15.02.2011

Hilfe im Regelungs-Dschungel


Private Vorschriftenverzeichnisse von öffentlichem Interesse

Hilfe im Regelungs-Dschungel


Private Vorschriftenverzeichnisse von öffentlichem Interesse

Ohne Ordnung im Paragrafen-Dschungel kein Durchblick. | © maSpi - Fotolia
Ohne Ordnung im Paragrafen-Dschungel kein Durchblick. | © maSpi - Fotolia

Manchmal ist man in der nicht beneidenswerten Lage, sich über den aktuellen Stand der Rechtslage zuverlässig informieren zu müssen. Die Auffindbarkeit und Nützlichkeit von amtlichen und privaten Informationen über Änderungen von Vorschriften erscheint sehr uneinheitlich. Gelegentlich verhelfen erst verlegerische Akte dem Rechtsstaatsprinzip durch Transparenz zur Verwirklichung.

Beispiel: Anwendung der VOB 2009


Als praktisches Anwendungsbeispiel kann ein kommunaler Entscheidungsträger dienen, der eine kleinere Baumaßnahme unterhalb der EU-Schwellenwerte ausschreiben sollte. Konkret stand er im Jahre 2009 oder 2010 vor der Frage, ob der Ausschreibung die VOB noch in der 2006er-Fassung zugrunde zu legen sei oder ob er bereits die VOB 2009 anzuwenden habe.

Datenlage


Es gibt Online-Datenbanken, konsolidierte Vorschriftensammlungen, kostenfreie und kostenpflichtige Angebote, wenn man wissen möchte, welches Gesetz in welcher Fassung gilt oder zu einem bestimmten Zeitpunkt gegolten hat.


Es gilt als Gebot der Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Normenklarheit, dass es nicht unzumutbar schwierig sein darf, sich über die Rechtslage zu informieren oder sich durch Fachleute informieren zu lassen (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 27.11.1990, Az. 1 BvR/402/87 = BVerfGE 83, 130, 145).

Je genauer man allerdings die Fragen an den Zustand der Rechtsordnung und seine Dokumentation formuliert, desto schwieriger wird es, auf einfache Weise exakte und belastbare Antworten zu finden. Besonders dürftig fallen die staatlichen Hilfestellungen aus.

Beispiel Bundesgesetzblatt (BGBl.)


Illustrativ dafür ist das Bundesgesetzblatt: Fast alle Bundesgesetze und ‑verordnungen werden im BGBl. Teil I veröffentlicht, vor allem deren Änderungen. Die konsolidierten Fassungen erscheinen dann – meist erst einige Wochen nach den Änderungen – in privaten Sammlungen und Datenbanken. Eine systematische amtliche Auflistung aller am Jahresende noch in Kraft befindlichen Bundesgesetze und ‑verordnungen aus dem BGBl. I mit einer Liste der dazu ergangenen Änderungsvorschriften erscheint als Fundstellennachweis A (FNA) im Februar des Folgejahres in Papier und als CD-ROM. Danach aber wieder ein Jahr lang nicht. – Wer also unterjährig sichergehen möchte, alle Änderungen „seiner“ Vorschrift gesehen zu haben, der muss das BGBl. rückwärts durchsuchen und kann bei einem Treffer die „zuletzt geändert durch Gesetz vom …“ – Hinweise weiterverfolgen, bis er beim zuletzt im FNA dokumentierten Jahresendpunkt angelangt ist. Dann hat er alle relevanten BGBl.-Fundstellen und muss „nur noch“ prüfen, ob alle genannten Änderungen bereits in Kraft getreten sind und ob kein mit Anwendungsvorrang ausgestattetes Europarecht entgegensteht. Die Alternative hierzu ist, sich auf die Arbeit einer privaten Vorschriftenredaktion zu verlassen und in einer Rechtsdatenbank oder in einer Gesetzessammlung nachzuschlagen. Die Alternative wird gemeinhin bevorzugt.

