15.01.2013

Fast fertig

Die Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie

Fast fertig

Die Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie

Einheitliche europäische Standards zur Emissionsminderung – die IED kommt. | © ferkelraggae - Fotolia
Einheitliche europäische Standards zur Emissionsminderung – die IED kommt. | © ferkelraggae - Fotolia

Wenn am 14. Dezember 2012 der Bundesrat sein Placet gibt, steht einer fristgemäßen Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie (IED) nichts mehr im Weg. Damit findet ein gerade für den sensiblen Umweltbereich ausgesprochen geräuschloser Prozess seinen Abschluss. Denn obwohl allein in Deutschland rund 9.000 große und emissionsintensive Industrieanlagen betroffen sind, hielten sich – nach einigen allerdings wichtigen Korrekturen im frühen Stadium – die Branchen-, aber auch die Umweltverbände weitgehend zurück.

Für die Industrie ist das eine gute Nachricht: Nach den quälenden und unfruchtbaren Diskussionen beispielsweise um das (an einem einzelnen Bundesland) gescheiterte Umweltgesetzbuch oder dem rechtlichen Rahmen für Carbon Capture and Storage (CCS) gab es einige, die der Bundesrepublik schon die Unregierbarkeit des Umweltbereiches attestiert hatten. Dies aber wäre gerade für die Industrie mit dem Bedürfnis langfristiger Investitions- und Planungssicherheit katastrophal.

Lange Diskussion im Vorfeld

Der relative Konsens, mit dem die IED nun umgesetzt wurde, geht auch auf den intensiven Diskussionsprozess zurück, in dem Brüssel die Reform des Anlagenrechts diskutiert und vielfach abgeschliffen hat. Als die Richtlinie 2010 in Kraft trat, wussten die Betroffenen deswegen weithin schon, was auf sie wartet. Ein weiterer Grund, weshalb die deutschen Anlagenbetreiber die IED zum größten Teil nicht fürchten, liegt in dem schon heute sehr hohen Umweltstandard. Rein theoretisch sollte dieser zwar schon jetzt gemeinschaftsweit gelten. Die 2010 in der IED aufgegangenen sechs Richtlinien (also die IVU-Richtlinie, die Großfeuerungsanlagen-Richtlinie, die Abfallverbrennungs-Richtlinie und drei Richtlinien zu Lösemittel und Titandioxid) waren aber in manchen Mitgliedstaaten nur sehr unzureichend umgesetzt worden.


Doch auch wenn die Unternehmen in Deutschland aufgrund ihrer technologischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit schon nach eigenem Bekunden nur in Einzelfällen grundlegende Probleme haben werden, den Anforderungen des neuen Rechts zu genügen, so bedeutet dieses doch eine erhebliche Umstellung der gewohnten Abläufe und Standards, die nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Schließlich drohen bei Verletzung der mit dem Luftreinhalterecht verbundenen Pflichten empfindliche Strafen und Bußgelder. Zudem stellt die Einhaltung aller umweltrechtlichen Anforderungen eine wesentliche Voraussetzung für ein positives Klima für künftige Investitionen dar, auf das Unternehmen zwingend angewiesen sind. Hier sind nun die fürs Genehmigungsmanagement verantwortlichen Ingenieure, Juristen und Controller gefragt. Denn die IED begnügt sich nicht mit einer nur punktuellen Abänderung der bisher geltenden Ansprüche an die von ihr erfassten Industrieanlagen. Sie füllt die an sich schon herkömmlich bestehende Pflicht zur Einhaltung dynamischer Anforderungen sowohl materiell als auch prozedural mit deutlich mehr Leben als bisher.

