Hochschulstadt, Urweltgemeinde, Waldenserort
Die neue Verwaltungspraxis im Bereich der kommunalrechtlichen Zusatzbezeichnungen
Hochschulstadt, Urweltgemeinde, Waldenserort
Die neue Verwaltungspraxis im Bereich der kommunalrechtlichen Zusatzbezeichnungen

Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Namensrecht der Gemeinde und den Bezeichnungen, die eine Gemeinde unter gewissen Voraussetzungen neben ihrem Namen führen kann. Nach einem kurzen Überblick über das Namensrecht und die Bezeichnung Stadt werden schwerpunktmäßig die sonstigen Bezeichnungen in den Blick genommen, mit denen örtliche Besonderheiten, geschichtliche Bezüge oder Alleinstellungsmerkmale einer Gemeinde oder eines Ortsteils hervorgehoben werden können. Im Zuge einer Änderung der Gemeindeordnung im Jahr 2020 wurde die seit mehreren Jahrzehnten äußerst zurückhaltende Praxis in diesem Bereich maßgeblich liberalisiert. Mittlerweile führen in Baden-Württemberg über 120 Gemeinden bzw. Ortsteile eine solche kommunalrechtliche Zusatzbezeichnung. Der Beitrag zeichnet diese Entwicklung und die historischen Hintergründe nach und beleuchtet die aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen.
I. Einleitung
§ 5 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) enthält die zentrale Regelung zum Namen der Gemeinde und zu möglichen Bezeichnungen, die eine Gemeinde unter gewissen Voraussetzungen führen kann. Vom Namen der Gemeinde1 sind die Bezeichnung Stadt2 und die sonstigen Bezeichnungen3 zu unterscheiden, die jeweils nicht Teil des Namens sind.
Der Beitrag gibt zunächst einen kurzen Überblick über das Namensrecht der Gemeinde.4 Weiterhin wird die Bezeichnung Stadt beleuchtet,5 die derzeit immerhin 316 der 1 101 Gemeinden im Land führen und die in seltenen Fällen an Gemeinden neu verliehen wird, die nach Einwohnerzahl, Siedlungsform und ihren kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnissen städtisches Gepräge tragen.
Im Schwerpunkt behandelt dieser Beitrag schließlich die neue Verwaltungspraxis im Bereich der sonstigen Bezeichnungen6 (sogenannte Zusatzbezeichnungen), mit denen örtliche Besonderheiten, geschichtliche Bezüge oder Alleinstellungsmerkmale einer Gemeinde oder eines Ortsteils hervorgehoben werden können. Über mehrere Jahrzehnte war die Praxis in diesem Bereich äußerst zurückhaltend und kommunalrechtliche Zusatzbezeichnungen wurden nur in seltenen Fällen verliehen. Diese Praxis hat im Jahr 2020 unter anderem durch eine Änderung der Gemeindeordnung7 eine maßgebliche Liberalisierung erfahren. Mittlerweile führen in Baden-Württemberg über 120 Gemeinden bzw. Ortsteile eine kommunalrechtliche Zusatzbezeichnung. Da die Gemeinden solche Bezeichnungen auf den Ortstafeln an den Ortseingängen führen dürfen, sind sie im Ortsbild präsent und für die Bevölkerung und Gäste der Gemeinde jeweils an prominenter Stelle sichtbar.
II. Name der Gemeinde
Das Recht der Gemeinden, ihren einmal bestimmten Namen zu führen, hat seinen Ursprung in der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Der Name vermittelt der Gemeinde rechtliche Identität und ist zugleich äußerer Ausdruck ihrer Individualität.8 Eine Gemeinde führt den Namen, den sie bei Inkrafttreten der Gemeindeordnung am 01.04.1956 – oftmals bereits seit Jahrhunderten – berechtigterweise für sich verwandte.9 Zum Namen gehören auch die unterscheidenden Zusätze, die der Bestimmung der geographischen oder topographischen Lage der Gemeinde (zum Beispiel Freiburg im Breisgau, Geislingen an der Steige) oder sonst zur Unterscheidung von gleichlautenden Gemeindenamen dienen (zum Beispiel Weil der Stadt).
