15.01.2013

Im Urheberrecht spielt die Musik

Die GEMA in den Schlagzeilen

Im Urheberrecht spielt die Musik

Die GEMA in den Schlagzeilen

Wann sind GEMA-Tarife für Unterhaltungsveranstaltungen mit Musik angemessen? | © Farina3000 - Fotolia
Wann sind GEMA-Tarife für Unterhaltungsveranstaltungen mit Musik angemessen? | © Farina3000 - Fotolia

Neue GEMA-Tarife waren im letzten Jahr schlagzeilenträchtig. Es gab Petitionen und Proteste, gescheiterte Verhandlungen und eine einseitig beantragte Schlichtung. Die Berichterstattung ließ oft im Unklaren, inwieweit Wirtschaftsmacht und Verhandlungspolitik die Ergebnisse bestimmen und inwieweit der rechtliche Rahmen. Zu den Rechtsgrundlagen der GEMA-Tarifwerke und Gesamtverträge sowie zum Verlauf der Verhandlungen bis Mitte 2012 kann man sich recht übersichtlich informieren bei Wikipedia, auf den Seiten der GEMA und auf den Seiten des DEHOGA, des mächtigsten Mitgliedes der Bundesvereinigung der Musikveranstalter (BMV).

Wahrnehmungsgesellschaften wie die GEMA sind zwar formal dem Privatrecht zuzurechnen. Da sie aber gesetzlich mit Exklusivrechten und Kontrahierungszwang ausgestattet werden und der Aufsicht des DPMA unterstellt sind, ragen sie über den Privatsektor hinaus und haben sowohl politische Bedeutung als auch ordnungsbehördliche Relevanz. Zudem sind auch Veranstaltungen kommunaler und staatlicher Träger bei Musiknutzung GEMA-pflichtig; selbst die musikalische Umrahmung des öffentlichen Neujahrsempfangs der Gemeindeverwaltung kostet GEMA-Gebühren.

Kontrahenten

Die primären Akteure in der aktuellen Diskussion um die Angemessenheit von GEMA-Tarifen für Unterhaltungsveranstaltungen mit Musik sind außer der GEMA selbst Interessenverbände aus der Unterhaltungswirtschaft und aus dem Bereich kulturtreibender Vereine sowie das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA). Letzteres fungiert einerseits als Aufsichtsbehörde, um einem Missbrauch der Monopolstellung der privatwirtschaftlich organisierten Wahrnehmungsgesellschaften vorzubeugen. Andererseits ist sie auch Schiedsstelle nach §14 des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (UrhWahrnG). Als solche wurde 2012 das DPMA von der GEMA angerufen, um über die einseitig von ihr vorgelegten Tarife U-V und M-V ein Schiedsverfahren zu eröffnen. Zuvor waren Verhandlungen über einen neuen Gesamtvertrag mit dem BMV nicht zustande gekommen, der die neuen Tarife generell ablehnte. Ein solches Einparteien-Schiedsverfahren kann man (mit gutem Willen) auf §14c Absatz2 Satz 1 UrhWahrnG stützen.


Argumente

Die GEMA betont in der Außendarstellung stets das Interesse an einer besseren Tarifgerechtigkeit durch Linearisierung der Staffelpreise. Die Gegenseite vertritt keine geschlossene Gegenansicht, sondern manche möchten nicht auf liebgewonnene Vorteile verzichten, andere wollen gleich „die Kultur retten“. Existenziell Betroffene verweisen darauf, dass die vorgeschlagenen neuen Tarife keineswegs gerechter, sondern vor allem und im Durchschnitt erst einmal teurer seien; dazu werden sogar nachvollziehbare Musterrechnungen mit Kostensteigerungen im dreistelligen Prozentbereich aufgemacht. Letztere werden dann von der GEMA als bedauerliche Einzelfälle bezeichnet, denen mit der Härtefallklausel zu begegnen sei, die man aber nicht argumentativ gegen das neue Tarifwerk als Ganzes anführen dürfe. Die Argumentationen bewegen sich somit zirkulär und oft sprechen die Verhandlungsgegner übereinander anstatt miteinander.

