15.05.2015

Konfliktpotenzial: die Eingruppierung

Ein Überblick über die tarifrechtlich korrekte Tätigkeitsbewertung

Konfliktpotenzial: die Eingruppierung

Ein Überblick über die tarifrechtlich korrekte Tätigkeitsbewertung

Die korrekte tarifrechtliche Eingruppierung hat ihre eigenen Spielregeln. | © fotogestoeber - Fotolia
Die korrekte tarifrechtliche Eingruppierung hat ihre eigenen Spielregeln. | © fotogestoeber - Fotolia

Keine Kommune kann ohne ihre Bediensteten existieren. Dieser Satz lässt sich allein aus dem Grundgesetz – der höchsten Rechtsnorm in Deutschland – ableiten. So weit, so gut.

Art. 33 Abs. 4 GG spricht dabei von der Übertragung an die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlichen-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Kurzum: Beamte. Der Vorbehalt dieser Norm in der Regelerfordert dies jedoch nicht zwingend und ausschließlich, sodass die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auch an Tarifbeschäftigte möglich ist. Unabdingbar ist jedoch die fachliche Eignung der Bediensteten. Und aus ihr folgt die Eingruppierung und damit zumeist das Konfliktpotenzial zwischen Beschäftigtem und Arbeitgeber.

Der nachstehende Überblick mit Beispielen, Checklisten und Rechtsprechung soll hier einen Überblick zur rechtlich korrekten Eingruppierung der Tarifbeschäftigten geben.


Für die Beschäftigten der Kommunen gilt hierfür der „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V)”.

Zuordnung zu einer Entgeltgruppe nach der tatsächlichen Tätigkeit

Im TVöD staffelt sich das Entgelt nach folgender Gliederung (§§ 15 ff. TVöD):

Tabelle 1: TVöD

Die Höhe bestimmt sich – wie aus obiger Grafik ersichtlich – u.a. aus der Entgeltgruppe, die der Tätigkeit des Arbeitnehmers entspricht sowie nach der für ihn geltenden Stufe.

Für die Zuordnung zur Entgeltgruppe ist die Tätigkeit des Beschäftigten demnach zunächst maßgeblich.

Tabelle 2: TVöD Entgelt

Entscheidend ist hier jedoch die tatsächliche erbrachte Tätigkeit, was an folgendem Beispiel deutlich wird.

Beispiel:

Frau Müller ist bei der Gemeinde Z. beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag weist eine Eingruppierung in E 9 aus. Die Wertigkeit ihrer Tätigkeit entspricht jedoch der E 10. Demnach wäre Frau Müller nach der E 10 zu vergüten. Will oder kann das der Arbeitgeber nicht, so muss er Frau Müller eine ihrer Entgeltgruppe angemessene Tätigkeit übertragen.

Die Zuordnung in die Entgeltgruppe ist anhand der Tätigkeitsmerkmale vorzunehmen. Folgende Checkliste soll dabei helfen.

Tabelle 3: Checkliste

Grundlagen der Eingruppierung bilden demnach die ausgeübte und auf Dauer übertragene Tätigkeit.

Die übertragene Aufgabe entspricht also der, die dem Beschäftigten tatsächlich seitens der Personalverwaltung auf lange Sicht übertragen wurde bzw. wird. Die Übertragung auf kurze Sicht, wie bspw. im Vertretungsfall, greift hier nicht.

Die einzelnen Tätigkeiten und Fachkenntnisse

Die in vorliegender Checkliste dargestellten Aufgaben werden aus diesem Grunde noch einmal inhaltlich vertieft (s. eingehender Bauer/Bockholt, Eingruppierung im öffentlichen Dienst):

Überwiegend mechanische Tätigkeiten: Mit der Hand zu verrichtende Arbeit; zur Erledigung wird gedankliche Arbeit so gut wie nicht aufgewendet.

Einfache/einfachere Arbeiten: Einfache(re) Tätigkeiten sind solche, die nicht nur vorwiegend mechanisch sind, sondern ein gewisses Maß an Überlegung erfordern = Mindestmaß an gedanklicher Arbeit wird gefordert.

Schwierige/schwierigere Tätigkeit: Höherer Aufwand an gedanklicher Arbeit oder andersartige qualifizierte Tätigkeit.

Das BAG hat in seinem Urteil v. 15. 05. 1968 – 4 AZR 366/67 folgenden Katalog dieser Gruppe zugerechnet:

  • Große Selbstständigkeit
  • Verantwortlichkeit
  • Eigene – besondere – Initiative
  • Arbeitseinsatzentscheidung
  • Besondere eigene Überlegung und eine Befähigung, wie sie zu einfacheren Arbeiten nicht gefordert wird.

