15.02.2014

Mein ist der PC und also auch die Daten…

… vom Irrtum des Dienstherrn bzw. Vorgesetzten

Mein ist der PC und also auch die Daten…

… vom Irrtum des Dienstherrn bzw. Vorgesetzten

Ausspähen verboten: Auch auf einem Dienst-Computer hat Privates privat zu bleiben. | © by-studio - Fotolia
Ausspähen verboten: Auch auf einem Dienst-Computer hat Privates privat zu bleiben. | © by-studio - Fotolia

Einer Presseinformation des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) vom 30. Mai 2013 war zu entnehmen, dass die beiden Thüringer Chefs der Polizeigewerkschaften Gewerkschaft der Polizei (GdP) und Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Anzeige gegen Unbekannt wegen „illegaler Datenausspähung“ erstattet haben. Hintergrund der Strafanzeige war der Vorwurf, dass das E-Mail-Postfach eines Lehrers am Polizeibildungszentrum Meiningen illegal durchsucht worden sei. Diese Durchsuchung sei zudem auf Anweisung von Vorgesetzten und ohne richterlichen Beschluss erfolgt. Mit diesem Sachverhalt ist die Problematik der Durchsuchung und Beschlagnahme von elektronischen Dateien auf dem Dienst-PC eines Beamten durch den Dienstvorgesetzten in der Thüringer Polizei – leider erneut – aktuell geworden.

Den Ausgangspunkt der Problembetrachtung muss das vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG entwickelte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bilden, das dem Einzelnen das Recht gewährleistet, „grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden“.

Reichweite des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung

Fraglich ist, ob und inwieweit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zur Anwendung gelangt, wenn der Beamte auf seinem Dienst-PC private Dateien angelegt hat, auf die der Dienstherr zugreifen will. Insoweit könnte argumentiert werden, dass das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung von vornherein nicht einschlägig ist, weil bei privaten Dateien, die auf einem dienstlichen PC gespeichert sind, stets davon auszugehen ist, dass diese dienstlichen Charakter haben und vom Vorgesetzten auch eingesehen werden dürfen.


Das Kriterium des Gewahrsams bzw. Mitgewahrsams entsprechend § 102 St PO

Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Sie sieht für die Zuordnung von Daten „zur Sphäre“ des Beamten auch nicht das Eigentum am PC als das maßgebliche Kriterium an. Rechtsprechung und Literatur stellen zur Beantwortung der Frage, auf welche personenbezogenen Daten bzw. Dateien des Dienst-PC eines Beamten der Dienstherr ohne gerichtlichen Beschluss zugreifen kann und für welche personenbezogene Daten bzw. Dateien ein solcher Beschluss des Gerichts nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Thüringer Disziplinargesetz (ThürDG) erforderlich ist, auf den Gewahrsam oder zumindest den Mitgewahrsam des Beamten an den Daten bzw. Dateien ab.

Über dieses Kriterium kann die Feststellung erfolgen, ob dem Beamten ein Laufwerk, ein Verzeichnis oder eine Datei im Sinne von § 102 StPO „gehört“. Dies folgt daraus, dass über § 27 Abs. 1 Satz 3 BDG ebenso wie über § 27 Abs. 1 BremDG oder über § 32 Abs. 1 Satz 1 ThürDG die strafrechtlichen Begriffe der Durchsuchung und Beschlagnahme gem. §§ 94 und 102 StPO entsprechende Anwendung finden. Daher ist es folgerichtig, darauf abzustellen, ob der Beamte an den zu durchsuchenden Dateien Gewahrsam oder zumindest Mitgewahrsam besitzt, zumal elektronisch gespeicherte Dateien Gegenstand einer Durchsuchung und Beschlagnahme sein können.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang der Beschluss des VG Meiningen vom 21. 11. 2011: Danach handelt es sich bei dem Ordner „Eigene Dateien“, der einem Beamten auf seinem Dienst-PC zugewiesen ist, um keinen speziellen privaten Bereich. Begründet hat das VG Meiningen seinen Beschluss mit der Feststellung, dass der Ordner „Eigene Dateien“ bei einer Installation des Betriebssystems automatisch auf dem Laufwerk am Speicherort des Betriebssystems – neben anderen so genannten Systemordnern – eingerichtet werde. Ferner würden dort standardmäßig alle vom jeweiligen Nutzer des PC zu speichernden Daten, Ordner und Dokumente abgelegt. Mithin seien die Dateien auf dem PC des betreffenden Beamten nicht verborgen im Sinne des Begriffs der Durchsuchung gewesen. Eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses bedarf es in diesem Fall folglich nicht.

Erst wenn für den Dienstvorgesetzten deutlich wird, dass der Beamte über eine Datei Gewahrsam erlangt hat – etwa dadurch, dass der betreffende Beamte bestimmte Dateien auf dem „F-Laufwerk“ für persönliche Schreiben aus dienstlichem Anlass abgespeichert hat und andere Personen von der Nutzung dieser Dateien grundsätzlich ausgeschlossen sind – , stellt sich die weitere Frage, ob diese Datei auch eine private Datei des Beamten ist – welche dann dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung unterfiele.

