Planung und Zulassung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen
Privilegierung, Planung und Zulässigkeit im Lichte des § 35 BauGB und des EEG-Ausbauziels 2030
Planung und Zulassung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen
Privilegierung, Planung und Zulässigkeit im Lichte des § 35 BauGB und des EEG-Ausbauziels 2030

Nach den Ausbauzielen gemäß § 4 Satz 1 Nr. 3 EEG soll die installierte Leistung von Solaranlagen bis zum Jahr 2030 215 GW betragen. Dies entspricht einem Netto-Zubau von 2024 an von 127 GW. Dieser soll sich nach § 4 Satz 2 EEG zur Hälfte gebäudeunabhängig und damit in der Fläche vollziehen. Welche baurechtlichen Anforderungen gelten für die Zulassung solcher Anlagen? Wann muss geplant werden? Diesen Fragen geht der folgende Beitrag, der Gegenstand des Vortrages der Verfasserin auf der Frühjahrstagung 2024 der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht der Landesgruppe NRW im Deutschen Anwaltverein1 war, nach.
I. Bedeutung der Privilegierung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen
Eine wesentliche Stellschraube auf dem Weg zur Errichtung einer zulässigen Freiflächen-Photovoltaikanlage (Freiflächen-PV-Anlage) ist die Frage, ob die Anlage ein sog. privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB oder ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB ist. Privilegierte Vorhaben sind bauplanungsrechtlich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Demgegenüber verlangt § 35 Abs. 2 BauGB, dass die Ausführung oder Benutzung eines sonstigen Vorhabens öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Gegenüber dem Nichtentgegenstehen des § 35 Abs. 1 BauGB setzt die Schwelle der fehlenden Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 2 BauGB sehr viel niedriger an. Im Gegensatz zu § 35 Abs. 1 BauGB findet keine abwägende Bewertung statt, ob im Einzelfall das Bauvorhaben von höherem Gewicht ist als der betroffene Belang, sondern jede nachteilige Einwirkung oder Betroffenheit eines öffentlichen Belangs schließt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit aus.2
Bei Freiflächen-PV-Anlagen, d. h. in der Landschaft aufgeständerten Solarmodulen mit einer Ausdehnung von oft mehreren Hektar, wird praktisch immer der Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, dass das Vorhaben die Landschaftspflege, die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, betroffen sein. Eine nicht privilegierte Freiflächen-PV-Anlage ist daher in der Regel im Außenbereich nicht genehmigungsfähig.
Ihre Genehmigungsfähigkeit kann nur hergestellt werden, indem das Genehmigungsregime von § 35 BauGB zu § 30 BauGB gewechselt wird. Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen oder qualifizierten Bebauungsplanes ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dessen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist (vgl. § 30 Abs. 1 und 2 BauGB). Sonstige Belange werden nicht in der Art von § 35 Abs. 3 BauGB geprüft. Über die Aufstellung eines Bebauungsplanes hat es die jeweilige Standortgemeinde also in der Hand, die bauplanungsrechtlichen Ansiedlungsvoraussetzungen für eine nicht-privilegierte Freiflächen-PV-Anlage zu schaffen.
Die Gemeinde entscheidet im Rahmen der ihr eingeräumten Planungshoheit, ob und für welche Freiflächen-PV-Anlagen sie plant. Aus § 2 EEG kann keine Planungspflicht der Gemeinde hergeleitet werden.3 Für nicht privilegierte PV-Anlagen gelten also genau umgekehrte Vorzeichen als es früher kennzeichnend für die Windenergie war. Bei Windenergieanlagen, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB a. F. im gesamten Außenbereich privilegiert waren, musste die Gemeinde, um den Ausbau zu begrenzen, zum Mittel der Ausschlussplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB greifen. Dies führte zu den bekannten Auswüchsen und der ihrerseits überbordenden Rechtsprechung zum sog. Tabukriterien-System. Bei nicht privilegierten Freiflächen-PV-Anlagen muss die Gemeinde hingegen nichts unternehmen, wenn sie ihr Gemeindegebiet dafür nicht zur Verfügung stellen will. Ohne Planung kein Ausbau. Vorhabenträger hängen insoweit „am Tropf” der Gemeinde, sie sind auf deren Bereitschaft, für sie zu planen, angewiesen.