Gründliche Fachkenntnisse: Zu den Fachkenntnissen zählen diejenigen, die für den Beschäftigten unerlässlich sind, um die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Allgemeine Fähigkeiten, wie Organisations- und Verhandlungsgeschick, Geschäftsgewandtheit, besondere Zuverlässigkeit oder Vertrauenswürdigkeit sind keine Fachkenntnisse.

Vielmehr sind gründliche Fachkenntnisse nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen i.S.d. Aufgabenkreises.

Die Fachkenntnisse sollen dabei von nicht unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art sein, wie das BAG in seinem Urteil v. 10. 12. 1997 – 4 AZR 221/96 ausführt.

Für die Eingruppierung erheblich ist, dass der Beschäf-tigte die gründlichen Fachkenntnisse nicht nur besitzt, sondern ob die übertragene Tätigkeit diese Fachkenntnisse auch erfordert.

Beispiel:

Der Beschäftigte kann Fachkenntnisse im IT-Bereich haben. Für seine Tätigkeit im Ordnungsamt der Gemeinde ist es aber unabdingbar, dass er Fachkenntnisse im Bereich der einschlägigen Rechtsnormen hat.

Gründliche und vielseitige Fachkenntnisse: Bei dem Tätigkeitsmerkmal der Vielseitigkeit ist nicht auf die reine Zahl insgesamt anzuwendender Gesetze abzustellen, sondern vielmehr auf den inhaltlichen Umfang der Fachkenntnisse insgesamt. Diese können nämlich auf einem Gebiet umfassend, hingegen auf mehreren Gebieten nur durchschnittlich oder gering sein (BAG, Urt. v. 28. 09. 1994 – 4 AZR 542/93). In dem Falle wäre dann eine Zuordnung zu den „gründlichen Fachkenntnissen” vorzunehmen. Weist der Beschäftigte allerdings umfassende Fachkenntnisse in zahlreichen Bereichen aus, so erfüllt er dieses Kriterium.

Selbstständige Leistungen:selbstständigen Leistungen unterscheiden sich vom selbstständigen Arbeiten (BAG, Urt. v. 18. 05. 1994 – 4 AZR 461/93). Selbstständiges Arbeiten bedeutet „von allein”, also ohne Aufsicht oder Lenkung. Selbstständige Leistungen erfordern – im Aufbau zu den gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen – vielmehr ein selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative. Der Beschäftigte muss also unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Diese geistige Initiative liegt also vor, wenn der Beschäftigte alternativ entscheiden muss, welche Vorschriften im Einzelfall einschlägig anzuwenden sind.

Gründliche und umfassende Fachkenntnisse: Gegenüber den gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen stellt diese Gruppe eine Erweiterung hinsichtlich der Breite und Tiefe der Fachkenntnisse dar. Qualität und Umfang müssen sich also von den gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen abheben. Dies erreicht der Beschäftigte etwa, indem über die näheren Kenntnisse der erforderlichen Vorschriften heraus rechtliche Zusammenhänge erkannt und wichtige gerichtliche Entscheidungen nicht nur übernommen, sondern in eigener Gedankenarbeit verwertet werden können (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. 07. 1992 – 3 Sa 159/90).

Besondere Verantwortung: Jeder Bedienstete hat eine hohe Verantwortung – auch im Rahmen einfacherer Tätigkeiten, wie Botendienste oder Postabfertigung. Im Rahmen einer Eingruppierung wird jedoch nicht auf die Verantwortung allein, sondern auf die Schwierigkeit der Arbeitsleistung abgestellt. Das BAG hat in zahlreichen Entscheidungen folgende Kriterien für diese Bewertung ausgelegt:

Unter besonderer Verantwortung ist die Verpflichtung des Beschäftigten zu sehen, dafür einstehen zu müssen, dass in dem ihm übertragenen Dienst- oder Arbeitsbereich auch von anderen Bediensteten zu erledigende Aufgaben sachgerecht, pünktlich und den Vorschriften entsprechend ausgeführt werden.

Demnach tragen Abteilungsleiter und Bedienstete mit der Verantwortung eines nachgeordneten Bereichs diese Kriterien.

