15.02.2014

Behörden und die Bürger-Apps

Mit Maß und Ziel: Öffentliche Verwaltung macht mobil

Behörden und die Bürger-Apps

Mit Maß und Ziel: Öffentliche Verwaltung macht mobil

Auf den Einsatz kommt es an: Sinnvoll genutzt können Mobile Apps der Verwaltung auf die Sprünge helfen. | © lassedesignen - Fotolia
Auf den Einsatz kommt es an: Sinnvoll genutzt können Mobile Apps der Verwaltung auf die Sprünge helfen. | © lassedesignen - Fotolia

Behörden entdecken die Möglichkeiten mobiler Kommunikation. 40 Prozent der Verwaltungen in Deutschland planen, bis 2015 in Mobile Government, also in Angebote für Smartphones und Tablets, zu investieren. Damit verbessern sie den Service für die Bürger und beschleunigen Prozesse. Der Trend zur Modernisierung wird jedoch durch kulturelle Hürden gebremst. Das sind Ergebnisse der Studie „Branchenkompass Public Services“ von Steria Mummert Consulting.

Nach anfänglicher Skepsis erfährt Mobile Government derzeit eine spürbare Belebung. Denn 2012 war der Anteil der Verwaltungen, die Erstinvestitionen in diesem Bereich planten, mit 25 Prozent noch erheblich niedriger. Nun sind es 40 Prozent aller Dienststellen. Allerdings herrschen noch regionale Unterschiede in der Akzeptanz der neuen mobilen Möglichkeiten. So haben im süddeutschen Raum bereits neun von zehn Verwaltungen in entsprechende Maßnahmen investiert oder planen, dieses zu tun. In ostdeutschen Behörden sind es hingegen nur 16 Prozent.

Mobile Möglichkeiten

Der größte Vorteil der neuen Apps ist ihre mobile Einsetzbarkeit, die räumliche Nähe zu der jeweiligen Situation ermöglicht. Anders als Desktop-Computer, die an Schreibtisch und Behördenzimmer gebunden sind, erlauben die handlichen Geräte den Zugriff von unterwegs. Für Zwecke der Verwaltung können weitreichende Zugriffe auf die Behördendaten auch mobil eingeräumt werden, wie dies zum Beispiel in der Privatwirtschaft praktiziert wird. So können Führungskräfte in Verhandlungen mit anderen Ämtern, mit Aufsichtführenden oder mit interessierten Unternehmen und Bürgern auf relevante Finanz- oder Personaldaten, auf Planungen oder Förderinstrumente zugreifen und werden so „abschlussfähig“. Verwaltungsmitarbeiter können vor Ort auf laufende Verfahren der eigenen oder benachbarten Dienststellen zugreifen, Prozesse anlegen oder beenden, umfassende Auskünfte geben und Verwaltungsakten erlassen, ohne sich mit Daten und Sachverhalten zu einem späteren Zeitpunkt erneut befassen zu müssen. Bearbeitung in einem Zug könnte die Regel werden.


Auch in der Kommunikation und Interaktion mit dem Bürger ergeben sich durch mobile Anwendungen neue Möglichkeiten. Neben der Einweg-Kommunikation (Behörde verkündet Bürgern) ist auch der umgekehrte Weg denkbar. Behörden erweitern ihre Erreichbarkeit, wenn sie auf sogenannte Apps reagieren. Bürger könnten z. B. defekte Straßenlampen oder Asphaltschäden direkt von dort aus an die Behörde weiterleiten, wo ihnen das Problem aufgefallen ist. Selbst die Übersendung eines Fotos ist denkbar, so dass die Behörde beurteilen kann, wie schnell und in welchem Umfang gehandelt werden muss. Ein GPS-Signal könnte auch den Standort des Bürgers und damit die Position beispielsweise der defekten Lampe bestimmen. Früher musste sich der Spaziergänger den Straßennamen und die Position merken und von zuhause später per Telefon oder Brief der Behörde mitteilen. Manchem wird das zu aufwändig gewesen sein, so dass der Schaden nie gemeldet wurde. Und selbst wenn der Hinweis einging, hatte der Verwaltungsmitarbeiter noch einigen Aufwand mit Aufnahme und Überprüfung.

