15.02.2011

Finanzhilfe ja – Kontrolle nein

Informationsbeschaffungsrechte des Bundes teilweise verfassungswidrig

Finanzhilfe ja – Kontrolle nein

Informationsbeschaffungsrechte des Bundes teilweise verfassungswidrig

Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ist manchmal eine heikle Gratwanderung. | © Bergfee - Fotolia
Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ist manchmal eine heikle Gratwanderung. | © Bergfee - Fotolia

Der Bund darf den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen gewähren, deren Verwendung aber nur in Ausnahmefällen durch eigene Erhebungen prüfen. Dies ist die Quintessenz einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 07.09.2010, 
Az. 2 BvF 1/09) zu § 6 a des Zukunftsinvestitionsgesetzes (ZuInvG). In diesem Gesetz sind die Finanzhilfen geregelt, die der Bund den Ländern und Kommunen im Rahmen des Konjunkturpakets II gewährt hatte.

Keine Legitimation für Überprüfung der konkreten
 Verwendung der Mittel


Gegenstand des abstrakten Normenkontrollverfahrens war die Frage, wie der Bund kontrollieren kann, ob die Länder und Kommunen die gewährten Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet haben. Nach § 6 a ZuInvG kann der Bund zu diesem Zweck in Einzelfällen Nachweise anfordern, Bücher, Belege und sonstige Unterlagen einsehen und eigene Erhebungen vor Ort durchführen. Auch dem Bundesrechnungshof wird in § 6 a Satz 4 ZuInvG ein entsprechendes Erhebungsrecht bei den Ländern und Kommunen zugestanden. Durch diese Regelungen sahen die Landesregierungen ihre Haushaltsautonomie verletzt.

Wenn der Bund sich wie in § 6 a Satz 1 ZuInvG selbst ermächtigt, Informationen bei den Ländern und Kommunen zu beschaffen, so begründet dies entsprechende Rechtspflichten der Länder. Beeinträchtigt werden dadurch der Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern (Art. 109 Abs. 1 GG) sowie der Grundsatz der Länderzuständigkeit (Art. 30 GG).


Der Bundesgesetzgeber darf solche Rechtspflichten der Länder und Kommunen nur begründen, wenn das Grundgesetz ihm eine entsprechende Zuständigkeit verleiht. Da seine Prüfungstätigkeit eine Form des Verwaltungshandelns ist, benötigt er eine entsprechende Verwaltungskompetenz.

Die Bundesregierung hatte die Kompetenz für die Überwachungs- und Kontrollbefugnisse aus § 6 a ZuInvG aus Art. 104 b Abs. 2 Satz 2 sowie aus Art. 104 b Abs. 3 GG abgeleitet. Beide Bestimmungen sind nach Ansicht des BVerfG jedoch nicht geeignet, die Rechte des Bundes aus § 6 a Satz 1 ZuInvG zu begründen.

Nach Art. 104 b Abs. 2 Satz 2 GG muss der Bund die Verwendung der gewährten Finanzhilfen in regelmäßigen Abständen überprüfen. Das BVerfG leitet daraus – anders als die Bundesregierung – nicht die Pflicht des Bundes ab, die konkrete Verwendung der Mittel im Einzelfall zu prüfen. Art. 104 b Abs. 2 Satz 2 GG soll vielmehr sicherstellen, dass der Bund regelmäßig überprüft, ob die Finanzhilfe als solche noch sinnvoll ist. Als Grundlage für die Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsprüfung im Einzelfall kommt die Norm dagegen nicht in Frage.

In Art. 104 b Satz 3 GG ist geregelt, dass der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung auf Verlangen über die Durchführung der geförderten Maßnahmen und über die erzielten Verbesserungen zu informieren sind. Nach dieser Bestimmung sind die Länder gehalten, dem Bund Auskunft über die Verwendung der Finanzhilfen zu geben. Das BVerfG stellt in seiner Entscheidung aber klar, dass die Regelung dem Bund keine Kompetenz verleiht, sich selbst Informationen bei den Ländern oder Kommunen zu beschaffen. Er hat nach Art. 104 b Abs. 3 GG nur das Recht, sich unterrichten zu lassen, die Informationen aber, über die berichtet wird, stellt das verpflichtete Land zusammen, etwa in Form eines Sachberichts oder über die Verwendungsnachweise der Zuwendungsempfänger.

Auch die Regelungen zur Bundesaufsicht über den Gesetzesvollzug können die Informationsbeschaffungsrechte des Bundes aus § 6 a Satz 1 ZuInvG nach Meinung des BVerfG nicht legitimieren. Zwar führen die Länder das ZuInvG gem. Art. 83 GG als eigene Angelegenheit aus, so dass dem Bund gem. Art. 84 Abs. 3 GG Satz 1 die Aufsicht darüber zusteht, ob die Ausführung dem geltenden Recht entspricht. Doch bezieht sich die Bundesaufsicht nach Auffassung des BVerfG nur auf den inhaltlichen Gesetzesvollzug, nicht auf die externe Finanzkontrolle. Der Bund kann also im Rahmen der Bundesaufsicht allgemein prüfen, ob das ZuInvG von den Ländern rechtmäßig umgesetzt wurde. Ob die Ausgabenpraxis der Länder wirtschaftlich und zweckmäßig ist, ist hingegen nicht Gegenstand der Aufsicht nach Art. 84 Abs. 3 Satz 1 GG.