Anders sieht die Situation bei privilegierten Freiflächen-PV-Anlagen aus. Eine planerische Steuerung privilegierter PV-Anlagen ist nicht möglich. Die Ermächtigungsgrundlage für die sog. Konzentrationszonenplanung, § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, eröffnet die Ausschlussplanung nur für Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB. Die Privilegierungstatbestände für PV-Anlagen sind jedoch in § 35 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BauGB zu finden. Der fehlende planerische Einfluss der Gemeinden auf privilegierte Freiflächen-PV-Anlagen stattet diese mit besonderer Durchsetzungskraft aus und erhöht die Ausbauchancen.
II. Gesetzliche Privilegierungstatbestände
Eine Privilegierung von Freiflächen-PV-Anlage kommt als sog. mitgezogene Nutzung sowie nach den neuen Vorschriften in § 35 Abs. 1 Nr. 8 lit. b) und Nr. 9 BauGB in Betracht.
§ 35 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BauGB scheiden als Privilegierungstatbestände aus, weil Freiflächen-PV-Anlagen keine besonderen Standortanforderungen stellen. Sie können überall aufgestellt werden, wo die Sonne scheint, und sind z. B. als selbständiger Gewerbebetrieb im Gewerbegebiet (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) auch im Innenbereich denkbar. Somit fehlt es an der bei § 35 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BauGB geforderten Orts- bzw. Außenbereichsgebundenheit der Anlage.4
1. Mitgezogene Nutzung
Als mitgezogene Nutzung bezeichnet man untergeordnete Betriebsteile eines gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Hauptbetriebes, die aufgrund ihrer betrieblichen Zugehörigkeit zum Hauptbetrieb in dem Sinne „mitgezogen” werden, dass sich ihre bauplanungsrechtliche Beurteilung nach derjenigen des Hauptbetriebes richtet.5 Eine PV-Anlage kann als ein solcher einer Hauptanlage zugehöriger Betriebsteil angesehen werden, wenn der erzeugte Strom überwiegend dazu bestimmt ist, den Energiebedarf des Hauptbetriebes zu decken. Wenn der Strom also nicht in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist werden soll, sondern es sich im Wesentlichen um eine Anlage zur Eigenversorgung handelt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 zur Windstromerzeugung anerkannt. Allerdings fehle es an der dienenden Funktion der Anlage, wenn der betriebsbezogene Anteil der Energieversorgung den zur Einspeisung in das öffentliche Netz bestimmten Anteil nicht deutlich überwiege. Danach reiche es nicht aus, wenn die erzeugte Energie nur gut zur Hälfte, also zu 51 bis etwa 60 %, in dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb genutzt werde. Im konkreten Fall hat das BVerwG einen Anteil der Eigennutzung von ca. zwei Dritteln des mit einer Windenergieanlage erzeugten Stroms akzeptiert.6
2. § 35 Abs. 1 Nr. 8 lit. b) BauGB
Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 8 lit. b) BauGB sind Vorhaben, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, auf einer Fläche längs von Autobahnen oder Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2 b AEG mit mindestens zwei Hauptgleisen und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 m, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, privilegiert. Diesen Privilegierungstatbestand gibt es seit dem 01.01.2023. Er ist durch das Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien im Städtebaurecht7 in das BauGB eingefügt worden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es sich bei dem Bereich von 200 m entlang der angesprochenen Verkehrswege um einen ohnehin durch optische und akustische Belastungen vorgeprägten Bereich handelt, sodass der dortigen Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen kein Planungsbedürfnis entgegensteht.8
