Osmanen Germania erkennbar. Unlängst betreiben sie weitere (Sport-)Vereine und suchen auf diese Art und Weise Kontakte in die Kommunalpolitik. Dies wahrzunehmen und entsprechende Konsequenzen daraus zu ziehen, muss zunächst eine politische Entscheidung sein.

Fazit

Entstehungsgeschichte und die Ermittlungen deutscher Sicherheitsbehörden machen die Frage nach der Motivation des Box Clubs so zwingend wie naheliegend. Die Osmanen Germania müssen als sicherheitspolitisches Problem verstanden werden, das entsprechend auch politisch gelöst werden muss. Nicht das polizeiliche Vorgehen gegen die (Klein-)Kriminalität einzelner Akteure des Clubs wird die Zukunft des Phänomens in Deutschland entscheiden, sondern der politische Umgang mit Vertretern türkischer Verbände, die eindeutig Kontakte zu dem Box Club pflegen beziehungsweise dessen Dienste in Anspruch nehmen oder sogar Personalunionen pflegen.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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