Besondere Schwierigkeit und Bedeutung: Neben den bereits zuvor erwähnten Kriterien ist hier die Besonderheit darauf abzustellen, dass sich der Arbeitsumfang wie folgt erstreckt:

  • Besonderheit der Menschenführung und des Personaleinsatzes (LAG München, Urteil vom 24. 08. 1982 – 3 Sa 224/82)
  • Größe des Aufgabengebietes
  • Finanzielle Verantwortung
  • Auswirkungen der Tätigkeit und deren Folgewirkungen, auch richtungsweisende Bedeutung für nachgeordnete Bereiche oder die Allgemeinheit (wie z. B. Erlasse).

Maß der Verantwortung: Dieses Tätigkeitsmerkmal umfassen Beschäftigte in den Spitzenpositionen der gehobenen Bediensteten. Sie erfüllen entweder große Arbeitsbereiche bei Verantwortung für mehrere Arbeitsgruppen mit unterstellten qualifizierten Gruppenleitern oder besonders schwierige Grundsatzfragen mit richtungsweisender Bedeutung für nachgeordnete Bereiche.

Entscheidend für all diese Bereiche ist, dass bei einer Steigerung von einer Gruppe zur nächsten die Kriterien der vorhergehenden unabdingbar erfüllt sein müssen.

Zuordnung zur Berufserfahrung

Nach der entsprechenden Zuordnung zur Entgeltgruppe gemäß den vorgenannten Kriterien ist der Beschäftigte der Stufe seiner Berufserfahrung zuzuordnen, welche in § 16 Abs. 2 TVöD wie folgt geregelt ist:

Bei Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügt die/der Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr, erfolgt die Einstellung in Stufe 2; bei einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren, erfolgt bei Einstellung nach dem 31.12.2008 in der Regel Zuordnung zu Stufe 3.

Zusammenfassend lässt sich das wie folgt darstellen:

Tabelle 4: TVöD

Bei der Festsetzung der Stufe können Erfahrungen aus früheren Tätigkeiten zugrunde gelegt werden. Hier spielt jedoch eine gewichtige Rolle, ob diese Berufserfahrung der jetzigen Tätigkeit dienlich ist. Also allein auf die Berufserfahrung ist nicht abzustellen.

Wie oben dargestellt, regelt § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD dies wie folgt: … kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.

An folgendem Beispiel wird dies sicher deutlich:

Ein Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens bewirbt sich als Betriebsleiter eines Eigenbetriebs der Kommune.

Nach § 16 Abs. 2 TVöD kann zur Deckung des Personalbedarfs (dieser wird hier vorausgesetzt bei einer entsprechenden Ausschreibung) seine Tätigkeit als Geschäftsführer ganz oder teilweise berücksichtigt werden, da diese Erfahrung für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist. In diesem Fall ist praktisch jede Stufenzuordnung von 1 bis 6 möglich. Die Stufe 1 wäre hier eher ungeeignet, da diese Stufe die Eingangsstufe darstellt.

Kommt der Bewerber im unmittelbaren Anschluss an eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst zur Kommune, welche die entsprechende Stelle ausgeschrieben hat, so kann die in dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis erworbene Stufe bei der Stufenzuordnung ganz oder teilweise berücksichtigt werden (§ 16 Abs. 2a TVöD). Somit wäre der Bewerber bei Einstellung der Stufe zuzuordnen, die er zuletzt bei seiner Tätigkeit im öffentlichen Dienst innehatte. Eine ggf. höhere Stufe ist demnach auch möglich, wenn Berufserfahrung aus einer früheren Tätigkeit in die jetzige Tätigkeit zusätzlich förderlich Einfluss nimmt.

Die Stufenlaufzeit der höheren Gruppe, die dann wiederum für den nächsten Aufstieg Ausschlag gibt, beginnt erst mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Höhergruppierung, nicht bereits mit dem Zeitpunkt der Wahrnehmung der höherwertigen Tätigkeit.

Beispiel:

Frau Müller übernimmt seit März 2014 die höherwertige Tätigkeit der E 10. Bis zur Entscheidung durch den Gemeinderat wird ihr zur E 9 eine Zulage gemäß § 14 Abs. 2 TVöD gewährt. Mit Gemeinderatsbeschluss von Juni 2014 genehmigt der Gemeinderat die Höhergruppierung der Beschäftigten in die nächste Entgeltgruppe. Somit beginnt ihre Stufenlaufzeit in der neuen Entgeltgruppe mit Juni 2014, nicht bereits mit März 2014.

Dies hat auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil v. 03. 07. 2014 – 6 AZR 1067/12 so entschieden.

Doreen Ludwig

Doreen Ludwig

Verwaltungs-Betriebswirtin (VWA), Autorin/Fachlektorin für Recht & Wirtschaft, Glauchau
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