25.06.2025

Kartellschadensersatz wegen Rundholzvermarktung

Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz

Kartellschadensersatz wegen Rundholzvermarktung

Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Bekanntermaßen wird das Land Rheinland-Pfalz wegen angeblich kartellrechtswidriger Rundholzvermarktungspraxis auf rund 121 Mio. Euro Schadensersatz verklagt. In der Folge hat das Land mehr als 1.000 Kommunen (überwiegend Ortsgemeinden) und Zweckverbänden sowie knapp 100 privaten Waldbesitzenden den Streit verkündet. Diese waren in der Vergangenheit an der gebündelten Holzvermarktung beteiligt und sind Eigentümer von Waldflächen über 100 Hektar.

In Folge der Streitverkündung wird der Empfänger an den Ausgang des Rechtsstreits gebunden und die Verjährung etwaiger Regressansprüche gehemmt. Sollte das Land rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilt werden, stellt sich im Innenverhältnis die Frage von Regressansprüchen des Landes gegenüber anderen beteiligten Waldbesitzenden. Durch die Streitverkündung selbst werden aber keine Regressansprüche erhoben. Die Streitverkündung würde sich also erst in einem möglichen Folgeprozess auswirken.

Die Gemeinde Morbach und die Stadt Ingelheim sind im Interesse aller Streitverkündungsempfänger dem Rechtsstreit auf Seiten des beklagten Landes beigetreten. Der Streitbeitritt war notwendig, um die kommunalen Belange wirksam wahren zu können.


Beschluss des OLG Koblenz vom 07.11.2024

Das OLG Koblenz sieht in seinem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 07.11.2024 (Az.: U 1721/22 Kart), einen Kartellverstoß des Landes als gegeben an und bejaht dem Grunde nach einen Kartellschadensersatzanspruch.
Die Abtretungen der Schadensersatzansprüche der Sägewerksbesitzer an die Klägerin verstoßen nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und sind wirksam. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist nach Auffassung des OLG Koblenz, unter Hinweis auf verschiedene aktuelle Entscheidungen des BGH, gegeben.
Das OLG Koblenz sieht einen Verstoß gegen das Kartellverbot gemäß Art. 101 Abs. 1 AEUV.
Bei der Holzvermarktung seitens des Landes handelt es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Kartellrechts. Auch private Unternehmen können die Tätigkeit anbieten und erbringen. Keinen wirtschaftlichen Charakter haben dagegen Tätigkeiten, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgen. Nach Auffassung des OLG implizieren die Regelungen in § 27 Abs. 3 LWaldG a. F. in der Fassung bis zum 31.12.2018 und § 31 LWaldG keinen hoheitlichen Charakter der Holzvermarktung. Körperschaften und Privatwaldbesitzende waren nicht zu einer Übertragung der Aufgabe verpflichtet. Die Aufgabenwahrnehmung seitens des Landes beruhte auf einem privatrechtlichen Vertrag.

Das beklagte Land kann sich nicht darauf berufen, dass ihm die Rundholzvermarktung durch das LWaldG vorgeschrieben wurde und ihm aufgrund der gesetzlichen Regelung die Möglichkeit zu selbstständigem, wettbewerbskonformem Verhalten genommen war. Das beklagte Land und die ihm unterstehenden Forstämter sind nach den Regelungen des § 27 LWaldG a. F. und § 31 LWaldG nicht zu einer Bündelung des Rundholzes verpflichtet. Aus den Normen lässt sich die Art und Weise der Vermarktung nicht konkret ableiten. Wille des Gesetzgebers war lediglich, dass der Holzverkauf durch das beklagte Land und dessen Einrichtungen zu erfolgen hat. Konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung und organisatorischen Umsetzung der Vermarktung sind weder der gesetzlichen Regelung noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen.

Der Senat geht davon aus, dass der räumlich relevante Markt überwiegend durch die Verwaltungsgrenzen des Landes Rheinland-Pfalz bestimmt wird. Es kann sowohl eine bezweckte als auch eine bewirkte Wettbewerbsbeeinträchtigung in Betracht kommen. In Form einer Vereinheitlichung der Preise für Rundholz derselben Art und Qualität, unabhängig von dessen Herkunft aus Privat-, Körperschafts- oder Staatswald, dürfte eine Kernbeschränkung vorliegen.

Unter dem Aspekt des Arbeitsgemeinschaftsgedankens wird der gebündelte Rundholzverkauf für alle Waldbesitzenden bis 100 Hektar Größe als kartellrechtlich zulässig angesehen. Das OLG Koblenz geht davon aus, dass jeder Waldbesitzende, der über eine Fläche von 100 Hektar verfügt, in der Lage ist, mit dem aus seinem Wald generierten Holz als Anbieter am Wettbewerb teilzunehmen. Unterschiede zwischen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die das beklagte Land diesbezüglich geltend macht (Waldbesitzstruktur, Einschlagsmenge, Baumartenzusammensetzung, Sägewerksstruktur), werden nicht anerkannt.

Die Bündelung von Rundholz und dessen einheitliche Vermarktung waren aus Sicht des Senats geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Es kommt nicht darauf an, dass der zwischenstaatliche Handel tatsächlich beeinträchtigt wurde. Allein entscheidend ist, dass die Absprache hierzu geeignet ist bzw. eine Gefahr der Beeinträchtigung begründet. Es ist nach Auffassung des Senats nicht auszuschließen, dass sich der zwischenstaatliche Handel von Rundholz ohne die streit-gegenständliche Rundholzbündelung anders entwickelt hätte.

Das OLG Koblenz sieht die gebündelte Rundholzvermarktung nicht als unerlässlich zur Erreichung von Effizienzvorteilen, von Liefersicherheit und von Holzmobilisierung an. Als weniger einschneidende Maßnahme dürfte z. B. die Bildung von Kooperationen der Waldbesitzenden in Betracht kommen. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Verfolgung der Gemeinwohlziele, die in den §§ 4 ff. LWaldG als Verpflichtung für alle Waldbesitzenden formuliert sind, durch die Bündelung der Holzvermarktung verbessert wird.
Der Senat geht zudem auch von einem Verschulden des Landes aus. Landesrecht, das dem europarechtlichen Kartellverbot widerspricht, ist stets, nicht nur bei offensichtlicher Fehlerhaftigkeit aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts, unangewendet zu lassen.

Ausblick

Das OLG Koblenz vertritt im Ergebnis eine gänzlich andere Rechtsauffassung als das LG Mainz mit Urteil vom 07.10.2022 (Az.: 9 O 125/20). Offensichtlich hat das Urteil des OLG Stuttgart vom 15.08.2024 (Az.: 2 U 30/22) im baden-württembergischen Klageverfahren die Einschätzungen des Senats maßgeblich beeinflusst.
Der Hinweisbeschluss lässt keinen Zweifel daran, wie das Urteil des OLG Koblenz ausfallen wird. Soweit zugleich ein Beweisbeschluss wegen formaler Fragen ergangen ist, dürfte dies am Ende nur ein Nebenkriegsschauplatz sein.
Aus Sicht des Gemeinde- und Städtebundes wird erst eine Entscheidung des BGH rechtliche Klarheit über die geltend gemachten Kartellschadensersatzansprüche und ggf. deren Höhe bringen. Oberste Zielsetzung in Rheinland-Pfalz muss sein, dass das Land den anhängigen Rechtsstreit gewinnt.

Entnommen aus der GvRP Heft 2/2025.

 

Dr. Stefan Schäfer

Forst- und Pressereferent des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz
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