04.05.2022

Konkurrenzverhältnis von naturschutzrechtlicher Kostenerstattung und Erschließungsbeitragsrecht

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.05.2021

Konkurrenzverhältnis von naturschutzrechtlicher Kostenerstattung und Erschließungsbeitragsrecht

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.05.2021

Streitgegenstand war die Heranziehung einer Erbbauberechtigten zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage. © magann – stock.adobe.com
Streitgegenstand war die Heranziehung einer Erbbauberechtigten zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage. © magann – stock.adobe.com

Eine Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen kommt nicht in Betracht, soweit die Festsetzung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme vorliegt. Aufwand und Kosten, die im Anwendungsbereich des § 135 a Baugesetzbuch (BauGB) bzw. § 8 a Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) a. F. abgerechnet werden können, sind dem Erschließungsbeitragsrecht entzogen.

Allerdings ist nicht alles, was sich in der ökologischen Bilanzierung eines Bebauungsplans positiv „ausgleichend“ auswirkt, zugleich eine festgesetzte Ausgleichsmaßnahme i. S. d. § 1 a Abs. 3 i. V. m. § 135 a BauGB. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einem Urteil zum Konkurrenzverhältnis von naturschutzrechtlicher Kostenerstattung und Entschließungsbeitragsrecht entschieden.

Zum Sachverhalt

Streitgegenstand war die Heranziehung einer Erbbauberechtigten zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage. Die Grünanlage war in dem städtischen Bebauungsplan als „Öffentliche Grünanlage – Parkanlage mit Spielflächen“ festgesetzt. Soweit eine Grünanlage die in § 127 Abs. 2 Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB) genannten Voraussetzungen erfüllt, hat der Grundstückseigentümer bzw. der Erbbauberechtigte hierfür gem. §§ 127 ff. BauGB grundsätzlich einen Erschließungsbeitrag zu entrichten. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat mit Beschl. v. 13.05.2020, – 15 A 2995/18 –, den Beitragsbescheid der Stadt jedoch aufgehoben. Es hat den Bebauungsplan dahingehend ausgelegt, dass die streitgegenständliche Grünfläche die Funktion einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme hat, mit der der durch die Planung verursachte Eingriff in Natur und Landschaft teilweise kompensiert werden sollte. Daher ist – so das OVG – die Grünfläche dem Erschließungsbeitragsrecht entzogen und prinzipiell nach den Regelungen über die Kostenerstattung bei Maßnahmen für den Naturschutz nach § 135 a BauGB abzurechnen.


Nach dieser Regelung kann die Gemeinde die Kosten für solche Maßnahmen auf die betroffenen Grundstücke umlegen. Dass die Planbegründung auch eine Erholungsfunktion für die zukünftige Wohnbebauung vorgesehen habe, ist nach der Entscheidung des OVG ebenso wenig beachtlich wie der Umstand, dass die Ausgleichsfläche im Bebauungsplan nicht einem bestimmten Eingriff zugeordnet wurde und deshalb im konkreten Fall eine Kostenerstattung nach § 135 a BauGB nicht möglich ist. Das BVerwG ist mit Blick auf die konkreten Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans letztlich zu einer anderen Einschätzung gelangt und hat daher den Beschluss des OVG Münster aufgehoben.

Im Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Kostenerstattung keine Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen

Zunächst hält das BVerwG fest, dass das OVG Münster richtigerweise davon ausgegangen ist, dass im Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Kostenerstattung gemäß den §§ 135 a ff. BauGB bzw. gem. § 8 a Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung eine Heranziehung auch zu Erschließungsbeiträgen nicht in Betracht kommt und der beklagten Stadt insoweit kein Wahlrecht eingeräumt ist. Soweit eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme i. S. dieser Vorschriften festgesetzt ist, ist laut dem BVerwG eine Abrechnung über das Erschließungsbeitragsrecht ausgeschlossen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Zuordnungsentscheidung nach § 135 a Abs. 2 Satz 1 BauGB oder § 8 a Abs. 3 Satz 2 BNatSchG a. F. getroffen worden ist.

Zum Verständnis des Begriffs der festgesetzten Ausgleichsmaßnahme

Das BVerwG stellt des Weiteren fest, dass das OVG Münster seiner Auslegung des Bebauungsplans jedoch ein fehlerhaftes Verständnis des Begriffs der festgesetzten Ausgleichsmaßnahme i. S. d. § 8 a BNatSchG a. F. zugrunde gelegt hat. Denn nicht alles, was sich in der ökologischen Bilanzierung eines Bebauungsplans positiv „ausgleichend“ auswirkt, ist laut dem BVerwG zugleich eine festgesetzte Ausgleichsmaßnahme i. S. d. § 8 a BNatSchG a. F. bzw. § 1 a Abs. 3 i. V. m. § 135 a BauGB. Vielmehr muss die planende Gemeinde zur Bewertung der Eingriffsfolgen eine vergleichende Betrachtung des bestehenden und des nach der Planung zu erwartenden Zustandes von Natur und Landschaft vornehmen und hieraus ein Vermeidungs- und Kompensationskonzept entwickeln, wobei die Festsetzungen von Ausgleichsflächen und -maßnahmen nach § 9 BauGB als Kompensationsmaßnahmen erfolgen.

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben muss das OVG Münster nach Vorgabe des BVerwG nun erneut prüfen, ob und ggf. in welchem konkreten Umfang mit der Festsetzung der öffentlichen Grünanlage in dem Bebauungsplan eine Festsetzung für Ausgleichsmaßnahmen i. S. d. § 8 a BNatSchG a. F. verbunden war, ob daneben noch Raum für eine ergänzende Deckung eines (etwaigen) Erschließungsaufwands für die Grünanlage bleibt und – falls es darauf ankommen sollte – ob die Grünanlage die Voraussetzungen einer selbstständigen Erschließungsanlage (§ 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB) erfüllt.

 

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.05.2021 – BVerwG 9 C 3.20 –.

Aus der Gemeindeverwaltung RP 2022 Heft 8, Rn. 92.

 

Dr. Daniela Franke

Geschäftsführende Direktorin, Landkreistag Rheinland-Pfalz
n/a