Geheimtipp oder Kollektivmarke
Marketingstrategie: Die Bedeutung geographischer Angaben für Kommunen
Geheimtipp oder Kollektivmarke
Marketingstrategie: Die Bedeutung geographischer Angaben für Kommunen
Geographische Angaben werden immer wichtiger für die Vermarktung regionaler Produkte und Angebote. Die Möglichkeit ihrer Benutzung lockt Gewerbetreibende an. Anders als Marken kann niemand solche Angaben nach Bedarf kreieren. Dagegen können geographische Angaben oder Herkunftsangaben untergehen, indem sie zur Gattungsbezeichnung werden.
Die EG-Verordnung Nr. 1151/2012 regelt „Ursprungsbezeichnungen“ und „geschützte geographische Angaben“ für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ausgenommen Wein und Spirituosen). Andere Waren und Dienstleistungen (auch handwerkliche und industrielle) können nur Schutz nach Spezialregelungen und nach dem deutschen Markengesetz (§§126ff. MarkenG) als „geographische Herkunftsangaben“ erlangen. Diese werden – anders als die nach der EG-Verordnung schutzfähigen Ursprungsbezeichnungen und geschützten geographischen Angaben – nicht registriert.
Nur die europarechtlich eingetragenen geographischen Angaben können nach ihrer Registrierung nie mehr zu Gattungsbezeichnungen und auch nicht als Marken eingetragen werden, weshalb dieser Schutz qualitativ höher anzusehen ist als der nach dem deutschen Markengesetz. Bei einer deutschen Herkunftsangabe müssen die an ihr Interessierten dagegen jede Entwicklung zum Gattungsbegriff aktiv verhindern.
Europäischer Schutz
Die beiden europäischen Schutzrechte unterscheiden sich durch den Grad der Verbindung zwischen Produkt und Herkunftsgebiet.
Eine Ursprungsbezeichnung muss in der betreffenden Region erzeugt und verarbeitet und hergestellt werden, wie oft Mineralwasser (Quellnamen). Alle Erzeugungsschritte müssen in der Region stattfinden.
Für die geschützte geographische Angabe reicht es dagegen aus, wenn das mit ihr bezeichnete Produkt in der betreffenden Region erzeugt oder verarbeitet oder hergestellt wird.
- Europäisches Registrierungsverfahren:
Der Schutzantrag kann beim Deutschen Patent- und Markenamt gestellt werden, das u.a. den Grad der Verbindung zwischen Produkt und Herkunftsgebiet prüft sowie ob besondere Eigenschaften auf den geographischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse basieren oder ob sich aus dem regionalen Ursprung ein besonderes Ansehen ergibt.
In diesem nationalen Verfahrensabschnitt kann nach §130Abs.4Satz2 MarkenG Einspruch einlegen, wer berechtigte Interessen geltend machen kann und in Deutschland ansässig ist.
Ist national rechtskräftig entschieden, dass die Angabe schutzfähig ist, wird der Antrag an die EU-Kommission weitergeleitet, gegen deren Entscheidung dann nur noch Einsprüche aus anderen Ländern eingelegt werden können (§ 131 MarkenG, Art. 51 VO (EG) Nr. 1151/2012).
Prüfungspunkte sind u.a., ob eine Gattungsbezeichnung vorliegt und wie die Situation und die Bezeichnungsgewohnheiten in dem Mitgliedstaat, aus dem der Name stammt, in den Verbrauchsgebieten und in anderen Mitgliedstaaten sind.
- Spezifikation
Art. 7 der VO (EG) Nr. 1151/2012 verlangt zum Nachweis der Verbindung zwischen Produkt/Qualität und Herkunftsgebiet eine Spezifikation. Dabei ist zu gewährleisten, dass die Spezifikation (= Rezeptur) keine ungerechtfertigten Beschränkungen enthält, sondern nur sachlich berechtigte. Sie kann auch die Weiterverarbeitung im Ursprungsgebiet umfassen (EuGH GRUR 2003, 616 – Prosciutto di Parma; GRUR 2003, 609 – Grana Padano; BPatG GRUR 2012, 398 – Schwarzwälder Schinken).