Passagere Informationslücke


Diese Art Informationslücke ist im Landesrecht existent und betrifft insbesondere die Dokumentation von Verwaltungsvorschriften. Und in diesen Fällen wird die Lücke weniger häufig durch private Redaktionen geschlossen, weil sich landesrechtliche Verwaltungsvorschriften nur an ganz ausgesuchtes Publikum verkaufen lassen. Kommen wir zurück auf den kommunalen Dezernenten, der sich zwischen VOB 2006 und 2009 entscheiden muss. Läge sein zu vergebender Auftrag oberhalb des Schwellenwertes für Bauaufträge in Höhe von derzeit 4.845.000 Euro, wäre er gemäß § 6 Abs. 1 der Vergabeverordnung ab 07.06.2010 zur Beachtung der VOB 2009 verpflichtet gewesen. Da er aber darunter lag, musste er ermitteln, was „seine“ zuständige Landesregierung als Stichtag festgelegt hatte. In Baden-Württem
berg löste die „Verwaltungsvorschrift der Ministerien über die Anwendung der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A), Ausgabe 2009, Teil B (VOL/B) und der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF)“ vom 14.06.2010 (GABl. S. 222) die Vorgängervorschrift von 2006 ab und änderte die VergabeVwV des Innenministeriums. Deren Punkt 2.1.1 bestimmte daher seit dem Inkrafttreten dieser Änderung am 01.10.2010, dass unter anderem die Vorschriften der VOB Ausgabe 2009 als Vergabegrundsätze im Sinne von § 31 Abs. 2 GemHVO von den kommunalen Auftraggebern anzuwenden sind. Wie kommt nun diese Information effektiv zu unserem Dezernenten?

Praktische Abhilfemöglichkeit


Die Änderung der VergabeVwV wird im Bekanntmachungsverzeichnis des Innenministeriums zwar vermerkt. Dieses liegt aber erst zum nächsten Jahresbeginn als CD-ROM dem Verkündungsblatt-Abonnement bei. Amtlich bekommt der Kollege früher keine verbindlichen Änderungsnachweise. Wenn der zuständige Verwaltungsbeamte nun keine Recherchezeit ver(sch)wenden möchte, um die einzelnen Nummern des GABl. nach „VergabeVwV“ zu scannen, kann er sich an das optimierte Bekanntmachungsverzeichnis im Angebot des Vorschriftendienstes Baden-Württemberg (vd-bw.de) wenden. Dieses wird normalerweise am Tag des Erscheinens von Verkündungsblättern aktualisiert und zeigt nach Eingabe des Suchbegriffes „VergabeVwV“ an, dass diese Verwaltungsvorschrift vom 20.11.2008 durch Verwaltungsvorschrift vom 14.06.2010 (GABl. S. 222) geändert wurde. Bei einem Klick auf diese Änderungsangabe wird die zitierte GABl-Seite im Faksimile angezeigt und gibt die Änderung im Wortlaut wieder, auch solange sie noch nicht in die Volltextdatenbank eingearbeitet wurde. Bei einem Klick auf den Haupteintrag („Volltext anzeigen“) erscheint der konsolidierte Text der geänderten VwV und man sieht auch im Vorspann, ob die aktuelle Änderung dabei bereits berücksichtigt ist.

oBVZ für Baden-Württemberg


Das optimierte Bekanntmachungsverzeichnis (oBVZ) ist als Datenbank konzipiert und u.a. der Volltextsuche zugänglich. Parallel hierzu ist es über Suchmasken zu den Datenbankfeldern (z.B. Urheber, Datum, Fundstelle) und über den hierarchisch gegliederten Strukturbaum erschlossen. Dieser orientiert sich an den FNA-Nummern des Bundes, ist also dezimal in die üblichen Hauptgruppen der Rechtsmaterien untergliedert. Das oBVZ enthält die landesrechtlichen Gesetze, Rechtsverordnungen der Landesregierung und der Ministerien mit Ausnahme der Lehrpläne, aber – abweichend vom amtlichen Bekanntmachungsverzeichnis – inklusive der Naturschutzverordnungen; es enthält die veröffentlichten Verwaltungsvorschriften der Landesregierung und der Ministerien mit Ausnahmen von Lehr- und Studienplänen, Führungs- und Einsatzanordnungen im Bereich des Polizeivollzugsdienstes. Es dient dem gedrängten Überblick über das geltende Landesrecht in tabellarischer Form. Das oBVZ sticht damit zwar in der Funktionalität aus ähnlichen Produkten heraus, es gibt durchaus Parallelen dazu, vor allem für das Bundesrecht. Dies sind allerdings durchweg nicht-staatliche Veranstaltungen.

Wunschdenken


Rechtsstaatliches Desiderat wäre, dass in dieser oder ähnlicher Weise für jedes Bundesland sowie für das Bundesrecht eine Online-Plattform aktuell und übersichtlich Auskunft über alle anfallenden Änderungen gibt. Und wenn möglich gratis.

 

Dr. Alexander Konzelmann

Leiter der Boorberg Rechtsdatenbanken RDB, Stuttgart
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