15.05.2015

Facebook und Polizei – Passt das?

Die Münchner Polizei und ihr Auftritt in den „neuen Medien”

Facebook und Polizei – Passt das?

Die Münchner Polizei und ihr Auftritt in den „neuen Medien”

Die Münchner Polizei und ihr Auftritt in den „neuen Medien” | ©
Die Münchner Polizei und ihr Auftritt in den „neuen Medien” | ©

„Neue Medien”? Oder doch „nur” Facebook und Twitter?

Im Sommer 2013 erregte die Bundeskanzlerin mit den Worten „Das Internet ist für uns alle Neuland” ungewollt Aufsehen und wurde dafür mit reichlich Gespött im Web bedacht.

Facebook feierte im Februar 2014 seinen zehnten Geburtstag und der stilisierte blaue Vogel namens Larry begann im März 2006 damit, Kurznachrichten für den Microblogging-Dienst Twitter um die Welt zu „zwitschern”. Währenddessen ist nicht nur die Polizei heute immer noch geneigt, in diesem Zusammenhang von den „neuen Medien” zu sprechen. Daran bemessen, dass die Bayer. Polizei erst seit September 2014 beim Polizeipräsidium München (PPM) über die ersten offiziellen Auftritte in Sozialen Netzwerken (SN) zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit (ÖA) bzw. einsatztaktischen ÖA verfügt, mag dies mit Blick auf die chronologische Entwicklung von Facebook & Co. sogar der Wahrheit entsprechen.

Sind Soziale Netzwerke heute wirklich ein „MUSS” für die Polizei?

Man muss SN nicht nutzen, aber man kann sie nur schlecht ignorieren. Studien zufolge bewegen sich rund 80 % der Deutschen im Internet, davon ist ein vergleichbarer Anteil mindestens in einem SN angemeldet und nutzt dieses mehrheitlich auch aktiv. Dieser hohe Bevölkerungsanteil stellt eine eminent relevante Zielgruppe für polizeiliche ÖA dar. Unbestritten ist, dass sich SN progressiv entwickeln und dabei alles andere als „Neuland” darstellen. Sie sind Lebenswirklichkeit und werden dies auch bleiben, unabhängig davon, welche Plattformen sich in den nächsten Jahren durchsetzen werden.


Zu den offenkundigsten Argumenten für die polizeiliche Nutzung von SN zählen Medienunabhängigkeit und Bürgernähe in Form einer zeitgemäßen Ansprechbarkeit bei gleichzeitig verhältnismäßig geringem personellen und technischen Aufwand.

Bundesweit sehr wertvoll hat sich der polizeiliche Einsatz von SN insbesondere bei zielgruppenorientierter Gefahrenabwehr und deeskalierender Einflussnahme auf Menschenmengen erwiesen. Gerade in unübersichtlichen, großen Einsatzräumen gelten sie als probate Mittel, um z. B. Versammlungsteilnehmer oder Fußballfans unmittelbar und ohne Zeitverzug über polizeiliche Maßnahmen zu informieren.

Diese Transparenz kann in kritischen Situationen insbesondere dann einen mäßigenden Einfluss auf das Geschehen nehmen, wenn kursierende Falschmeldungen anderer Kanäle schnell entschärft werden, das tatsächliche Geschehen objektiv wiedergegeben wird und letztlich ein Abbau gewaltgeneigter Emotionen erfolgt. Die Bayer. Polizei möchte sich vor allem diese deeskalierenden Momente auch im Zusammenhang mit dem G7-Gipfel im Juni 2015 im oberbayerischen Elmau zunutze machen, um ähnlich gewalttätige Ausschreitungen wie im Umfeld des Gipfeltreffens vor acht Jahren in Heiligendamm mit allen sich bietenden kommunikativen Mitteln zu vermeiden.

Social Media beim Polizeipräsidium München – „Gefällt mir, gefällt mir nicht”?

Seit 15. 09. 2014 ist das Polizeipräsidium München (PPM) gewissermaßen „spätberufen” mit einer Facebook-Fanpage und einem Twitter-Account im Rahmen eines einjährigen Erprobungsbetriebs online. Nur wenige Tage davor hatten wir vom Bayer. Staatsministerium des Innern (StMI) das lang ersehnte „GO!” erhalten. Dem zugrunde lag seit längerem unsere Absicht, Social Media zum Zwecke der ÖA/einsatztaktischen ÖA aktiv zu nutzen, nachdem andere Länderpolizeien damit ausnehmend positive Erfahrungen verzeichnen konnten. Darüber hinaus waren auf die bundesdeutsche Polizeilandschaft bezogen bereits Pionierleistungen in Sachen Facebook-Fahndung und Nachwuchsgewinnung erbracht, insbesondere durch die Polizei Hannover. Doch es war die mit SN untrennbar verbundene Problematik um den Datenschutz, die unseren Planungen ein „Tempolimit” verordnete und während des Erprobungsbetriebs die attraktiven Optionen „Fahndung” und „Nachwuchswerbung” ausschloss.

Zum Auftakt war es unser ambitioniertes Ziel, das Münchner Oktoberfest 2014 im Rahmen der ÖA mit Schwerpunkt auf Gefahrenabwehr zu begleiten. Die Pressestelle des PPM wurde dafür personell verstärkt und ein Team gebildet, das mit der Bezeichnung „Social Media-Büro” als dauerhaftes Sprachrohr des PPM in Facebook und Twitter auftreten soll. Zum Anlass der 181. „Wiesn”, das als größtes Volksfest der Welt jährlich ca. 6,5 Mio. Besucher aus aller Welt anlockt, wurden durch dieses vierköpfige Team zahlreiche themenbezogene Präventionshinweise (z. B. Warnhinweise vor Taschendieben, Infos zur Überfüllung des Festgeländes an Wochenenden etc.) angeboten.

