15.05.2015

Empathie und fundierte Kenntnisse

Bei Maßnahmen gegenüber behinderten und psychisch kranken Menschen

Empathie und fundierte Kenntnisse

Bei Maßnahmen gegenüber behinderten und psychisch kranken Menschen

In den Teilbereichen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung weist das Recht angemessene Sonderregelungen auf. | © Minerva Studio - Fotolia
In den Teilbereichen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung weist das Recht angemessene Sonderregelungen auf. | © Minerva Studio - Fotolia

Das Einschreiten gegen behinderte und psychisch kranke Menschen erfordert neben Empathie insbesondere auch fundierte Kenntnisse des Eingriffsrechts. Für die Zusammenarbeit mit anderen Behörden, insbesondere den allgemeinen Ordnungsbehörden, ist dazu auch ein intensiverer „Blick über den Zaun“ auf die Zuständigkeiten und Befugnisse dieser Behörden notwendig.

Normalitäten und Besonderheiten

Gegen behinderte und psychisch kranke Menschen ist das Eingriffsrecht mit der gleichen Konsequenz anzuwenden wie gegen andere Adressaten. Darin spiegelt sich auch die Normalität im gesellschaftlichen Umgang wider. Nur in den Teilbereichen der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung, in denen Verfahrensdifferenzierung aufgrund des Gesundheitszustandes des Gegenübers unabdingbar notwendig ist, weist das Recht angemessene Sonderregelungen auf.

Dazu gehören zum Beispiel:


  • der eventuell notwendige Transport in den Polizeigewahrsam (ggf. mit Unterstützung der Feuerwehr im Rahmen der Amtshilfe),
  • die Untersuchung zur Gewahrsamsfähigkeit und
  • die ggf. notwendige medizinische Versorgung für den Aufenthalt im Polizeigewahrsam.

Im anschließenden Verwaltungsverfahren stellen sich beispielsweise Fragen nach:

  • der Beteiligungsfähigkeit des Betroffenen im Verwaltungsverfahren,
  • seiner Handlungsfähigkeit
  • sowie ggf. dessen notwendiger Vertretung durch einen Bevollmächtigten.

Vorläufige Unterbringung

Auch im Hinblick auf eine Ingewahrsamnahme durch die Polizei treten häufiger Probleme auf. Zum einen kommt die Einlieferung einer psychisch kranken Person in den Polizeigewahrsam grundsätzlich nicht in Betracht, da der Kranke hilfsbedürftig und nicht gewahrsamsfähig ist.

Zuständige Behörde für eine – ggf. sofortige – Unterbringung einer Person ist die örtliche Ordnungsbehörde (OB).

Eine Unterbringung von Amts wegen scheidet aus, wenn der Betroffene – trotz möglicher Willensmängel aufgrund seiner Erkrankung – mit der Unterbringung einverstanden ist (sog. freiwilliger Verbleib).

Soweit die OB im Rahmen der sofortigen Unterbringung (wahrscheinlich) auf Widerstand stößt (stoßen wird), den die Amtswalter mit eigenem unmittelbaren Zwang nicht überwinden können, kann polizeiliche Schutzvollzugshilfe erfolgen.

In Ausnahmefällen, z.B. bei einem bewaffneten Kranken, ist auch die Übernahme der Zwangsvollstreckung im Wege allgemeiner Vollzugshilfe möglich.

Im Zuge eines Unterbringungsverfahrens können erforderlichenfalls auch auf der Grundlage der Psychisch-Kranken-Gesetze der Länder (PsychKG) (Zwangs-) Behandlungs- und besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. Auch in diesem Kontext kommen ggf. Vollzugshilfemaßnahmen für Vollzugsdienstkräfte in geschlossenen psychiatrischen Abteilungen (z.B. bei der Fixierung eines gewalttätigen Patienten) durch Polizeibeamte in Betracht.

Alternative Unterbringung und Betreuung

Ausschließlich vor dem Hintergrund des Aspektes einer gegenwärtigen erheblichen Eigengefährdung kann der für den Aufgabenkreis „Aufenthaltsbestimmung“ bestellte Betreuer gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB die zivilrechtliche Unterbringung beantragen oder bei Gefahr im Verzuge vorab selbst vornehmen und die anschließende richterliche Entscheidung einholen. Er kann hierzu indessen nicht behördlich angewiesen werden.

Mitunter begegnet man in der Polizeipraxis auch bei Behördenvertretern der unzutreffenden Rechtsauffassung, das Betreuungsverfahren gehe der landesrechtlichen Unterbringung stets vor.

Letztlich kommt es darauf an, mit welcher Art der Unterbringung den Interessen des Kranken besser gedient ist.

In jedem Fall aber ist es Sache der OB, dies im Zusammenwirken mit dem Betreuer, ggf. dem SPDI und der Betreuungsbehörde, zu klären.

Kann der Betreuer die Zuführung nicht alleine leisten, wird er durch die zuständige Behörde unterstützt.

Soweit die eigenen Möglichkeiten für den unmittelbaren Zwang nicht ausreichen, insbesondere polizeiliche Schutzgewährung notwendig wird, gelten die Grundsätze der Vollzugshilfe.

 

Reinhold Böcking

Erster Polizeihauptkommissar, Siegen
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