15.02.2014

Antworten zur Arbeitnehmerüberlassung

Die Entscheidungen des BAG vom 10. 07. und 10. 12. 2013

Antworten zur Arbeitnehmerüberlassung

Die Entscheidungen des BAG vom 10. 07. und 10. 12. 2013

Die Beantwortung der Frage, wie lange \"vorübergehend\" ist, blieb das BAG schuldig. | © RRF - Fotolia
Die Beantwortung der Frage, wie lange \"vorübergehend\" ist, blieb das BAG schuldig. | © RRF - Fotolia

Endlich liegen zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vor, die einige der noch offenen Fragen bei der Arbeitnehmerüberlassung beantworten. Diese Fragen betreffen besonders die öffentliche Hand, die in großem Umfang Personal in konzerninternen „Verleihunternehmen“ angestellt hat, dessen Einsatz (nur) im operativ tätigen „Hauptunternehmen“ erfolgt. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche praktischen Konsequenzen diese beiden Entscheidungen für Betriebe der öffentlichen Hand haben.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. 12. 2013 (Az. 9 AZR 51/13) betraf die IT-Dienstleistungstochter eines Krankenhausunternehmens, während es in der Entscheidung vom 10. 07. 2013 (Az. 7 ABR 91/11) um einen Zeitungsverlag ging. In beiden Fällen ging es um die Einstellung eines Arbeitnehmers bei einer Tochtergesellschaft, welche ihre Arbeitnehmer nur der Muttergesellschaft zur Verfügung stellte, und zwar längerfristig.

Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei dauerhaftem Einsatz

Das BAG musste sich mit der Frage beschäftigen, ob der Betriebsrat seine Zustimmung zum Einsatz eines Leiharbeitnehmers verweigern darf, wenn die Überlassung nicht mehr vorübergehend ist. Im Ergebnis hat das BAG – zu Lasten der Arbeitgeberseite – festgestellt, dass der Betriebsrat des Entleihbetriebs die Zustimmung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG verweigern darf, wenn es sich nicht nur um einen vorübergehenden Einsatz handelt (Beschluss vom 10. 07. 2013, Az. 7 ABR 91/11). Die Aufnahme des Begriffs „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG stellt hier keinen bloßen Programmsatz dar, sondern untersagt sogar eine nicht nur vorübergehende Überlassung von Leiharbeitnehmern. Damit verstößt eine nicht mehr nur vorübergehende Überlassung gegen ein gesetzliches Verbot, so dass der Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die Zustimmung zum Einsatz im Betrieb verweigern kann.


Keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei Vorliegen einer Erlaubnis

Die andere Entscheidung betraf die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleih-Unternehmen fingiert wird, selbst wenn eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorliegt. Diese Frage hat das BAG zu Lasten der Arbeitnehmerseite beantwortet und deutlich gemacht, dass bei Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis kein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert wird (Urt. v. 10. 12. 2013, Az. 9 AZR 51/13). § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG findet weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung. Es bleibt vielmehr Sache des Gesetzgebers, eine Sanktion für diejenigen Gestaltungen vorzusehen, bei denen eine nicht mehr vorübergehende Überlassung stattfindet, aber dennoch wegen Vorliegens einer Erlaubnis kein Arbeitsverhältnis fingiert wird.

Immer noch offen: Wie lange ist „vorübergehend“?

In keiner der beiden Entscheidungen hat das BAG die immer noch offene Frage beantwortet, wie lange denn nun „vorübergehend“ ist. In der Entscheidung vom 10. Juli 2013 ging es um einen offensichtlich dauerhaften Einsatz, so dass es darauf nicht ankam. In der Entscheidung vom 10. 12. 2013 spielte es keine Rolle mehr, weil eine Überlassungserlaubnis vorlag und somit kein Arbeitsverhältnis fingiert wurde, selbst wenn der Einsatz dauerhaft gewesen wäre.

Zu erwartende Regelung durch die Große Koalition

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD gibt Aufschluss darüber, wie der Gesetzgeber diese Problematik künftig zu lösen gedenkt. Demnach soll eine Arbeitnehmerüberlassung nur noch für maximal 18 Monate zulässig sein. Tarifverträge dürfen Ausnahmen hiervon vorsehen. Eine Frist von 1½ Jahren erscheint auch – wenn man denn überhaupt eine solche Beschränkung aufnehmen will – vernünftig: sie gestattet mehr als einen kurzfristigen Einsatz, und nach 18 Monaten dürfte auch feststehen, ob dauerhafter Beschäftigungsbedarf besteht.

Praktische Auswirkungen: Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis unabdingbar

Eine Arbeitnehmerüberlassungs-Erlaubnis ist für die öffentliche Hand zwingend erforderlich und dringend anzuraten. Hat das „Verleihunternehmen“ keine solche Erlaubnis, wird ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleiher (Hauptunternehmen) gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert. Für die Zeit zwischen dem 01. 12. 2011 bis heute gilt allerdings: Eine nachträgliche Beantragung der Erlaubnis hilft nicht weiter! Ist das Kind einmal in den Brunnen gefallen, sprich: ein Arbeitsverhältnis fingiert worden, ändert die spätere Beantragung und Gewährung einer Überlassungserlaubnis nichts daran, dass der vermeintliche Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zum Entleihunternehmen erworben hat und nach den dort geltenden Konditionen zu vergüten ist.

Umgestaltung der betrieblichen Abläufe empfohlen

Wie bereits im Beitrag der Verfasserin in der Juni-Ausgabe des PUBLICUS 2013.6, S. 21 ff. angedeutet, führt kein Weg an der Umgestaltung der betrieblichen Abläufe in der Praxis vorbei. Nicht nur zur Definition des Begriffs „vorübergehend“ sind Regelungen des Gesetzgebers zu erwarten, sondern auch zu der Frage der Umgehung von Arbeitnehmerüberlassung durch Schein-Werk-/Dienstverträge.

Es ist also wichtig, die Vereinbarungen zwischen den beteiligten Konzernunternehmen und die praktische betriebliche Handhabung so zu gestalten, dass es sich wirklich um eine operativ selbstständige Tätigkeit am Markt handelt und eben nicht um die bloße Überlassung von Arbeitnehmern. Die Akquise eigener Aufträge am Markt und die selbstständige Durchführung der administrativen Prozesse sind wichtige Zeichen für eine solche operativ eigenständige Tätigkeit.

 

Dr. Kathrin Pietras

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partnerin bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main
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