Die Rezeptur kann nachträglich gemäß Art. 53 VO (EG) Nr.1151/2012 geändert werden, beispielsweise wenn das Herstellungsverfahren sich infolge des technischen Fortschritts verändert hat oder geänderte Anforderungen von dem Verbraucher an das Produkt gestellt werden (geringerer Fettgehalt etc.).
Der Schutz umfasst nur die Benennung, nicht die Produktion nach der Spezifikation.
Wegen Art.14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1151/2012 können geographische Angaben nicht mehr als Marken eingetragen werden. Dennoch eingetragene Marken können gelöscht werden. Art.7 Abs. 1 lit. k und Art.51 Abs. 1 lit. a GMV enthalten ein dementsprechendes absolutes Schutzhindernis und einen Löschungs- bzw. Nichtigkeitsgrund. Im deutschen Recht den Art.14 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1151/2012 unmittelbar anzuwenden, ist nicht nötig. Er ist nämlich eine Vorschrift im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG, womit eine Löschung über § 50 Abs. 2 und 3 MarkenG eröffnet ist und nicht systemwidrig über § 13 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG erfolgen muss (zum Streit hierüber s. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rn. 294; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 660, 725, § 50 Rn. 23; Omsels, Geographische Herkunftsangaben, 2007, Rn. 797).
Deutscher Schutz
Die §§126ff. MarkenG schützen für alle Waren und Dienstleistungen, also auch für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse, als solche benutzte geographische Herkunftsangaben. Das erfasst auch die Namen von Orten, Gegenden, Gebieten oder Ländern sowie sonstige Angaben oder Zeichen zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft, also auch mittelbare Herkunftsangaben.
Das deutsche Recht unterscheidet zwischen einfachen und qualifizierten Herkunftsangaben. Produkten qualifizierter geographischer Herkunft kommen nach den Erwartungen der Verbraucher besondere Eigenschaften zu, die dem Produkt objektiv anhaften müssen. Mit einfachen Herkunftsangaben muss das Publikum hingegen keine besonderen Eigenschaften verbinden.
Nach § 127 Abs. 1 MarkenG dürfen geographische Herkunftsangaben nicht für Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, die nicht aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen, das durch die geographische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn bei der Benutzung solcher Namen, Angaben oder Zeichen für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft besteht.
Ferner verbietet §127 Abs.3 MarkenG die Benutzung der Angabe, wenn diese den besonderen Ruf einer geographischen Herkunftsangabe oder ihre Unterscheidungskraft in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (Verwässerungsgefahr; vgl. BGH GRUR 2012, 394 – Bayerisches Bier II).
Vorbeugung von Gattungsbezeichnungen
Sehen die Verbraucher in einer Bezeichnung überwiegend keinen Hinweis auf die Herkunft (mehr), sondern nur noch eine Gattung, ist nach der VO (EG) keine Eintragung möglich und nationale Herkunftsbezeichnungen verlieren ihren Schutz sogar. Interessenten müssen also verhindern, dass die geographische Angabe zur Beschaffenheitsangabe bzw. Gattungsbezeichnung (§ 126 Abs. 2 MarkenG) wird und nur noch eine bestimmte Art oder einen bestimmten Typ von Erzeugnissen beschreibt, wie etwa „Pilsener„. Auch gilt es zu verhindern, dass Betriebe die Bezeichnung „mitnehmen“, wenn sie die Produktion verlagern.
Wer einer Entwicklung zur Gattungsbezeichnung vorbeugen will, sollte nie von „echten“ bzw. „originalen“ Produkten sprechen. Kontraproduktiv ist auch die Dokumentation, dass bereits auswärts hergestellte Waren auf dem Markt sind und die Eintragung gerade deshalb angestrebt wird, um dies künftig zu verhindern. Auch sollte man nie von seinem Produkt als vom „ersten“ oder „besten“ sprechen; das erweckt den Anschein, als läge ein Gattungsbegriff vor.
