29.04.2025

Kardinalpflicht eines rückwärtsfahrenden Baggers

Urteil des Oberlandesgerichts Hamm

Kardinalpflicht eines rückwärtsfahrenden Baggers

Urteil des Oberlandesgerichts Hamm

Die Haftung des Baggerfahrers begründet einen gleichgerichteten Anspruch der Klägerin gegen die Halterin des Baggers aus § 831 BGB. © Lichtfexx - stock.adobe.com
Die Haftung des Baggerfahrers begründet einen gleichgerichteten Anspruch der Klägerin gegen die Halterin des Baggers aus § 831 BGB. © Lichtfexx - stock.adobe.com

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) hatte in einem Berufungsverfahren über Schadensersatzansprüche zu entscheiden, die nach einem Verkehrsunfall von einem rückwärtsfahrenden Bagger mit einem vorbeifahrenden Lkw ausgelöst worden waren. Dessen Anhänger wurde bei dem Unfall beschädigt. Die Entscheidung der Vorinstanz, des Landgerichts Dortmund (LG), das die Haftungsquoten anders verteilt hatte, wurde entsprechend abgeändert.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Der Klägerin steht unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 30% und abzüglich der unstreitig vorgerichtlich geleisteten Zahlung gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz des unfallbedingten Fahrzeugschadens in Höhe von noch 9.805,99 EUR aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 831 BGB zu. Im Einzelnen:

Keine Gefährdungshaftung, aber deliktische Haftung

Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG kommt, wie das LG zutreffend festgestellt hat, nicht in Betracht, da der beteiligte Bagger gemäß § 8 Nr. 1 StVG privilegiert ist. Damit kann auch § 17 Abs. 3 StVG nicht zur Anwendung kommen, abgesehen davon, dass angesichts des Fahrverhaltens des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs aus den nachfolgenden Gründen nicht von einer Unabwendbarkeit ausgegangen werden kann.


Der Baggerfahrer haftet der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Nunmehr unstreitig ist durch die Beschädigung des streitgegenständlichen Anhängers eine Rechtsgutverletzung an dem Eigentum der Klägerin eingetreten. Die Rechtswidrigkeit wird dadurch indiziert.

Der Baggerfahrer hat diese Rechtsgutverletzung jedenfalls fahrlässig, d. h. unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, § 276 Abs. 2 BGB, herbeigeführt, indem er den von ihm geführten Bagger nach dem Anhalten aus einer Kurvenfahrt heraus unmittelbar zurücksetzte.

Verstoß gegen die Kardinalpflicht des § 9 Abs. 5 StVO

Insoweit liegt unabhängig davon, ob der Unfall auf dem Betriebsgelände stattgefunden hat und dort die StVO aufgrund der entsprechenden Beschilderung der Beklagten oder jedenfalls sinngemäß im Rahmen von § 276 Abs. 2 BGB mittelbar zur Anwendung kommen kann oder der Unfall außerhalb des Betriebsgeländes stattgefunden hat und die StVO unmittelbar zur Anwendung kommt, ein Verstoß gegen die Kardinalpflicht des § 9 Abs. 5 StVO vor.

Die gleichzeitige, nicht § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO entsprechende Anordnung eines generellen Vorrangrechts von Betriebsfahrzeugen – zumal noch widersprüchlich beschildert, da es einmal nur für Schienenfahrzeuge angeordnet worden ist – hat nicht zur Folge, dass diesbezüglich die genannte Pflicht zum Gefährdungsausschluss beim Rückwärtsfahren zurücktritt, da auf dem offen zugänglichen Gelände in keiner Weise sichergestellt war, dass andere Nutzer des Betriebsgeländes (z. B. Arbeiter, Fußgänger, Radfahrer und Kraftfahrzeugführer) von den von den Betriebsfahrzeugen ausgehenden Gefahren ausgeschlossen waren.

Haftung des Baggerfahrers

Der Baggerfahrer war deshalb verpflichtet, sein beabsichtigtes Rangiermanöver nach dem mangels hinreichenden Raums missglückten Abbiegevorgang erst nach ausreichender Umschau, erforderlichenfalls Einweisung einzuleiten.

Der Baggerfahrer als Führer des massiven, schweren und unübersichtlichen Baggers, der nur über eine den direkt rückwärtigen Bereich erfassende Kamera sowie einen linksseitigen Außenspiegel verfügte, konnte sich, da er nicht im Bereich einer gesicherten Arbeitsstelle, sondern gerade im freigegebenen Zufahrtsverkehr unterwegs war, nicht darauf verlassen, dass der Bereich hinter ihm zu jeder Zeit frei sein würde. Dies gilt umso mehr, wenn er die Fahrspur hinter ihm nicht einsehen konnte.

Die Haftung des Baggerfahrers begründet einen gleichgerichteten Anspruch der Klägerin gegen die Halterin des Baggers aus § 831 BGB. Die Beklagten haben nichts vorgetragen, was die Halterin in dieser Hinsicht entlasten könnte. Die Beklagten haften der Klägerin gesamtschuldnerisch auf noch 9.805,99 EUR.

(…)

OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2024 – 7 U 150/23

Den vollständigen Beitrag lesen Sie im RdW-Kurzreport 5/2025, Rn. 63.

Ministerialrat Dr. Dr. Frank Ebert

Ministerialrat a.D. Dr. Dr. Frank Ebert

Leiter des Thüringer Prüfungsamts a.D., Erfurt
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