Zentral: Neue Prozesse im Anlagenmanagement

Entsprechend dieser strukturellen Umgestaltung des Luftreinhalterechts besteht der Kern der Neuregelungen auch nur in zweiter Linie in den – zugegeben anspruchsvollen – neuen Grenzwerten für IED-Anlagen, die sich aus den Neufassungen der 13. und 17. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) ergeben. Diese sind, ebenso wie andere neue Grenzwerte der Vergangenheit auch, nun – mit einigen Ausnahmen bis Anfang 2016 – auf betrieblicher Ebene umzusetzen. In erster Linie kümmern sich die Verantwortungsträger in den Unternehmen vielmehr um die folgenden neuen Prozesse für das Management der betroffenen Anlagen:

Zunächst werden erstens die BVT-Merkblätter aufgewertet. Künftig sind deren Schlussfolgerungen nicht nur ein wichtiges Dokument unter vielen, sondern schlicht geltendes Recht. Wenn ein BVT-Merkblatt veröffentlicht wird, müssen die Anlagenbetreiber grundsätzlich binnen vier Jahren den im BVT-Merkblatt niedergelegten Stand der Technik realisieren. Dabei darf weder auf die deutsche Umsetzung noch auf die konkrete Anforderung der Genehmigungsbehörde gewartet werden. Unternehmen mit IED-Anlagen müssen also sorgfältig die Diskussionsprozesse rund um den sog. Sevilla-Prozess beobachten, der sich zudem künftig deutlich beschleunigen soll. Zielgröße sind neue Anforderungen alle acht Jahre. Für viele Unternehmen heißt das: Sie haben künftig jeweils vier Jahre Zeit, neue Anforderungen umzusetzen, um dann in den nächsten vier Jahren die nächsten neuen Anforderungen europäisch zu diskutieren. Dies ist vielfach mit den heute vorhandenen Mitteln im Umweltmanagement nicht zu leisten. Hier muss auch innerbetrieblich umgedacht werden.

Weiter wird zweitens die Wiederherstellungspflicht speziell für den Boden nach Betriebsbeendigung gestärkt. Für neue Anlagen muss vor Errichtung ein Ausgangszustandsbericht erstellt werden, um dann nach Ende des Betriebs in vielleicht vielen Jahren die möglichst weitgehende Wiederherstellung des Zustands vor dem Bau einfordern und überprüfen zu können. Bestehende Anlagen werden hier allerdings nicht ausgenommen. Für diese muss ein solcher Bericht in Zusammenhang mit Änderungsgenehmigungen eingereicht werden. Faktisch bedeutet das, dass manche rechtlich jetzt schon sanierungsbedürftige Altlast in den nächsten Jahren im Zuge von Änderungsmaßnahmen auftauchen wird und teure Sanierungspflichten auslöst, für die möglicherweise kein Verursacher mehr dingfest gemacht werden kann.

Als letzter besonders wichtiger Punkt wird drittens die erhöhte Frequenz an Umweltinspektionen je nach Risikostufe der Anlage diskutiert. Zwar werden viele Anlagen, die der IED unterfallen, schon heute intensiv und engmaschig überwacht. Trotzdem bedeuten die neu eingeführten Überwachungsprogramme mehr Aufwand für die Unternehmen und die Behörden. Ob dem jeweils auch ein erhöhter Nutzen gegenübersteht, wird vielfach bezweifelt. Gleichwohl: Hier gilt es, Mitarbeiter zu schulen und Abläufe mit dem neuen Standard zu automatisieren, zumal ja auch in anderen Materien des Umweltrechts beständig neue Überwachungs- und Meldepflichten greifen, die erhebliche Koordinationsleistungen voraussetzen.

Fazit: Jetzt geht’s los!

Der insgesamt positive Blick auf den Umsetzungsprozess darf nun aber nicht den Blick auf die vielen noch anstehenden Veränderungen in jedem einzelnen Unternehmen trüben. Hier gilt es nun, die Ärmel hochzukrempeln und das neue Luftreinhalterecht professionell umzusetzen.

 

Dr. Ines Zenke

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Partner Becker Büttner Held, Berlin
 

Dr. Miriam Vollmer

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht, re|Rechtsanwälte, Berlin
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