Die Rückentwicklung von der Gattungsbezeichnung wieder zur Herkunftsangabe bedarf großer Aufwendungen – ist aber möglich (zur Geschichte der Nürnberger Bratwürste s. Reinhart, WRP 2003, 1313).
Die „garantiert traditionelle Spezialität“
Kann ein Produkt ohne Qualitätseinbuße überall hergestellt werden, bleibt nur die garantiert traditionelle Spezialität nach Art. 17 ff VO (EG) Nr. 1151/2012. Sie gehört nicht zu den geographischen Angaben und gewährleistet die traditionelle Zusammensetzung oder das traditionelle Herstellungsverfahren eines Erzeugnisses, wie Mozzarella, Serrano-Schinken. Deutsche Produkte sind den Verfassern nicht bekannt.
Der Antrag auf Schutz kann beim Deutschen Patent- und Markenamt gestellt werden.
Seitenschutz und Ausweg „Kollektivmarke“
Nach §§ 97, 99 MarkenG ist die Eintragung einer deutschen geographischen Herkunftsangabe und einer geographischen Angabe nach der VO (EG) Nr. 1151/2012 als Kollektivmarke möglich.
Das zieht einerseits weitere Schutz- und Abwehrrechte nach sich, erweitert aber andererseits den Kreis der zur Verwendung Berechtigten (§ 100 MarkenG). Schließlich muss die für die Kollektivmarke zwingend erforderliche Satzung vorsehen, dass jeder Verbandsmitglied werden kann, dessen Waren oder Dienstleistungen aus dem betreffenden Gebiet stammen und die in der Satzung vorgegebenen Bedingungen erfüllen (§ 102 MarkenG). Zur Nutzung der geographischen Angabe, die zugleich Kollektivmarke ist, ist sogar berechtigt, wer nicht Verbandsmitglied ist.
Kollektivmarken sind ein wichtiges Mittel, das Image der eigenen Region zu pflegen und Gewerbebetrieben die Ansiedlung schmackhaft zu machen, weil sie ihre Produkte oder Dienstleistungen damit bewerben können. Kommunen sollten daher immer auch die Anmeldung einer Kollektivmarke erwägen (Albrecht/Hoffmann, Geistiges Eigentum in der Kommune, 2010, S. 42 ff.).
Nach § 98 Satz 2 MarkenG können sie dies als juristische Personen des öffentlichen Rechts tun und dabei mit der Markensatzung regeln, wer die Marke wofür nutzen darf und was er dafür gewährleisten muss.
Zu vermeiden ist dabei, dass die Kollektivmarke einen hoheitlichen Anspruch vermittelt. Solche Marken können nicht auf Private übertragen oder für Private lizenziert werden (BGH GRUR 2007, 1079; GRUR-RR 2010, 407 – Bundesdruckerei; LG Nürnberg IR2009, 40; BPatG Beschl. v. 22.5.2012 – 27 W (pat) 51/11, BeckRS 2012, 14376 – St. Petersburger Staatsballett; a.A. Manz MarkenR 2012, 357).
Ausblick
Während geographische Angaben immer wichtiger für die regionale Vermarktung werden, steigt auf Grund der medialen Vielfalt unserer Zeit die Gefahr, dass sie sich zu schutzunfähigen Gattungsbezeichnungen entwickeln und dies durch Recherchen auch bekannt wird.
Umso mehr lohnt es sich, den steinigen Weg des Antrags auf Registrierung als geographische Angabe frühzeitig anzugehen.
Wer das vorhat, sollte schon vorher seinen Sprachgebrauch und den der anderen Interessenten kritisch betrachten und schädliche Formulierungen vermeiden bzw. verhindern.
Wem es aber mehr auf das geheime Rezept ankommt als auf den Namen, dem bleibt weiterhin nur Diskretion, da sich gerade dann der Ausweg über die Kollektivmarke verbietet. Gleiches gilt, wenn Variationen des Produktes absehbar sind.