Von verschiedenen Fachabteilungen des PPM frühzeitig eingebrachte Themenvorschläge flossen in einen Redaktionsplan ein, der vorsah, auch nach dem 16-tägigen Spektakel um Bier, Brathendl und Achterbahnen keine Katerstimmung aufkommen zu lassen. Nützliches und Spannendes aus dem vielfältigen Angebot rund um den täglichen Dienst beim PPM (z. B. Blitzermarathon), jahreszeitlich abgestimmte Präventionshinweise (z. B. zum Thema Wohnungseinbrüche in der Dämmerung etc.) und taktische ÖA zu geplanten Einsätzen (z. B. Fußballspiele, Versammlungslagen wie „Bagida” oder politische Großereignisse wie die Münchner Sicherheitskonferenz „MSC 2015” etc.) reicherten die Chronik an und erweiterten die Informationsbandbreite.

Nachdem es ein selbstgestecktes Ziel unserer ÖA ist, den Bürgern einen authentischen Eindruck von der Münchner Polizei zu verschaffen, bleiben auch ganz bewusst kritische Themen nicht außen vor, wie z. B. Fälle von polizeilichem Schusswaffengebrauch mit teils lebensgefährlichen Verletzungsfolgen. Von einzelnen und in der Summe zu vernachlässigenden Stimmen abgesehen, schätzt der User diesen proaktiven, transparenten und neutralen Stil der Informationsweitergabe. Dem gegenüber stehen zur Auflockerung Posts und Tweets mit „leichterem” Informationscharakter, wie der Verkauf des Dienstpferds Hugo, die eine enorme Reichweite innerhalb der SN erzielten.

Grundsätzlich dürfen die polizeilichen Erwartungen an Facebook & Co. nicht überbewertet werden. Es handelt sich um ein Instrument der Kommunikation, und dies setzt eine Dialogbereitschaft beim Empfänger voraus.

Beleidigende oder sicherheitsgefährdende Kommentare sind zwar ein durchaus reales, aber auch zu tragendes Risiko. Befürchtungen, man werde über diese Kanäle mit Beleidigungen und Amokandrohungen bis an die Grenze der Reaktionsfähigkeit überhäuft, bewahrheiteten sich nicht. Und warum sollte sich ausgerechnet in SN ein anderes Bild ergeben, als in der bereits seit Jahren gepflegten Kommunikationsmöglichkeit via Internet-Kontaktformularen? Nichtsdestotrotz erging in der sog. „Netiquette” der explizite Hinweis, dass Kommentare mit strafbarem Inhalt nach dem Legalitätsprinzip dokumentiert und verfolgt werden – was so manchem User in Zeiten der Enthüllungen durch Edward Snowden wohl veranlasst, den Sicherheitsbehörden etwas distanzierter zu begegnen.

Ein Polizeiverband mit rund 7.000 Beschäftigten kann bei aller Professionalität, Motivation und Engagement nicht ausschließen, dass auch Vorgänge, die rechtlich betrachtet einen korrekten Verlauf genommen haben, bei Bekanntwerden über z. B. tendenziöse Presseberichterstattung einen sog. Shitstorm auslösen. Hier gilt es, mit Bedacht und einem hohen Maß an Toleranz zu agieren. Die Probe aufs Exempel blieb uns bisher erspart.

Das PPM bewertet seinen bisherigen Erprobungsbetrieb als soliden und gelungenen Auftritt, der gleichwohl noch weiterer Erfahrungen und des entsprechenden Feinschliffs bedarf. Letztlich sind die Social-Media-Präsenzen des PPM als drittgrößtes Polizeipräsidium in Deutschland aus unserem polizeilichen Alltag nicht mehr wegzudenken.

Ein letzter Post …

In unserer Gesellschaft hat ein kommunikativer Generationenwechsel stattgefunden, der auch sukzessive in den Reihen der Polizei Einzug hält. Möchte die Polizei von den Informations- und Kommunikationswegen des sog. Web 2.0 nicht abgeschnitten werden, muss sie dort dauerhaft erreichbar sein und sich aktiv beteiligen, anstatt dieser Entwicklung sprachlos gegenüberstehen.

Facebook & Co. sind zwar keine polizeitaktischen Wundermittel, aber sie erreichen mit überschaubarem Aufwand eine breite Öffentlichkeit, mit der die Polizei unbedingt einen offenen, ehrlichen Umgang und Kommunikation auf Augenhöhe pflegen sollte.

In Zeiten, in denen Polizeibeamte immer öfter den Eindruck haben, ihre Aufgaben und ihr Handeln würden mitunter auf Unverständnis beim Bürger stoßen, ist etwas mehr Transparenz auf unserer Seite ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Polizei tut gut daran, auch in der virtuellen Welt „auf den Straßen” präsent und dialogbereit zu sein.

Hinweis der Redaktion: Zum Umgang mit Facebook & Co siehe auch den Beitrag in: PUBLICUS 2013.5, S. 19.

Andreas Sterz

Andreas Sterz

Kriminalhauptkommissar, Polizeipräsidium München
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