15.02.2014

Kampf gegen religiösen Extremismus

Im Blickpunkt: Salafisten-Frühwarnsystem

Kampf gegen religiösen Extremismus

Im Blickpunkt: Salafisten-Frühwarnsystem

Mit Telefonhotlines und Beratungsstellen gegen die Radikalisierenden junger Menschen. | © MH - Fotolia
Mit Telefonhotlines und Beratungsstellen gegen die Radikalisierenden junger Menschen. | © MH - Fotolia

Während der Herbsttagung des Bundesinnenministerkonferenz 2013 kündigte der hessische Innenminister Boris Rhein die Einführung eines Frühwarnsystems im Kampf gegen Salafisten an. Mit diesem soll verhindert werden, dass Salafisten an Schulen junge Menschen für den Dschihad anwerben. Nach der Äußerung wurde es vorläufig still um das Projekt. Die aggressive Anwerbung der Salafiyya-Bewegung machen jedoch Gedanken über Präventivmaßnahmen unumgänglich. Wie ein solches System ausgestaltet werden könnte, wurde bislang nicht näher erörtert. Ein Blick auf Maßnahmen, die gegen Rechtsextremismus ergriffen wurden, könnte allerdings helfen.

Aggressive Rekrutierung erregt Besorgnis

Bestrebungen der deutschen Salafiyya-Bewegung, Schüler zu rekrutieren, um sie als islamische Krieger nach Syrien zu schicken, alarmieren die Sicherheitsbehörden. Die Lage dort und seit Wochen auch im Irak eint die deutsche Szene untereinander. In Syrien haben sich Kämpfer von mehreren Dschihad-Gruppen mit dem Al-Qaida-Ableger Jabhat-al-Nusra verbündet. Dieser Gruppe hat sich der Großteil der rund 240 deutschen Salafisten angeschlossen, um dort gegen die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad zu kämpfen. Im Norden Syriens befindet sich ein Trainingscamp deutscher Salafisten. Um weitere freiwillige Dschihadisten zu werben, intensivieren sie ihre Rekrutierungsbemühungen. Die Mehrzahl der in Syrien aktiven Terroristen der salafistischen Szene stammt aus Nordrhein-Westfalen, ca. 30 kommen aus Hessen, davon neun aus dem Rhein-Main-Gebiet. Mitte Dezember hatte die Nachricht vom Tod des 26-jährigen Burak Karan, der in der Juniorennationalmannschaft mit Spielern wie Kevin-Prince Boateng und Sami Khedira gespielt hatte, für Schlagzeilen gesorgt. Der junge Mann aus Nordrhein-Westfalen starb im Oktober 2013 als Dschihad-Kämpfer in Syrien. Auch die Lehrergewerkschaft GEW beobachtet mit Sorge aktuelle Entwicklungen und fordert mehr Hilfe gegen die aggressive Rekrutierung an Schulen. Als Interessenvertretung verlangte sie neben sicherheitspolitischen Überlegungen die Unterstützung des Kultusministeriums, Personalressourcen und eine entsprechende Schulung der Lehrkräfte.

Ausgestaltung von Frühwarnsystemen

Das hessische Innenministerium möchte mit allen Bundesländern und dem Bundesinnenministerium gemeinsam beraten, wie man Jugendliche vor salafistischen Ideologen schützen und die Ausreise radikalisierter Islamisten nach Syrien stoppen könne. Ziel der Initiative soll vor allem die Vernetzung bestehender bundesweiter Präventions- und Interventionskonzepte sein. Dies impliziert Telefonhotlines und Beratungsstellen, bei denen sich besorgte Eltern oder Menschen aus dem sozialen Umfeld von sich radikalisierenden jungen Menschen melden können. Mit den Hinweisen könnte man vor allem die ganz jungen Radikalen noch vor der Reise aufhalten.