Begrenzte Verwaltungskompetenz für die Durchsetzung von Haftungsansprüchen


Eine Bundeszuständigkeit, die sich ausdrücklich auf die Verwaltung von Ausgaben bezieht, leitet das BVerfG aber aus Art. 104 a Abs. 5 Satz 1, 2. Hs GG ab: Danach haften der Bund und die Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung ihrer Ausgaben. Dementsprechend enthält auch § 7 ZuInvG einen Haftungstatbestand. Der Bund kann danach die gewährten Finanzhilfen von einem Land zurückfordern, wenn ihre Verwendung nicht den Voraussetzungen des ZuInvG entspricht. Bezogen auf diesen Haftungstatbestand besteht nach Ansicht des BVerfG nicht nur eine Gesetzgebungs-, sondern auch eine Verwaltungskompetenz des Bundes, d. h. im Bereich des Haftungsrechts darf der Bund die erforderlichen Informationen bei den Ländern selbst ermitteln. Dies ergibt sich für das BVerfG daraus, dass es in der Regel nur aus Länderunterlagen erkennbar wird, ob der Haftungstatbestand vorliegt. Die Verwendungsnachweise der Länder reichen für diese Ermittlungen nicht aus. Wenn es um eine Haftung eines Landes gegenüber dem Bund geht, kann die Prüfungstätigkeit des Bundes zudem nicht auf Informationen beschränkt werden, die mit Zustimmung des Landes beschafft werden können.

Was folgt aus diesen Überlegungen des BVerfG? Verfassungsmäßig ist § 6 a Satz 1 ZuInvG ausschließlich in Fällen, in denen der Bund ermitteln möchte, ob ein Rückforderungsanspruch gem. § 7 ZuInvG vorliegt. In diesen Fällen darf er Unterlagen der Länder und Kommunen anfordern und Sachverhaltsermittlungen vor Ort durchführen. Verfassungswidrig sind diese Handlungen immer dann, wenn mit ihnen andere Zwecke verfolgt werden. Eine allgemeine Kontrolle, ob die Finanzhilfen wirtschaftlich und zweckmäßig verwendet wurden, ist dem Bund daher unmittelbar nicht möglich. Hier muss der Umweg über die Berichte der Länder und die Verwendungsnachweise gegangen werden.

Erhebungen des Bundesrechnungshofes bei Ländern und Kommunen


Ganz ähnlich bewertet das BVerfG auch § 6 a Satz 4 ZuInvG, der dem Bundesrechnungshof erlaubt, eigene Erhebungen bei den Ländern und Kommunen durchzuführen. Auch hier stellte sich die Frage, ob der Bund nach dem Grundgesetz eine Kompetenz dafür hat, diese Prüfungstätigkeit einer Bundesbehörde in den Ländern zu regeln. Wie auch schon bei § 6 a Satz 1 ZuInvG verneint das BVerfG eine Zuständigkeit aus Art. 104 b Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 3 GG (s.o.). Für einen Teil der vorgesehenen Aufgaben leitet es aber eine Bundeskompetenz aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG ab. Dieser Grundgesetzartikel bestimmt zunächst nur allgemein, dass der Bundesrechnungshof die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes prüft (Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG). Interessant ist nun, dass das BVerfG dem Bundesrechnungshof zur Erfüllung dieser Aufgabe recht weitgehende Ermittlungsbefugnisse zugesteht: Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG schließt demnach Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Länderbereich nicht grundsätzlich aus, da die Finanzen des Bundes und der Länder in vielerlei Hinsicht miteinander verflochten sind. Dem Interesse des Bundes, den Bundesrechnungshof mit den erforderlichen Instrumenten der Informationsbeschaffung auszustatten, steht aber das verfassungsrechtlich ebenfalls geschützte Interesse der Länder an ihrer Haushaltsautonomie entgegen.

Eingriffsbefugnisse inhaltlich begrenzt


Das BVerfG wägt beide Interessen in der Weise ab, dass es die Eingriffsbefugnisse des Bundesrechnungshofes inhaltlich begrenzt: Der Bundesrechnungshof darf demnach nur in den Gebieten eigene Ermittlungen anstellen, in denen dem Bund auch eine Verwaltungskompetenz zusteht. Konkret bedeutet dies, dass der Bundesgesetzgeber dem Bundesrechnungshof Befugnisse nur dann übertragen kann, wenn diese von der allgemeinen Bundesaufsicht aus Art. 84 Abs. 3 GG oder von der haftungsrechtlichen Zuständigkeit nach Art. 104 a Abs. 5 Satz 1, 2. Hs. GG gedeckt sind. Im Rahmen der allgemeinen Aufsicht über den Gesetzesvollzug durch die Länder kann der Bundesrechnungshof folglich bei den Ländern Akten anfordern, wenn es Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß gibt, der die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes betrifft. Im Bereich der Landeseigenverwaltung nach Art. 83 GG muss dieses Recht aber auf konkrete Verdachtsfälle beschränkt bleiben. Verfassungsmäßig ist die eigene Ermittlungstätigkeit entsprechend dem oben bereits Gesagten zudem immer dann, wenn die Voraussetzungen für einen Rückforderungsanspruch nach § 7 ZuInvG zu klären sind. Alle anderen Handlungen des Bundesrechnungshofes, die im Zusammenhang mit der Verwendung von Finanzhilfen stehen und vom Wortlaut des § 6 a Satz 4 ZuInvG gedeckt wären, sind verfassungswidrig. Auch hier scheidet folglich die Möglichkeit aus, eine flächendeckende Kon­trolle der Mittelverwendung unmittelbar durch den Bundesrechnungshof durchzuführen.

 

Dr. Friederike Wapler

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Göttingen
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