Namensänderungen auf Initiative der Gemeinde sind mit Zustimmung des Regierungspräsidiums möglich.10 Sie kommen in der kommunalen Praxis allerdings selten vor, zuletzt ausschließlich durch Anfügung von unterscheidenden Zusätzen.11 Aus materieller Sicht setzt die Änderung des Gemeindenamens als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein besonderes öffentliches Interesse voraus. Dies ergibt sich aus dem Sinn des Zustimmungserfordernisses, das eine sachgerechte (staatliche) Entscheidung über alle mit der Namensänderung zusammenhängenden und von ihr berührten Interessen sicherstellen soll. Es liegt im staatlichen Interesse, Verwechslungen auszuschließen, übergeordnete landeskundliche Aspekte berücksichtigen zu können und Beliebigkeit zu vermeiden. Auch angesichts der Kosten, die anderen Verwaltungsträgern, Behörden und sonstigen Personen durch eine Namensänderung entstehen, können nur triftige Gründe eine Änderung des Gemeindenamens rechtfertigen.12 In diesem Sinne kann ein besonderes öffentliches Interesse etwa dann vorliegen, wenn die Änderung sachlich notwendig ist, der vorgeschlagene Name nicht zu Verwechslungen führen kann und historische, geographische, wirtschaftliche oder sonstige wesentliche Gesichtspunkte des öffentlichen Wohls für die Änderung sprechen. Insofern besteht ein gewisser Ermessensspielraum.13
Gegen ihren Willen könnte der Name einer Gemeinde nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geändert werden. Das Namensrecht der Gemeinde ist ein öffentlich-rechtliches Persönlichkeitsrecht.14 Es genießt den Schutz der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie, ohne allerdings zum unantastbaren Kernbereich zu gehören. Für eine Umbenennung müssten sich übergeordnete Gesichtspunkte des öffentlichen Wohls anführen und plausibel begründen lassen. Die Gemeinde hätte in jedem Fall ein Recht auf ordnungsgemäße Anhörung vorab.15
Das Namensrecht der Gemeinde genießt auch den zivilrechtlichen Schutz des § 12 BGB. Der zivilrechtliche Namensschutz umfasst das Recht, einen Namen ungestört und ausschließlich zu gebrauchen und andere vom unbefugten Gebrauch des Namens auszuschließen. Daraus folgt, dass die Gemeinde die Benutzung ihres Namens (zum Beispiel für Werbezwecke) oder gar den Missbrauch des Namens nicht hinzunehmen braucht. Wenn ein anderer unbefugt den Gemeindenamen gebraucht, kann die Gemeinde Beseitigung der Beeinträchtigung (Unterlassung des Gebrauchs) verlangen und, wenn weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, auf dem ordentlichen Rechtsweg auf Unterlassung klagen. Wenn der Gebrauch des Namens einer Gemeinde nach allgemeiner Verkehrsauffassung aber nur auf die örtliche Lage eines Unternehmens, auf die Herkunft oder den Herstellungsort eines Erzeugnisses hinweist und damit lediglich geographische Bedeutung hat (zum Beispiel „Stuttgarter Zeitung”), ist das Namensrecht der Gemeinde regelmäßig nicht verletzt. Auch Namen von Ortsteilen einer Gemeinde genießen grundsätzlich zivilrechtlichen Namensschutz.16 Die Gemeinde hat im Übrigen die (alleinige) Befugnis, ihre Ortsteile zu benennen,17 ein Mitwirkungsrecht des Staats wie beim Gemeindenamen besteht nicht.