Eine solche Möglichkeit, defekte Straßenlampen oder Schlaglöcher zu melden, bietet zum Beispiel die „Saarbrücken-App“. Von der Hinweisgeberfunktion abgesehen ist die App eigentlich ein reines Serviceangebot mit Routen für Stadtrundgänge, Öffnungszeiten der Verwaltung und Sehenswürdigkeiten. Denn nicht alle Apps laden Bürger gleich zu umfangreicher Beteiligung ein. So zum Beispiel die „abfallwelt-App“ des Landkreises Kitzingen in Bayern. Das Miniprogramm fürs Smartphone erinnert die Anwohner mobil an die Abfuhrtermine der Mülltonnen, gelben Säcke und Problemabfälle. Für politisch interessierte Bürger bietet die „BürgerApp“ Sitzungsprotokolle und regionale politische Termine für verschiedene Gemeinden an. Damit alle diese spezifischen Angebote der Verwaltungen auch gefunden werden, hat die Bundesregierung bereits 2012 den App-Store „GovApps“ (www.govapps.de) gestartet. Hier können sich Verwaltungen auch für mögliche eigene Angebote inspirieren lassen.

Wenn es leicht, schnell und unkompliziert ist, Mängel von unterwegs zu melden, engagieren sich deutlich mehr Bürger als auf konventionelle Weise per Telefon oder Brief. Zumindest hoffen darauf 71 Prozent der Behörden, die mit Dialog- und Mitmachplattformen künftig ihre Bürger stärker einbinden wollen. Dabei erwarten sich kleine Kommunen (80 Prozent der Befragten) häufiger eine aktivere Bürgerbeteiligung durch E- und M-Partizipation als große Städte (46 Prozent).

Verwaltung vor Ort

Doch nicht nur Bürger sind mit Smartphones ausgestattet. Auch die Außendienstmitarbeiter der Verwaltung profitieren von den neuen mobilen Möglichkeiten. Bisher ist es beispielsweise relativ aufwändig, wenn Anwohner für ein Straßenfest das Aufstellen von Tischen beantragen. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes muss den Ort besichtigen und sich Notizen machen. Zurück am Schreibtisch muss er den Vorgang schriftlich aufnehmen, weitere Stellen wie beispielsweise das Straßenbauamt einbinden und deren Reaktion abwarten, eine Zahlungsaufforderung versenden, den Geldeingang einige Tage später überprüfen, den Bescheid zustellen und alle Papiere in Ordner ablegen. Mit Smartphone und App kann er den gesamten Vorgang an Ort und Stelle erledigen, kann andere Sondernutzungen einsehen, per EC-Kartenleser sofort kassieren und alle Daten direkt an die zentralen Systeme übertragen. Auch bei der Müllabfuhr lassen sich die Wege optimieren, in dem der Wagen seine Route anhand des mobil angezeigten Füllstatus verändert.

Durch die Einbindung der Mobiltelefone in die stationäre Telefonanlage bleiben Mitarbeiter auch unterwegs erreichbar. Auf diese Weise wird der mediale und prozessuale Bruch zwischen Innendienst- und Außendiensttätigkeit deutlich gemildert. Der Außendienstanteil kann deutlich gesteigert werden. Die Kommune ist sichtbar und näher am Geschehen.

Neben der Entlastung der Verwaltung spielt bei Apps natürlich auch der Imagefaktor eine bedeutende Rolle. Mobile Programme sind eine gute Möglichkeit, die Stadt oder Gemeinde als zukunftsweisend und modern zu präsentieren. Das kann ein weiterer Pluspunkt im Standortwettbewerb der Gemeinden sein. Eine Option für derartige Apps sind sogenannte Location-Based-Services, die sich auf den Standort des Bürgers beziehen. Sie können die nächsten freien Parkplätze in der Stadt anzeigen oder verfügbare Wohnungen und Hotelzimmer in der Umgebung.