Frühwarnsysteme gründen generell auf Erfahrungswerten, die Bedrohungs-Indikatoren erkennen. Um diese Erfahrungswerte auszumachen und einzuordnen, sollen Lebensläufe von Salafisten analysiert und auf Gemeinsamkeiten hin ausgewertet werden. Diese Gemeinsamkeiten sollen als Indikatoren für die Präventionsarbeit genutzt werden. Das Innenministerium Hessen wertete bislang 23 Lebensläufe von Salafisten aus, die nach Syrien gereist sind. Diese waren demnach meist unter 25 Jahren und in Deutschland als Kinder von Migranten geboren. Solche und weitere Ergebnisse der Analyse sollen für die gezielte Prävention aufbereitet werden. Bereits 2007 hat das Bundeskriminalamt (BKA) die Entwicklung des Monitoringsystem Terrorismus / Extremismus (MoTe) angekündigt, mit welchem die Verbreitung terroristischer Ideologie besser bekämpft werden soll. Mit einem Expertise-System (Beobachtung von terroristischer Agitation mit fortlaufender Konsultation von Fachleuten), sollten allgemeine Entwicklungsprognosen erstellt werden. An diesen sollten entsprechende Gegenmaßnahmen angelehnt werden. Nach zwei wissenschaftlichen Kongressen trat das Monitoringsystem jedoch nicht weiter in Erscheinung.

Bestehende Instrumentarien

Die Idee für das Dschihadisten-Frühwarnsystem erinnert an bereits existierende Präventionsprojekte gegen die rechtsextreme Szene, um Aussteiger und hilfesuchenden Familienmitglieder zu unterstützen. An diesen Erfahrungen anzuknüpfen, macht durchaus Sinn. Denn häufig registriert das Umfeld der jungen Männer deren Radikalisierung durch massive Verhaltensänderungen, jedoch wenden sie sich in den seltensten Fällen an die Behörden. Zum einen, weil sie den Ernst der Lage nicht erkennen, und zum anderen, weil ihnen schlicht nicht bekannt ist, wohin man sich wenden kann. Mit einer verbesserten Beratung von besorgten Angehörigen und einer effektiveren Aufklärung auch an den Schulen hoffen die Behörden nun, zumindest einen Teil der Ausreisen verhindern zu können.

Eine Hotline, die Ratsuchende zum Thema islamischen Extremismus anrufen können, gibt es bereits seit 2010. Innerhalb des Programmes „Heraus aus Terrorismus und Fanatismus“ (HATIF) werden neben der Hotline die persönliche Begleitung und Betreuung durch Gespräche sowie Hilfe bei Behördenkontakten, Unterstützung bei Bedrohung durch Angehörige und Unterstützer der islamistischen terroristischen Szene, Vermittlung von schulischen oder beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen und im Einzelfall auch materielle Hilfe angeboten. Dieses Angebot entstand nach Vorbild von De-Radikalisierungsmaßnahmen in rechtsextremen Milieus.

Nun werden im Kampf gegen Rechtsextremismus bestehende Konzepte bei Bedarf angepasst. Nordrhein-Westfalen initiierte ein Programm zur Stärkung der Kommunen im Kampf gegen Rechtsextremismus. Mit dem Verwaltungsportal ‚KommunalWiki gegen Extremismus’ wird eine Informations- und Erfahrungsplattform zur Verfügung gestellt. Neben Übersichten zur Lage des Extremismus in den einzelnen Ländern finden die Nutzer rechtliche Erläuterungen und praktische Hinweise zur wirksamen Auseinandersetzung mit Extremisten vor Ort sowie eine Liste mit Kooperationspartnern und eine Übersicht mit relevanter Literatur und verfügbaren Arbeitsmaterialien. Die Länder Brandenburg und Sachsen beteiligen sich bereits an diesem Austausch.

Fazit: Chancen und Grenzen

Bemühungen gegen gezielte Radikalisierung von Jugendlichen sind ungemein wichtig. Diesem mit Aufklärungsarbeit zu begegnen und ein bundesweites Netzwerk gegen religiösen Fanatismus aufzubauen, das auch für kommunale Behörden zugänglich ist, ist dringend notwendig. Allerdings sind alle datenbasierten Informationssysteme nur soweit tragbar, wie sie mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen vereinbar sind. Hierzu bedarf es der Klärung rechtlicher Statuten, bevor Systeme verkündet werden, die unter Umständen nicht praktikabel sind. Zudem muss hinterfragt werden, wo und wie De-Radikalisierungsmaßnahmen organisatorisch zugeordnet werden sollen. So wird bei der Initiative HATIF, die sich bislang keiner allzu großen Nachfrage erfreut, der Umstand kritisiert, dass sie beim Bundesamt für Verfassungsschutz angesiedelt ist. Umso wichtiger wird die Schulung von Lehrern, eine gezielte und breit angelegte Aufklärungsarbeit sowie Beratungsnetzwerke, die die Sozialbehörden einschließen, um Extremismus jeglicher Art entgegenzuwirken.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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