III. Die Bezeichnung Stadt
1. Recht zur Führung der Bezeichnung
Die Bezeichnung Gemeinde ist der umfassende Oberbegriff und der zentrale Begriff der Gemeindeordnung, der auch in allen Vorschriften des Landesrechts verwendet wird, die unabhängig von der Größe der Gemeinde auf diese Anwendung finden. Alle Gemeinden führen grundsätzlich die Bezeichnung Gemeinde, soweit ihnen nicht die Bezeichnung Stadt nach historischem Recht zusteht18 oder nach der Gemeindeordnung verliehen worden ist.19 Wenn eine Gemeinde mit der Bezeichnung Stadt in eine andere Gemeinde eingegliedert oder mit anderen Gemeinden zu einer neuen Gemeinde vereinigt wird, kann die aufnehmende oder neugebildete Gemeinde diese Bezeichnung als eigene Bezeichnung weiterführen, ohne dass es hierfür einer besonderen Verleihung bedarf.20
Städte sind demnach zunächst die Gemeinden, denen diese Bezeichnung bei Inkrafttreten der Gemeindeordnung am 01.04.1956 nach bisherigen Recht zustand. Dies sind zum einen 272 Gemeinden, die damals bereits die Bezeichnung Stadt geführt hatten,21 zum anderen 22 Gemeinden, die nach der Badischen Gemeindeordnung vom 05.10.1921 die Bezeichnung Stadtgemeinde geführt hatten22 und allesamt die Bezeichnung Stadt durch Beschluss wiederaufgenommen haben.23 In vielen Fällen war die Verleihung des Stadtrechts auf Rechtsakte früherer Zeit zurückzuführen, etwa auf eine landesherrliche Verleihung im Mittelalter (Stadtregal). Geleitet vom Gedanken der Besitzstandswahrung gewährte die Gemeindeordnung diesen Gemeinden das Recht zur Führung der Bezeichnung Stadt nach historischem Prinzip und unabhängig davon, ob in der jeweiligen Gemeinde nach heutigem Verständnis ein städtisches Gepräge vorhanden ist.
Seit Inkrafttreten der Gemeindeordnung hat die Landesregierung zudem insgesamt 22 Gemeinden die Bezeichnung Stadt verliehen (sogenannte Stadterhebung).24 Stadterhebungen kommen in der Praxis eher selten und naturgemäß in unregelmäßigen Abständen vor, wobei zuletzt eine gewisse Häufung festzustellen war.25
Nach alldem gibt es im Land derzeit 316 Gemeinden, welche die Bezeichnung Stadt führen; in dieser Zahl sind die derzeit 96 Großen Kreisstädte26 und die neun Stadtkreise27 enthalten. Die Begriffe Stadtkreis und Große Kreisstadt sind nicht als Bezeichnungen i. S. v. § 5 GemO anzusehen, sondern beziehen sich darauf, dass diese Gemeinden als untere Verwaltungsbehörden staatliche Aufgaben wahrnehmen und bezeichnen damit gewissermaßen jeweils eine Kategorie von Gemeinden, denen besondere Pflichtaufgaben zugewiesen sind.28 Der Begriff Stadtkreis bedeutet zudem, dass die Gemeinde nicht zu einem Landkreis gehört.