Das Kriterium des Schutzes privater Aufzeichnungen

Ausdrücklich hat das OVG Bremen hierzu festgestellt, dass private Dateien nicht schon deshalb zu Dateien des Dienstherrn würden, weil Sie auf einem Datenträger des Dienstherrn gespeichert sind. Damit stellt sich die entscheidende Frage, wann bzw. anhand welcher Merkmale ein Verzeichnis bzw. eine Datei als privat zu qualifizieren ist und wann sie dienstlichen Charakter besitzt?

Die Gerichte stellen zur Bestimmung des privaten Charakters eines (Unter-)Verzeichnisses bzw. einer Datei zum einen darauf ab, dass diese auf dem Teil des Netzwerkspeichers der EDV-Anlage abgespeichert war, der zur Speicherung privat-dienstlicher Schreiben zur Verfügung gestellt worden bzw. dessen Laufwerk für die übrigen Beamten nicht zugänglich war. Zum anderen stellt das OVG Bremen zur Feststellung des privaten Charakters kumulativ auf die private Bezeichnung des gespeicherten (Unter-)Verzeichnisses und der Dateien ab (z. B. „Humor“, „Spiele“ oder „Sport“) ab. Die Literaturansicht ist der Auffassung des OVG Bremen bei der Verwendung dieser Abgrenzungskriterien gefolgt.

Noch nicht von dieser Konstellation erfasst ist der Fall, dass der Dienstherr im Rahmen einer Kontrolle – verborgene – Dateien öffnet, die nach ihrer Bezeichnung für Außenstehende zwar den Eindruck erwecken, dienstliche (Unter-)Verzeichnisse oder Dateien zu sein, die dann aber eindeutig privaten Inhalts sind.

Allerdings vermag eine – vermeintlich – dienstliche Bezeichnung den privaten Inhalt einer (verborgenen) Datei nicht in Frage zu stellen; einen solchen privaten Inhalt will der Beamte ganz sicher nicht dem Dienstherrn und anderen Beamten (dienstlich) zugänglich machen. Da der Grundrechtsschutz der Privatsphäre an deren materiellem Gehalt und nicht an formalen Bezeichnungen anknüpft, erstreckt er sich auch auf diese (verborgenen) persönlichen Daten.

Folgende Verfahrensweise bietet sich hier an: Sofern der Dienstherr diese Dateien öffnet und dabei den eindeutig privaten Inhalt der Datei erkennt, ist diese Sichtung als Durchsuchung im Sinne von § 32 ThürDG zu klassifizieren und daher unverzüglich abzubrechen. Ein gerichtlicher Beschluss ist umgehend zu beantragen.

Dienstliche Zweckbestimmung des PC und Verbot privater PC-Nutzung versus Schutzbereich? Die Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur haben diese Frage verneint und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass auch eine interne Anordnung oder Regelung des Dienstherrn, die Speicherung privater Dateien zu unterlassen, dem privaten Charakter von Dateien nicht entgegensteht. Das ergibt sich aus der Überlegung, dass die Nutzung des Dienst-PC zu privaten Zwecken entgegen einer dies verbietenden Anordnung oder Regelung zwar eine Dienstpflichtverletzung darstellt, der private Charakter der gleichwohl gespeicherten Datei aber dadurch nicht verloren geht. Vielmehr ist für ihre Öffnung durch den Dienstherrn nach wie vor ein gerichtlicher Beschluss nach § 32 ThürDG erforderlich.

Entgegen dem Erfordernis eines gerichtlichen Beschlusses gewonnene Erkenntnisse unterliegen einem Beweisverwertungsverbot. Das gilt auch für Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen einen gerichtlichen Beschluss gewonnen wurden.

Anordnung durch das Verwaltungsgericht

Gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz ThürDG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag durch Beschluss Durchsuchungen und Beschlagnahmen anordnen.

Streitig ist insbesondere in der Literatur, ob bei Gefahr im Verzug die Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme durch nichtrichterliche Stellen, bzw. die in § 98 Abs. 1 Satz 1 StPO genannten Sicherheitsbehörden vorgenommen werden kann.

Der Teil der Literaturmeinung, die unter entsprechender Anwendung von § 98 Abs. 1 StPO eine solche Anordnungskompetenz der Polizeibehörde und der Staatsanwaltschaft einräumen will, verkennt, dass der Wortlaut von § 27 BDG – im Gegensatz zum früheren § 58 Satz 2 Bundesdisziplinarordnung – eine solche Ausnahme bei Gefahr im Verzug nicht mehr zulässt.

Hinweis der Redaktion: Eine ausführliche Erörterung der Problematik finden Sie in dem Aufsatz von Dr. Lutz Hasse und Tim Fellmann in den Thüringer Verwaltungsblättern 2014 Heft 1 S. 1 ff. sowie Heft 2 S. 36 ff.

 

Dr. Lutz Hasse

Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Erfurt
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