Chancen und Risiken

Trotz all der positiven Aspekte müssen öffentliche Verwaltungen auch die Risiken der schönen neuen App-Welt im Blick behalten. Zunächst sollte keine Behörde einfach nur bereits stationär vorhandene Dienste mobilisieren. Vielmehr sollte das Angebot an Diensten zunächst auf die Eignung für den mobilen Einsatz geprüft werden. Besonders interessant sind solche Lösungen, die ihren Nutzen überhaupt erst dadurch entfalten, dass sie mobil verfügbar sind (z. B. Echt-Zeit-Anzeige des Parkleitsystems in Navigationssystemen, GPS-Notrufortung). Allerdings sind auch die einschränkenden Aspekte rund um Datenschutz, Sicherheit und Privatsphäre zu bedenken und zu beachten. Eine Ortung des Bürgers mittels GPS von seinem Handy ist beispielsweise nicht immer und von jedem gewünscht. IT-Sicherheit muss zukünftig die mobilen Geräte der Verwaltungsmitarbeiter einschließen, um Datenverluste zu vermeiden, unberechtigte Zugriffe zu verhindern und schädliche Eingriffe in die „offenen“ Systeme zu blockieren.

Die große Herausforderung für die Verwaltung liegt darin, die Möglichkeiten in der Neugestaltung von Strukturen und Prozessen durch Mobilfunkunterstützung soweit auszunutzen, dass sich die nötigen Investitionen langfristig auszahlen. So ist etwa das mobile Endgerät für den Außendienstmitarbeiter dann besonders sinnvoll, wenn es nicht nur als elektronischer Schreibblock, sondern als bidirektionale Verbindung zum internen System genutzt wird, so dass Daten direkt erfasst und ausgetauscht werden können und nicht erst am Abend eventuell sogar wieder per Hand übertragen werden müssen. Auch dürfen für die mobilen Angebote keine parallelen Systeme aufgebaut werden, die teuer und schwer zu handhaben sind und Prozesse verkomplizieren statt sie zu vereinfachen.

Kultureller Wandel notwendig

Unabhängig davon, inwieweit einzelne Verwaltungen bereits in Richtung Mobile Government investiert haben, ist die Skepsis noch recht groß. 88 Prozent der befragten Verwaltungsentscheider sehen in der Umstellung auf digitale Anwendungen die größte Herausforderung für den Behördensektor. Denn mit einfachen technischen Maßnahmen ist es nicht getan. Es müssen Mitarbeiter geschult und bereitgestellt werden, die derzeit nicht ausreichend vorhanden sind. Hier ist ein grundlegender Mentalitätswandel gefragt. Denn für viele Behördenmitarbeiter ist das Thema Bürgerbeteiligung generell noch Neuland. 65 Prozent der befragten Entscheider sehen entscheidende Hindernisse beim Umstieg auf neue Kommunikationswege in der Verwaltungskultur. Diese Herausforderung fängt bereits bei den Führungskräften in den Verwaltungen an. Denn fast jedem dritten Befragten ist der Nutzen von Mobile Government noch nicht klar.

Die Studie „Branchenkompass 2013 Public Services“ stellt die aktuellen Herausforderungen und die bis 2015 geplanten Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung vor. Im Mai und Juni 2013 befragte Forsa für Steria Mummert Consulting 100 Entscheider aus 100 deutschen Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen. Themen der Interviews waren E-Government, Effizienzmaßnahmen, Kooperationen, Bürgerbeteiligung, das Berichtswesen und Business Intelligence. Die Interviews wurden mit der Methode des Computer Assisted Telephone Interview (CATI) durchgeführt.

 

Peter Krolle

Senior Executive Manager, Public Services, Steria Mummert Consulting, Köln
 

Markus Schlosser

Senior Executive Manager, Public Services, Steria Mummert Consulting, Köln
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