Die Formulierung lehnt sich an § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. c) aa) EEG 2023 an. Die privilegierte Fläche (bis 200 m) ist jedoch enger als die aktuelle Förderkulisse (bis 500 m). Aufgrund der Ähnlichkeit der Regelungen kann zur Auslegung das energiewirtschaftliche Schrifttum herangezogen werden. Wertvolle Erkenntnisse liefern besonders die Hinweise der Clearingstelle EEG aus dem Jahr 20129, die einige grundlegende Klärungen herbeigeführt haben und im energiewirtschaftlichen Schrifttum auf breite Zustimmung gestoßen sind.10
Die Entfernung von bis zu 200 m bestimmt sich danach als alle Punkte der längs eines Schienenweges oder einer Autobahn gelegenen Fläche, die nicht weiter als 200 m (in Luftlinie) vom nächstgelegenen Punkt des äußeren Randes der befestigten Fahrbahn der Autobahn bzw. des Schienenweges entfernt sind.11 Bei Autobahnen bildet das seitliche Ende der für den Kraftfahrzeugverkehr nutzbaren Verkehrsfläche den „äußeren Rand der befestigten Fahrbahn”. Die nutzbare Verkehrsfläche sind die Hauptfahrbahnen einschließlich der Seitenstreifen, die Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen der Anschlussstellen sowie die Anschlussstellen selbst.12 Im Fall von Nebenbetrieben, wie z. B. Raststätten, zählt nicht die gesamte Fläche, sondern nur die der Hauptfahrbahn am nächsten liegende durchgehende Fahrbahn (sog. Durchfahrgasse) zur befestigten Fahrbahn.13
Bei Schienenwegen definiert die Clearingstelle EEG den äußeren Rand der befestigten Fahrbahn als die äußere Kante des Gleisbettes, unabhängig davon, ob dieses als Schotterbett oder als Fahrbahn aus Beton oder Asphalt ausgeführt ist.14
Mit der Anforderung, dass es sich um Flächen „längs” von Autobahnen oder den genannten Schienenwegen handeln muss, ist gesagt, dass die Freiflächen-PV-Anlage mehr oder minder direkt neben dem Verkehrsweg errichtet werden muss. Befinden sich zwischen der Fahrbahn und dem Vorhabenstandort andere bauliche Nutzungen, können diese eine Zäsurwirkung haben. So kann bei einer durch eine Häuserzeile von der Autobahn abgetrennten Fläche nicht mehr die Rede davon sein, dass diese „längs” der Autobahn liegt, auch wenn insgesamt die Entfernung von 200 m eingehalten wird. Der Begriff „längs” bedingt insofern eine qualifizierte Nähebeziehung von Anlagenstandort und Verkehrsweg.15
Nach der eindeutigen Formulierung des Gesetzes bildet die Entfernung von 200 m zudem eine strikte Grenze. Anlagen, die die Entfernung überschreiten, sind mit den Bereichen, die über die Entfernung von 200 m hinausreichen, nicht privilegiert. In solchen Fällen ist für die bauplanungsrechtliche Prüfung der gesamten Anlage eine gedankliche Aufspaltung in eine privilegierte Teilanlage und eine nicht-privilegierte Teilanlage vorzunehmen. Der nicht privilegierte Anlagenteil muss als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig sein, damit das Vorhaben insgesamt als zulässig beurteilt werden kann.
3. § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB
Mit der Digitalisierungsnovelle 202316 hat der Gesetzgeber mit § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB eine Privilegierung für sog. Agri-PV-Anlagen geschaffen. Als Agri-PV-Anlagen bezeichnet man PV-Anlagen, die auf landwirtschaftlich genutzten Flächen errichtet und als Kombinationsnutzung so betrieben werden, dass weiterhin eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung stattfinden kann. Ähnlich wie bei Freiflächen-PV-Anlagen entlang von Verkehrswegen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 8 lit. b) BauGB nimmt der Gesetzgeber an, dass für die geregelten Agri-PV-Anlagen kein Planungsbedürfnis bestehe, weshalb die Privilegierung möglich sei.17
Privilegiert ist die Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 lit. a), b) oder c) EEG, unter folgenden Voraussetzungen:
- a) das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BauGB,
- b) die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 m² und
- c) es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
Über den Verweis auf die besonderen Solaranlagen nach § 48 EEG wird der Begriff der Agri-PV-Anlage im Sinne des Gesetzes konkretisiert. Es gelten die dort geregelten Anforderungen an Standort und Betriebsweise der Anlagen. Demgegenüber ist es für die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB keine Voraussetzung, dass der Strom ins Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und nach EEG vergütet wird.18
In technischer Hinsicht müssen über § 48 Abs. 1 Nr. 5 EEG die Festlegungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) gemäß § 85 c EEG berücksichtigt werden. Aktuell sind die Festlegungen vom 01.07.2023, Az.: 4.08.01.01/1#419. Danach gilt der Stand der Technik im Hinblick auf die gleichzeitige landwirtschaftliche Nutzung als eingehalten, wenn die Solaranlagen die Anforderungen der DIN SPEC 91434:2021-5 erfüllen. Die landwirtschaftliche Tätigkeit muss damit mindestens 66 % des Ertrags der Kulturpflanzen eines Referenzertrags der Fläche ohne Solaranlage erreichen. Die DIN SPEC 91434 beinhaltet zudem Obergrenzen der Flächeninanspruchnahme von 10 % bei hochaufgeständerten Modulen, bei denen die landwirtschaftliche Nutzung unter den Modulen stattfindet (sog. Katgeorie I) sowie von 15 % bei bodennah aufgeständerten Modulen, bei denen die Bewirtschaftung zwischen den Modulreihen erfolgt (sog. Kategorie II). Die Flächengrenzen beziehen sich auf die Flächenanteile, die vor dem Bau der Agri-PV-Anlage bewirtschaftet wurden, nach dem Bau durch Aufbauten und Unterkonstruktionen der PV-Anlage aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausfallen.
Wie sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 5 EEG ergibt, können privilegierte Agri-PV-Anlagen nicht in bestimmten besonders geschützten Gebieten errichtet werden. Sie kommen nicht in Betracht auf Moorböden, in Naturschutzgebieten nach § 23 BNatSchG, in Nationalparks nach § 24 BNatSchG und bei Dauergrünland zusätzlich nicht in Natura 2000-Gebieten i. S. d. § 7 Abs. Nr. 8 BNatSchG im Bereich von Lebensraumtypen, die in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführt sind.
Zu den förderrechtlichen Anforderungen treten besondere baurechtliche Tatbestandsvoraussetzungen hinzu. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 9 lit. a) und c) BauGB – nur eine Anlage je Hofstelle oder Betriebsstandort sowie ein räumlich-funktionaler Zusammenhang mit einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB oder einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB – sind an das Vorbild des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zur Privilegierung von Biomasseanlagen angelehnt. Der räumlich-funktionale Zusammenhang setzt danach eine räumliche Nähe zu den Schwerpunkten der betrieblichen Abläufe voraus. Bei Biomasseanlagen wird dafür verlangt, dass es sich um hofnahe Flächen handelt, die durch die Hofstelle bereits baulich vorbelastet sind.20 Der darin liegende Gedanke der Schonung des Außenbereichs ist bei Biomasseanlagen, die technisch nicht an einen bestimmten Standort innerhalb eines Betriebes gebunden sind, ohne weiteres nachzuvollziehen. Bei PV-Anlagen gewinnt das funktionale Element gegenüber der Betonung des räumlichen Zusammenhangs eine stärkere Bedeutung. Agri-PV-Anlagen zielen gerade auf Landnutzungsprojekte, bei denen die landwirtschaftliche Nutzung von dem Witterungsschutz, den die PV-Module bieten, profitiert. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, den räumlich-funktionale Zusammenhang auch dann als erfüllt anzusehen, wenn eine Fläche gewählt wird, die zwar nicht hofnah ist, auf der aber z. B. Dauerkulturen angelegt sind, für die die kombinierte PV-Nutzung Bewirtschaftungsvorteile bietet.21
Nicht notwendig ist eine Personenidentität des Betriebsinhabers nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BauGB und des Betreibers der PV-Anlage.22 Soweit bei Biomasseanlagen zumindest ein bestimmender Einfluss des Landwirts gefordert wird,23 wird dazu auf den Wortlaut von § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB abgehoben, wonach die Biomasseanlage „im Rahmen” eines landwirtschaftlichen Hauptbetriebs betrieben werden muss. Eine vergleichbare Formulierung findet sich in § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB nicht. Dafür besteht auch kein Bedarf. Die Anforderungen der DIN SPEC 91434 sichern eine notwendige Abstimmung des Anlagendesigns mit der landwirtschaftlichen Produktion.