2. Verleihung der Bezeichnung
Die Landesregierung kann einer Gemeinde auf deren Antrag die Bezeichnung Stadt verleihen. Dies setzt voraus, dass die Gemeinde nach Einwohnerzahl, Siedlungsform und ihren kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnissen städtisches Gepräge trägt.29 Für eine Stadterhebung ist nach gängiger Praxis neben einer Zahl von mindestens 10 000 Einwohnern insbesondere zu verlangen, dass der Hauptteil der Einwohner auf ein im Wesentlichen geschlossenes Siedlungsgebiet entfällt. Eine städtische Siedlungsform ist nicht schon dann gegeben, wenn ausgedehnte Wohnsiedlungen entstanden sind. Es muss zumindest ein zusammenhängender verdichteter Ortskern vorhanden sein, der eine Zentrumsfunktion für die Gemeinde erfüllt.30 Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse spielen die Zahl und die Größe der vorhandenen Gewerbe- und Industriebetriebe sowie deren Mitarbeiterzahl und -struktur (Anteil der Ein- und Auspendler) eine Rolle. Eine Entwicklung der Gemeinde in Bezug auf die Ausweisung neuer Bau- und Gewerbegebiete sollte möglich sein. Als wichtiges Kriterium gehört zum städtischen Gepräge auch, dass die Gemeinde Mittelpunkt ihres Verwaltungsraums ist. Die Gemeinde muss also in gewissem Umfang zentralörtliche Funktionen für die Umlandgemeinden wahrnehmen (zum Beispiel Einrichtungen der Daseinsvorsorge, medizinische Versorgung, weiterführende Schulen, Kultureinrichtungen). Da die Bezeichnung Stadt ein besonderes Prädikat darstellt, das in der öffentlichen Wahrnehmung regelmäßig mit einer gewissen Größe, Bedeutung und Struktur einer Gemeinde verbunden wird, ist einer Entwertung vorzubeugen und ein eher strenger Maßstab anzulegen.31
3. Rechtsfolgen
Während das mittelalterliche Stadtrecht in früheren Zeiten mit besonderen Privilegien verbunden war (zum Beispiel Marktrecht, Zollrecht), hat die Verleihung der Bezeichnung Stadt heutzutage keine Auswirkung auf die kommunalverfassungsrechtlichen Verhältnisse der Gemeinde; neue Zuständigkeiten werden ebenfalls nicht begründet. Auch für den kommunalen Finanzausgleich hat eine Stadterhebung keine Bedeutung. Es ändern sich lediglich die Bezeichnung der Mitglieder des Gemeinderats (Stadträte statt Gemeinderäte)32 und die Amtsbezeichnungen der Beamtinnen und Beamten der Gemeinde (zum Beispiel Stadtoberinspektor statt Gemeindeoberinspektor).33 Zudem darf die Bezeichnung Stadt nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften auf den Ortstafeln an den Ortseingängen geführt werden, was im Übrigen auch für die Bezeichnung Große Kreisstadt gilt, nicht jedoch für die Bezeichnung Stadtkreis.34
Trotz der überschaubaren Rechtsfolgen führt die Verleihung der Bezeichnung Stadt in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer gewissen Hervorhebung der Gemeinde aus dem Kreis der übrigen Gemeinden und die Bezeichnung wird durchaus als (begehrtes) Prädikat wahrgenommen. Mit der Bezeichnung Stadt wird nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch angesichts der für eine Verleihung erforderlichen Voraussetzungen aus rechtlicher Sicht, eine besondere Größe, Bedeutung und Struktur einer Gemeinde verbunden. Für Gemeinden, die sich überörtlich präsentieren wollen, kann die Bezeichnung ein erheblicher werblicher Vorteil sein.35 Nicht zu unterschätzen sind insbesondere mögliche positive Effekte auf ortsansässige Handels- und Gewerbebetriebe, die sich aus der mit der Bezeichnung Stadt in Verbindung gebrachten Mittelpunktionsfunktion in der Raumschaft ergeben können, sowie eine mögliche Stärkung der Identifikation der Bürgerschaft mit der Gemeinde und des Bürgerengagements, die eine Stadterhebung auslösen kann. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls verständlich, dass die Möglichkeit, die Bezeichnung Stadt führen zu dürfen, für das Selbstverständnis und Selbstwertgefühl einer Gemeinde nicht unwichtig ist.
Wie der Gemeindename ist auch die Bezeichnung Stadt für sich allein grundsätzlich nach § 12 BGB gegen unbefugten Gebrauch geschützt. Dies gilt allerdings nur dann, wenn es sich um eine Einrichtung handelt, die typischerweise nur durch eine Stadt unterhalten wird und bei der mit dem Betrieb durch die öffentliche Hand eine bestimmte Güte- oder Qualitätsvorstellung verbunden wird (zum Beispiel Stadtwerke).36
Den gesamten Beitrag entnehmen Sie aus den VBlBW Heft 6/2025.