Rechtsproblem

Hier soll ein grundsätzlicher Punkt angesprochen werden, der einer konstruktiven und gütlichen Einigung offenbar häufig im Wege steht, jedoch vom DPMA nicht öffentlich moniert wird. §13 Absatz3 Sätze1 und 2 UrhWahrnG lauten: „Berechnungsgrundlage für die Tarife sollen in der Regel die geldwerten Vorteile sein, die durch die Verwertung erzielt werden. Die Tarife können sich auch auf andere Berechnungsgrundlagen stützen, wenn diese ausreichende, mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand zu erfassende Anhaltspunkte für die durch die Verwertung erzielten Vorteile ergeben.“ Dieses gesetzlich vorgegebene Regel-Ausnahme-Verhältnis wurde durch den einseitig eingereichten Tarif umgekehrt. Auch durch Modifikationen im Zusammenhang mit einem ersten neu verhandelten Gesamtvertrag wurde es nur ansatzweise wiederhergestellt. Solche Abstraktionen haben jedoch in GEMA-Tarifen und Gesamtverträgen Tradition und sind von der Rechtsprechung als systemnotwendige Vereinfachungen zur Aufgabenerfüllung akzeptiert (BGH Urteile vom 27.10.2011 – I ZR 125/10 und I ZR 175/10, Straßenfest). Fraglich ist jeweils die Grenze zulässiger Verallgemeinerung und auch, ob nicht aufgrund moderner EDV individuell gerechtere Modelle praktikabel geworden sein könnten.

Von der Härtefallklausel …

In den Tarifwerken U-V und M-V ist nämlich vordergründig ausschließlich von Pauschalvergütungen die Rede, die prinzipiell aus einem Produkt [Eintrittspreis mal Personenkapazität] berechnet werden, sich jedoch nie an den tatsächlich erzielten Einnahmen orientieren. Nur in Härtefällen berechnet die GEMA auf schriftlichen Antrag eine für die Veranstaltung „angemessene Vergütung“; nämlich sofern der Veranstalter den Nachweis erbringt, dass die Bruttoeinnahmen aus der Veranstaltung im Einzelfall in grobem Missverhältnis zur Höhe der Pauschalvergütungssätze stehen. Diese Bruttoeinnahmen bezeichnen GEMA-Tarife als den geldwerten Vorteil nach §13 Absatz 3 Satz1 UrhWahrnG. Hier enden derzeit die juristischen Rahmenlinien des Parlamentsgesetzes und der verfestigten Rechtsprechung, der Rest ist tatsächlich Verhandlungssache. Am dringendsten verhandeln mussten die Karnevalisten, da deren Saison im Winter beginnt.

… zur Angemessenheitsregelung

Himmelmann (in Kreile u.a., Recht und Praxis der GEMA, 2.Auflage 2008, S.876) betont zwar, die – bisherige – Härtefallklausel sei entgegen ihrem Wortlaut keine Kann-Bestimmung, sondern zwingend. Aber sie greift eben nicht bei jedem, sondern erst bei einem groben Missverhältnis. Ansonsten sind aber nach jahrzehntelanger Rechtstradition sogenannte systemimmanente Härten hinzunehmen (BGH GRUR 88, 373, 376). Punkt. Demgegenüber ist das aktuelle Verhandlungsergebnis mit dem Bund Deutscher Karneval (BDK) als Stufe in der Rechtsentwicklung anzusehen. Unter der Überschrift „Veranstaltungsbranche profitiert von erstem Gesamtvertrag“ berichtet die GEMA (kr, Branchennews 07/2012) auf ihrer Homepage, dass die mit dem BDK verhandelten Modifikationen des Gesamtvertrages ab 01.04.2013 auch für die generellen Tarife U-V und M-V gelten und dass die „Härtefallnachlassregelung“ nunmehr als „Angemessenheitsregelung“ konkretisiert werde, wonach die Obergrenze der GEMA-Vergütung außerhalb der Mindestvergütung 10Prozent der Eintrittsgelder betrage. Im Tariftext selbst findet sich dies weniger apodiktisch unter Punkt V.B)1.1. Daher werden Veranstalter geneigt sein, die Presseerklärung „Branchennews 07/2012“ zur Auslegung mit heranzuziehen, denn 10 Prozent der tatsächlich vereinnahmten Eintrittsgelder wären sicher für viele von ihnen ein akzeptabler Betrag.

Nachtrag vom 20.12.2012

Die umstrittene Tarifreform wurde einvernehmlich ausgesetzt und auf 2014 vertagt. Das Schiedsstellenverfahren wird abgewartet und die bisherigen Preise werden pauschal um 5% erhöht, für Discos und Clubs ab 01.04.2013 um weitere 10%. (Quelle: http://www.dehoga-bundesverband.de/presse/pressemitteilungen/?tx_dehoganews_pi1[nid]=818).

 

Dr. Alexander Konzelmann

Leiter der Boorberg Rechtsdatenbanken RDB, Stuttgart
n/a