§ 35 Abs. 1 Nr. 9 lit. b) BauGB legt fest, dass eine Grundfläche von 2,5 ha nicht überschritten werden darf. Es stellt sich die Frage, was als Grundfläche der Anlage in diesem Sinne anzusehen ist: die Fläche innerhalb einer äußeren Umfassung sämtlicher PV-Module oder allein die Summe der von den baulichen Anlagenteilen überdeckten Flächen, also unter Abzug der landwirtschaftlich bewirtschafteten Böden. Im ersten Fall würde die Flächenschwelle bedeuten, dass nur auf kleinen Äckern privilegierte Agri-PV-Anlagen errichtet werden können. Im zweiten Fall würde dies zu etwa siebenmal größeren Flächen führen. Zu Windenergieanlagen hat das BVerwG entschieden, dass die Rotorüberflugflächen nicht zur Grundfläche der Anlage gehören, weil das Schutzgut von Grundflächenfestlegungen, d. h. der Schutz vor Versiegelung, durch den bloßen Rotorüberflug nicht betroffen sei.24 Gestützt auf diese Rechtsprechung, habe ich in einem Beitrag in der NVwZ 2023 vertreten, dass die Grundfläche einer Agri-PV-Anlage als die reine Aufstellfläche der baulichen Anlage, also die Fläche, die von den Ständeranlagen und den Modulen in Anspruch genommen wird, anzusehen ist. Im Fall hochaufgeständerter Anlagen ist das also der gesamte Bereich der Anlage. Im Fall bodennaher Module, bei dem die landwirtschaftliche Nutzung zwischen den Modulreihen stattfindet, sind die landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen zwischen den Modulreihen, die nicht von Anlagenteilen überdeckt werden, nicht einzurechnen.25 In dem inzwischen vorliegenden Mustereinführungserlass zur Digitalisierungsnovelle wird hingegen auf den beabsichtigten größtmöglichen Schutz des Außenbereichs abgehoben, den der Gesetzgeber bei allen Vorhaben im Außenbereich mit § 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB zum Ausdruck bringe. Maßgeblich sei daher die Fläche, die von den äußersten Modulflanken eingegrenzt werde.26 Diese Ansicht ist vorzugswürdig. Sie entspricht dem gängigen Sprachgebrauch, wonach mit der „Flächengröße” die Gesamtfläche gemeint wird. Der Mustereinführungserlass weist zu Recht darauf hin, dass die Sichtweise, wonach auf die senkrechte Projektionsfläche der einzelnen Module abgestellt wird, bei nahezu senkrecht aufgeständerten bzw. Solarzaun-Anlagen wegen der marginalen Projektionsflächen an seine Grenzen stößt.
Entnommen aus den NWVBl. Heft 4/2025.